Metallica – Reload

Okay. Anderthalb Jahre hab ich sie verteidigt, hab sie unermüdlich in Schutz genommen gegen den Vorwurf, das alte Feuer sei erloschen. Und sind wir mal ehrlich: die Jungs sind alle über dreißig, da macht man keine Revolution mehr. Die Innovationen leisten Jüngere, außerdem – Metallica haben ihre Pflicht mehr als erfüllt mit fünf grandiosen Alben. Und was ist peinlicher als eine Band, die sich selbst kopiert?

Genau das ist jetzt passiert. Dabei hätte ich es wissen müssen: das Album heißt RE-Load, das Material stammt zum Teil aus den Load-Sessions, von denen ja bekannt ist, daß der Stoff für eine Doppel-CD gereicht hätte. Aber um nicht alles auf EINER Tour abfackeln zu müssen und dann vielleicht wieder ein halbes Jahrzehnt abzutauchen, wurde der Rest nun nach besagten anderthalb Jahren nachgeliefert.

Eigentlich müßten sie sich ja in Hardrockica umtaufen, der Metal hat sich irgendwann zwischen dem Schwarzen Album und der Load verflüchtigt (so wie die Hosen auch keinen Punk mehr machen).

Und getret´ner Quark wird breit, nicht stark. Auch nicht durch noch so plattgewalzte Riffs. Schwerfälliger sind sie geworden, es zieht sich alles ein bißchen. Und es fehlt der Gegenpart zu Hetfields „Crunch“, der mitlerweile so flächendeckend ist, daß von Hammetts ausgefeilten Soli nicht mehr viel zu hören ist. Oder hat der statt Flinkefingern nur noch Fummelstummel? Aber gegen die Hetfield-Ulrich-Mafia ist wahrscheinlich einfach kein Ankommen.

A propos Ulrich, an dieser Stelle muß ich mich – um der Wahrheit genüge zu tun – aber auch lobend äußern. Und das betrifft genau die Dinge, die ich schon an der Load mochte:
Zum Beispiel die Drums: Lars Ulrich ist ein echtes Phänomen, der Mann wird immer besser! Es liefert nicht einfach nur Rhythmen, sondern wahre Kunstwerke. Für bloße Begleitung war er sich immer zu schade, aber Trommeln nur aus Selbstzweck, nur um des Effekts willen ist seine Sache auch nicht. Als ich neulich erzählte, ich sei immer noch auf der Suche nach den – laut Metallicas eigener Aussage – Jazz-Einflüssen auf der Load, wurde ich auf die Drums hingewiesen (Danke, Pia!), Ulrich spiele teilweise sogar gegen die Band an. Ums abzukürzen: Der Däne wäre von den Vieren zur Zeit mit Abstand am schwersten zu ersetzen!

Mögen sie auch an Biß und Schärfe verloren haben – das gleichen sie durch einen sagenhaften Swing aus! Gerade der lässigere Hardrock ermöglicht ihnen einen richtig runden Drive, den sie erst mit der Load entwickelt haben. Sie sind zwar ein bißchen vom Gas runter gegangen, dafür fahren sie mit viel Gefühl, und der Wind bläst ihnen immer noch ganz schön um die Nasen.

Stilistisch bilden Load und Reload eine Einheit, beide sind mit furiosen Openern versehen (Ain´t my bitch bzw. Fuel) und verarbeiten unter anderem Country- und Blues-Einflüsse. Allerdings fehlt der Reload eine Schnulze wie „Mama said“, es sei den man nimmt das melancholische, mäßig akustische „Low man´s lyric“. Als Entschädigung dient auch das abwechslungsreiche und ausdrucksvolle „The unforgiven II“, die Fortsetzung der Ballade vom Schwarzen Album. Ach ja, noch eine Kuriosität am Rande: auf „The Memory remains“ jault Marianne Faithful ins Mikro, so toll ich sie auch finde: anders als Hetfield kann die Frau bis heute nicht singen! Zwar halten Metallica auch mit der Reload weiter an ihrer Stadionrock-Attitüde fest, aber die Kompositionen sind zerfahrener, verlieren sich zu sehr in mehrstimmigen Vocal-Partien und Riff-Ritten. Wären sie straffer geführt worden, gäb es auch auf der Reload Brecher wie „King Nothing“ oder „Thorn within“, selbst extrem ausladende Stücke hatten auf der Load noch genügend Spannung (Bleeding me) und erinnerten an die großartig und komplex gebauten Songs der „…and justice for all“, an denen sich die Musikwissenschaft der Zukunft so satt-analysieren kann wie an Mozarts Sonaten und Bachs Fugen. All das ufert auf der Reload zu sehr aus, wirkt zu selbstverliebt, weniger wäre mehr gewesen. Überhaupt ragen nur wenige Stücke aus dem Reload-Einheitsbrei heraus, ihr Vorgänger war vielschichtiger, zeigte sich variabler, etwa mit „Until it sleeps“, „Poor twisted me“ oder „Ronnie“ – Songs, wie man sie nie zuvor von Metallica gehört hat, und leider auch später nicht mehr (zumindest bis heute).

Also, schlecht ist die Reload nicht (naja, ein Kompliment ist das auch nicht…), im Grunde hat das Bay Area-Quartett einfach meine Erwartungshaltung enttäuscht. Um´s mit einem Bild aus der Welt der Triebe auszudrücken: es war ein bißchen wie scharfgemacht und dann nicht kommen dürfen. Mit fliegenden Fingern hab ich die heißersehnte Scheibe eingelegt, um nach den ersten Songs nur noch durchzuzappen und schließlich entnervt im Kassettenkarton nach den alten Sachen zu kramen. Aber wenn ich mir klarmache, daß die Reload eben die Fortsetzung der Load ist, geht´s. Vielleicht lassen sie sich ja beim nächsten Album wieder was Neues einfallen. Nicht back-to-the-roots, einfach was Neues. Zum Beispiel ein neuer Produzent…