Calexico: Ballad of Cable Hogue

Wenn eine Tex-Mex-Scheibe Gänsehaut verursacht, dann weiß man, was die Stunde geschlagen hat: es gibt Neues von Calexico! Der Sommer kann kommen, der rote Teppich ist schon ausgerollt.

„Ballad of Cable Hogue“ (eine Reminiszenz an den Western-Regisseur Sam Peckinpah und nicht zu verwechseln mit John Cales gleichnamiger Reminiszenz an den Western-Regisseur Sam Peckinpah) rollt mit unerbittlicher, grimmiger Wucht an. Mit seiner düsteren Atmo und der Französin Marianne Dissard als Duett-Partnerin erinnert der Song ein wenig an Nick Caves Zusammentreffen mit Kylie Minogue.

Schrammelige Akustikgitarre und schneidende Slide-Guitar-Riffs mit viel Hall, dazu Akkordeon und schmetternde Mariachi-Trompete (Martin Wenk war auch schon mit Fink auf Tour, by the way) – die Single-Auskopplung des kommenden Longplays ist für Calexico ungewöhnlich gitarrenlastig. Man kennt sie verschrobener, auch spartanischer und mit liebevoll ausgefeilten Percussions. Immerhin sind Joey Burns und John Convertino nebenbei die Rhythmus-Fraktion der amerikanischen Alternative-Folkies Giant Sand.

Jetzt also erstmal deftiger, griffiger Gringo-Sound. Mit der geplegten Melancholie aller Calexico-Songs. Die verströmt auch „The Crystal Frontier“ (nur auf Single zu haben), ein locker fließender Latino. Und hier finden sich auch wieder viele schräge Details. Klingt dieses Fingerpicking nicht gleichzeitig wie eine Steel Drum? Ist das Geräusch am Anfang ein Windspiel aus Glas? Oder eine Harfe? Woher kommt das unheimliche Schnarren? Im Hintergrund, das sind Congas, ganz klar. Und eine Orgel. Die Gitarren ergehen sich mal in schmatzendem Wah-Wah, in krachenden Verzerrern und in geschmeidigen Glissandi…

„Hard Hat“, der letzte Take, wird auf dem Album ebenfalls fehlen. Ein 7-Minuten-Klangexperiment, das beim Saarländischen Rundfunk vermutlich als „Hörkunst“ gesendet würde. Avantgarde also. Zarte Vibraphon-Klänge, leise pfeifendes Gefrickel, dumpfes Rauschen, gespenstisches Klangschalen-Geschwirre, auf- und abebbende Percussions. Eine vertonte Geisterstadt.

Es ist schon lustig: die schönsten Latino-Klänge sind nach einem kalifornischen Kaff benannt und kommen ausgerechnet aus Amerikas weißer Independent-Folk-Szene. Von Teilen einer Band, deren Songs bei weitem nicht so eingängig sind wie diese schlafwandlerisch flüssigen Ohrwürmer. Schönes Altervativprogramm zu Jennifer Lopez, diesem weiblichen Hanswurst, und zum sympathischen Santana, dessen mexikanische Wurzeln leider allzu esoterisch verwässert sind.

Calexico haben keine kulturelle Mission, sondern Lust am Spiel. Vermutlich sind alte Schwarzweiß-Western ihnen mehr Inspiration als es mexikanische Folklore ist. Glutvolle Romantik, Macho-Pathos und Fiesta-Schläfrigkeit – Calexico hauchen alten Klischees frisches Leben ein. Mit rauhen Country-Klängen, der Schrammel-Attitüde westlicher Rockmusik, ihrer Virtuosität und einer geballten Portion Einfallsreichtum: Calexico-Songs sind opulent ausgestaltete Gesamtkunstwerke!

Calexico: Ballad of Cable Hogue (MCD)
(Virgin 896699 2/EFA 08738-7)

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