Schniff

Zum Tod von Carl Barks

Der Name klingt selbst, wie von Disney ausgedacht. Und blieb immer eine Art Geheimkürzel. Vieles schwingt unausgesprochen mit: Donald Duck, die unverkennbare Handschrift, die lange Anonymität, der späte Ruhm, die teuren Ölbilder und viel, viel Ehrfurcht. Will man erwachsenen Comic-Fans einen Ausdruck infantiler Bewunderung ins Gesicht hexen, reichen zwei Worte: Carl Barks. Ein Mythos, der durchaus auf die Anhängerschaft zurückstrahlt: sie waren es, die intuitiv Unterschiede zwischen den Zeichenstilen der Duck-Comics ausmachten. Mangels Namensnennung blieb Barks lange schlicht „der gute Zeichner“. Dass er dem gleichmacherischen Disney-Etikett entrissen wurde, war das Verdienst der Fans. Umgekehrt gab Barks den Lesern Gelegenheit, sich ihrer selbst zu vergewissern.

1935 zeichnete Barks zum ersten Mal für Disney, ein halbes Jahr arbeitete er als Zwischenphasenzeichner am Schneewittchenfilm mit. Nach sechs Monaten wechselte er die Abteilung, wurde Storyboarder und Brainstormer, half Geschichten zu entwickeln – und hatte seinen ersten Kontakt mit der Ente! Die war zu diesem Zeitpunkt bereits über ein Jahr alt, 1934 hatte Donald Duck seinen ersten Auftritt im Zeichentrick „The wise litte hen“, und in Mickeys Trickfilmdebüt „Steamboat Willie“ war er auch schon dabei. Als Sidekick. Dass er es nicht blieb, war das Verdienst von Carl Barks, aber erst einige Zeit später. Denn erst versuchte der sich noch (erfolglos) als Hühnerfarmer, um 1942 zu Disney zurückzukehren. Im selben Jahr entstand Barks´ erste gezeichnete Duck-Story, allerdings noch nach einem Skript, das ursprünglich für einen Zeichentrickfilm vorgesehen war: „Donald Duck finds Pirate Gold“. Die 64 Seiten teilte sich Barks mit Jack Hannah. Es war zugleich auch das erste Originalmaterial eines „Donald Duck Comic Books“ (auf deutsch: ein Heftchen). 1945, als Donald nach Mexico schippert, um dort Bohnen abzuholen, begann die Ära Barks so richtig. Ab diesem Zeitpunkt machte er Donald, die Ducks und Entenhausen dem, was die Fans so lieben. Nebenbei erfand er Onkel Dagobert, Fähnlein Fieselschweif, Daniel Düsentrieb, die Panzerknacker, Gundel Gaukeley und Gustav Gans – und dosierte ihre Einsätze wohlüberlegt, um ihrem Verschleiß vorzubeugen.

Anfang der 60er Jahre machen Fans schließlich den Mann hinter den „guten“ Zeichnungen ausfindig, 1971 wurde sein Name auch in Deutschland publik, da war Barks schon seit fünf Jahren in Rente. Als Fans ihn bestürmten, die Ducks in Öl zu malen, holte er sich von Disney die Genehmigung, und schon bald erzielten die Bilder bei Sotheby´s astronomische Preise.

Leicht übersieht man, dass Barks nicht nur Zeichner, sondern kompletter Geschichtenerzähler mit ausgeprägtem Sinn für Gags und Timing war. Bei Disney war man im zweiten Anlauf (ab 1942) rasch dazu übergegangen, Barks nicht nur die Bilder, sondern die Konzeption ganzer Stories anzuvertrauen. Übrigens inklusive der Texte, denn Barks war auch auf dem Gebiet des Wortwitzes ein Meister. Den Zeichnungen sieht man auf den ersten Blick an, warum sie Barks zur Legende machten. Mit wenigen Strichen ließ er seine Enten jede Facette emotionaler Regungen empfinden. Die Energie und der unwiderstehliche Charme seiner Bilder waren nicht zu kopieren. Akribisch bereitete er jedes Setting, jedes Lokalkolorit vor. Ein amerikanischer Tüftler, der eine Einrichung, die durch das Hineinpumpen von Luft gesunkene Gegenstände heben sollte, patentieren lassen wollte, hatte Pech: eine ähnliche Konstruktion hatte Barks schon in Entenhausen testen lassen, mit Ping-Pong-Bällen. Das Patent wurde verweigert. Eine Anekdote, die paradigmatisch für den Barks´schen Einfallsreichtum und seinen spezifischen Realismus steht. Die Mischung aus Irrealität und Wirklichkeit gehörte zum Erfolgsrezept seiner Comics. Enten sind eben auch nur Menschen.

Sorgfältig gestaltete Barks das Verhältnis zwischen Donald und seinen Neffen, ließ ihn in etlichen Berufen antreten, meist gipfelten diese Versuche in Katastrophen, während die Abenteuer in der Regel glücklich endeten. Der Weltenbummler, den man durch Donalds exotische Trips in Barks vermutete, war er allerdings nicht. Bildbände, Readers Digest und naturwissenschaftliche Enzyklopedien leisteten bei der Entwicklung der Plots gute Dienste.

Barks´ größte Leistung war vermutlich, sein Zielpublikum, die Kinder, ernst zu nehmen. Er zeichnete für Erwachsene und Kinder, deshalb ist der Reiz seiner Geschichten zeitlos. Exegeten machten hinter seinem Werk selbstredend eine eigene Philosophie aus und nannten sie schlicht „Barksismus“. Die satirische Sicht auf den „Menschen“ mit seinen Schwächen und Begehrlichkeiten, die Korruption der Macht, die Überlegenheit des Reichtums – und mit Dagobert Duck, der seine Taler lieber hütet als ausgibt, ein vertracktes, aber im Kontext der Geschichten immer schlüssiges Exemplar eines Kapitalisten. Barks schuf mit Entenhausen die Chiffre einer eigenen Welt, in der wir Leser uns Zuhause fühlen durften. Auch jede seiner Stories: eine Welt für sich, komplex, aber geschlossen. Im Comic konnte Barks, der nie eine Zeichen-Stunde erhalten hatte, einen alten Traum ausleben. Denn das Schreiben von Kurzgeschichten scheiterte in den 20er-Jahren an seinem begrenzten Wortschatz. Im Comic nahm ihm das Bild die Arbeit ab, und er handhabte seine Ausdrucksform präziser als viele Literaten. Mögen ihm in jungen Jahren auch die Worte gefehlt haben – Barks´ immenses Sprachgefühl schwang in jedem Blocktext, in jeder Sprechblase und in den Namen seiner Figuren mit. Am 25.August ist der Mann aus Oregon mit 99 Jahren an Leukämie gestorben. Nicht nur Entenhausen trauert.

Lassen wir am Ende Barks´ Feder für sich sprechen. Original und Fälschung: Worte überflüssig.

echter Barksbillige Imitation
Links:
+ Eine ausführliche Übersicht über Barks' Schaffen findet 
man in der deutschsprachigen Barks-Base
+ Ein weiterer Barks-Nachruf von Zippo Zimmermann

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