Lektion 30: Wir VERlernen Computer

Immer das gleiche Trauerspiel: Unsere neue Edelpraktikantin, Fräulein Hormonia Hoch, erscheint verspätet und übernächtigt zum Dienst, knallt sich auf ihre Arbeits-Chaisselonge und jammert „Ich komm einfach nicht los von dem Kerl!“.

Wenn’s ja nur ein Mannsbild wäre! Dann würde Chefredakteur Walter einfach und kurz seinen Oberkörper frei machen, und vergessen wär der Typ! Aber nein, es ist schlimmer! Der Kerl nämlich ist Fräulein Hormonia Hochs Power Mac.

Tagtäglich ereignen sich ähnliche Tragödien in Deutschlands Büros und sabotieren den so notwendigen, von Herrn Edmund Stoiber erfolglos versprochenen Aufschwung. Frauen verbringen ihre Nächte vor dem Computer anstatt, wie es früher guter Frauenbrauch gewesen ist, in der Waschküche Herrenoberhemden auszuwringen. Männer lassen die Tage ihres Lebens sinnlos bei Ballerspielen verstreichen, und Kinder, ja, unsere lieben Kinder, diese verzogenen, faulen Plärrkreaturen, sie surfen im Internet, wo wir doch früher mit 13 einen Joint eingepfiffen und mit 14 die erste Vaterschaftsklage abgestritten haben. Armes Deutschland!

Es ist also oberste Kolumnistenpflicht, weise Ratschläge zu geben, wie denn das einmal erlernte Computerwissen schleunigst wieder verlernt werden kann. Der erste Ratschlag ist besonders pfiffig, kann aber von PC-Junkies kaum in die Tat umgesetzt werden. Er lautet: Computer leben von Strom. Strom kommt aus der Steckdose, in der Steckdose steckt ein Stecker mit Kabel, an dessen anderem Ende abermals ein Stecker befestigt ist, der im Computer steckt. Nimmt man nun eine handelsübliche Schere und zerschneidet das Kabel, erhält der Computer keinen Strom und stirbt. Das ist hart. Aber gerecht. Nur ein toter Computer ist ein guter Computer, schon allein deswegen, weil in ihm die Firma Microsoft ihre Herrschaft verloren hat und sich mit ihren Windows die grauen Gummizellen ihres abartigen Hirns tapezieren kann. Allein: Erklären Sie mal unserem Fräulein Hormonia, sie solle ihrem Liebsten mit der Schere zu Leibe rücken! Da plötzlich hat sie Skrupel und findet wieder gute Seiten an – Originalzitat – „diesem Saukerl Power Mac“.

Eine zweite, von Sozialarbeitern dringend empfohlene Methode lehnt sich an die bekannten Frauenhäuser an, in welche sich von ihren schlechtern Hälften malträtierte Damen flüchten. Sogenannte HOCs („Häuser für Opfer von Computern“) könnten den Junkies Schutz und sichere Heimstatt gewähren, wie ein Modellversuch in Großbundenbach erfolgreich bewiesen hat. Alle Zimmer sind spartanisch eingerichtet und völlig PC-frei. Wird ein Bewohner beim intimen Beisammensein mit einem Rechner erwischt (auch sogenanntes PC-Petting, also das lustvolle Streicheln des Gehäuses, gehört dazu), wird ihm auf der Stelle eine neunmonatige POWERPOINT-Schulung verabreicht, durchgeführt von den bewährten Dozenten der einschlägig vorbestraften Firma Hinternetcafe.de. Danach ist einem der Computer für alle Zeiten verleidet.

Überhaupt verspricht das Erlernen völlig nutzloser, ja, geradezu lächerlicher Programme den größten Erfolg beim Computerentzug. Das Softwarehaus DADA BECKER hat, wie stets, die Zeichen der Zeit erkannt und bietet mit „TROUBEMAKER“ ein wertvolles Tool für alle Schwerstabhängigen. Ziel der äußerst komplexen und schwierig zu bedienenden Software ist es, (Werbetext) „Probleme zu konstruieren, die man normalerweise nicht hat und auch nie bekäme, wie zum Beispiel <Hilfe, mir ist ein Haar ausgefallen, muss ich jetzt sterben?> oder <Wenn heute Sonntag ist und morgen Montag, warum muß ich dann übermorgen am Dienstag zur Arbeit?>“.

Fräulein Hormonia, noch immer auf die Chaisselonge hingegossen und jammernd, schüttelt den Kopf. Nein, nein, keine Radikalkuren! „Geht’s nicht auch humaner?“

Ich überlege. Ich überlege sehr lange. Schon fällt das schwarze Tuch der Nacht wie ein geplatzter Beutel Tinte auf die Stadt, um nicht zu sagen: Schon platzt über der Stadt ein Beutel Tinte und taucht alles in Tuchschwarz. Ich überlege trotzdem. Fräulein Hormonia ist längst eingeschlafen und träumt von ihrem Power Mac, dessen schwerstarbeitende Prozessoren sie so schön des Nachts warm halten, wenn schon wieder ein Beutel Tinte, die dazu noch saukalt ist, über…. da plötzlich höre ich abrupt auf zu denken, denn ich habe eine Idee!

Schnell wecke ich die Edelpraktikantin und erzähle der Schlaftrunkenen, wie man auch auf die sanfte Art den Computer verlernen kann: „Lernen Sie einfach etwas anderes, liebste Hormonia! Zum Beispiel Klavier! Oder Häkeln! Oder das Kamasutra! Aber auswendig, wenn ich bitten darf, ich hör sie dann ab!“

Fräulein Hoch ist in diesbezüglicher Stimmung, und nur mit Mühe gelingt es mir, sie davon abzuhalten, mich zu umarmen und auf die Chaisselonge zu ziehen. Denn, mein liebes Fräulein, wer mich einmal kennengelernt hat, der verlernt mich nimmermehr!

(In diesem Augenblick erscheint Chefredakteur Walter mit entblößtem Oberkörper in meinem Büro und stürzt sich auf die Chaisselonge, gleichzeitig höre ich, wie Fräulein Katja das Büro betritt, um ihre neueste Kolumne vorbei zu bringen. Dies gibt mir willkommene Gelegenheit, Material für die nächste Folge meiner beliebten Serie zu sammeln. Thema: Die Rolle der Datenverarbeitung bei Verbrechen aus Leidenschaft.)

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