Paradiesvogel

Dieses Cover ist der Sündenfall in der Layout-Geschichte von James Last. Vorausgesetzt, es ist das erste dieser Art. Egal. Es ist das erste dieser Art, das mir unterkommt.
Zunächst: wo ist James Last??? Es muss ein Schock für alle Fans gewesen sein: ein James Last-Cover ohne James Last. Und dann diese grauenvolle Airbrushtechnik. Das ist doch was für Geschmacksarme, also bitte.

Außerdem ist das eine zweidimensionale Flöte, die der halbwegs dreidimensionale Vogel hier im Maul hält. Was muss das für ein Rieseneumel sein, wenn die Flöte so winzig wirkt? Und wo hat er die geklaut? Bei Gheorghe Zamfir? Oder ist dieser Vogel am Ende Horea Crishan, der – wie auf der Coverrückseite erwähnt – ansonsten im NDR-Sinfonieorchester Violine spielt, aber hier eben mal die Panflöte?

Wenn ich ehrlich bin, glaub ich ja auch nicht, dass das tatsächlich James Last ist, der diese Platte gemacht hat. Das ist Andreas Vollenweider. Oder dieser Schwurbel von Tangerine Dream. Vielleicht auch Jean Michel Jarre. Ja, vielleicht ist es James Last, der zuviel Jean Michel Jarre gehört hat.

Und wo um Himmels willen ist sein Orchester hin? Vermutlich alle im eigenen Fitnesscenter statt den Meister zur Raison zu bringen. Diese Platte ist ein Esoterik-Machwerk. Sphärenklänge, Andante-Streicher und halt lauter so fließende Melodien. Die Panflöte ist natürlich ganz hervorragend, um solche Platten anzudicken. Ich vermute, die Percussionisten sind in der Zeit mal ein Bier trinken gegangen. Obwohl ich hier tatsächlich ein leises Hi-Hat höre…

Ist es schlimm, dass ich das nicht lange aushalt? Naja, der Titelsong geht. Der hat wenigstens eine erkennbare Melodie. Und war auch als Single ausgekoppelt. Ja, der rockt vergleichsweise. Verglichen mit dem anderen Brei auf dieser Platte.

Und da ist ja auch die Komposition eines jungen Mannes, der später lieber Comedy machte und Lieder wie „Mief“ sang. Oder, wie der Promo-Waschzettel sagt: „Mit Oliver Dittrich und Thomas Eggert tauchen zwei neue Namen unter den Autoren auf, deren Titel James Last in seinen mustergültigen Arrangements zu Erfolg verhilft.“ Wie nett. „Alassio“ heisst das Stück. Will der Waschzettel sagen, dass die Melodie eigentlich ziemlich dürftig ist, aber naja, James Last durch seine große Güte was draus gemacht hat? Hm. Klingt tatsächlich nicht schlecht. Und ich schätze, dass James Last einfach den richtigen Riecher für die nötige Dramatik hat. Dafür, wie man aus einem Liedchen großes Kino macht. Ist jedenfalls mit ein bisschen gezupfter Gitarre und damit schon wesentlich abwechslungsreicher als die restlichen Stücke. Und es lässt sich gut mitsummen, ist aber auch so ein sanfter Es-ist-früh-am-Morgen-die-Erde-erwacht-Song.

Oh, ein bisschen Fusionjazz ist auch noch auf der Platte drauf. Deren Stücke alle so alberne Namen tragen wie Roter Milan, Love Bird, Nightowl, Eisvogel, Paradiesvogel, The Sandpiper… Ist das schon ein Konzeptalbum? Vielleicht. Aber kein gutes.