Gonzo’s gone. Ein Nachruf auf Hunter S. Thompson

Es musste ja so kommen. Hunter S. Thompson, Erfinder des „Dr. Gonzo“ und, nun ja…äh, Kultbuchautor, hat sich, wie es die Presse vornehm umschrieb, „eine tödliche Schusswunde beigebracht“. So what?

Ich gebe zu, dass mich „Fear and Loathing in Las Vegas“, Thompsons Hauptwerk, über weite Strecken gelangweilt hat. Vom 2001-Versand in den Endsiebzigern (waren’s die Endsiebziger? Es können nur die Endsiebziger gewesen sein) penetrant beworben, hatte ich mir das Buch gekauft, um vor allem jenen Dr. Gonzo kennenzulernen, der als Namensgeber für den „Gonzo-Journalismus“ herhalten musste, das Gegenteil eines „Spiegel-Journalismus“, könnte man sagen, nicht objektiv, nicht feingeistig, nicht distanziert-ironisch, sondern halt: gonzo. Subjektiv, grob, mittendrin.

Aber „Fear and Loathing in Las Vegas“ war, obwohl es Drogen verherrlichte, Sex mit Minderjährigen pries und lobenswerterweise die Lüge über die Wahrheit stellte, weil die eh nur ein Fake des Wahrhaftigen sein kann, „Fear and Loathing“ also war vor allem auch eins: vorhersehbar. Alles in diesem Buch. Jeder Schritt. Jede Aktion. Jeder Upper, jeder Downer, den sich die beiden Reisenden Dr. Gonzo und Mr. Duke einpfiffen. Endsiebziger, wie gesagt, und vielleicht hatte man auch einfach nur anderes im Kopf.

Dennoch: Grantler sind mir generell lieber als Feingeister, und über „intellektuellen Humor“ vermag ich schon lange nicht mehr zu lachen. Also viva Nabokov, Schmidt & Thompson, denn wer Richard Nixon
einen miesen Ganoven und gnadenlosen Kriegsverbrecher nennt, hat schon einen dicken Pluspunkt.

Gonzo-Journalismus. Auch in Deutschland gab es einen Dr. Gonzo, der für Sounds und später den Musikexpress schrieb, aber er hat in den Achtzigern den Verfall des Musikjournalismus ebenso wenig aufhalten können wie Hunter S. Thompson den der politischen Herolde und ihrer schreibenden Soldateska. Wohl hat noch einjeder sein Fett wegbekommen, vor allem der alte Bush, den, wäre es nach Thompson gegangen, ein Elch hätte ficken sollen, aber daraus wurde nichts, weil Elche zu ästhetische Tiere sind.

Indes: Die Burschen wurden immer professioneller darin, sich das Fett wie Staub abzuwischen. Es schadet ihnen längst nicht mehr, und man muss schon Michael Moore heißen, um überhaupt noch darauf aufmerksam zu machen, was läuft. Das Ergebnis ist bekannt und gibt zu Optimismus keinen Anlass.

Wurde es still um Thompson? Ja und nein. Ja, weil er eigentlich keine Rolle mehr spielte in den harten Zeiten der New Economy und der haarsträubenden politischen Dummheit, ja, weil er Kult war und blieb.

Vor etwa drei Jahren habe ich anlässlich einer Neugestaltung meiner Bibliothek noch mal kurz in „Fear and Loathing“ hineingeschaut und festgestellt, dass ich Ende der Siebziger wohl tatsächlich etwas anderes im Kopf hatte. Thompson, 67 ist er geworden, hat das Handtuch geworfen, aber ihm zu Ehren sollte man wohl tatsächlich noch einmal was von ihm lesen: „Fear and Loathing“ revisited und eben – Gonzo-Journalismus, denn es könnte ja sein, dass er uns Heutigen doch noch etwas zu sagen hat.

P.S. Unter → gonzo.org gibt es alles Wissenswerte, was in diesen knappen Nachruf leider nicht mehr unterzubringen war.

(dpr)