Iain Levison: Betriebsbedingt gekündigt

Das Hinternet ist stolz auf sich. Ein hochkarätiger Gastkritiker bespricht für uns exklusiv Iain Levisons Roman „Betriebsbedingt gekündigt“. Und Vinzenz Wehrlin, arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher des „Wahlbündnisses Schwarzer September“ (der Zusammenschluss aller im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien zur Abwehr der roten Gefahr), zeigt sich schwer beeindruckt. Aber lesen sie halt selbst.

Diesen Roman wird man, wenn das Gute am 18. September gesiegt hat, als Zwangslektüre in den Warteräumen der Arbeitsagentur auslegen! Ein Signal, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Und außerdem mit knappen 220 Seiten überschaubar, lehrreiche und kurzweilige Lektüre für die Wartezeit auf den tristen Fluren.

Worum geht es in Iain Levisons Krimi? Ein Mensch namens Jake hat seine Arbeit in der Fabrik verloren. Das ist tragisch, wie wir alle wissen, aber angesichts der allgemeinen Lage nicht zu ändern, jedenfalls nicht unter einer rotgrünen Regierung oder gar einer gänzlich roten mit diesem nervigen Saarländer da. Jake ist bedrückt, und auch das verstehen wir gut. Doch bleibt er es auch? Mitnichten! Jake bekommt eine Chance – und er nutzt sie! Diese Chance, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, hat nichts mit Jakes erlerntem Beruf zu tun. Er soll Menschen umbringen, was nicht einmal die Arbeitsagentur, die doch sogar Häkelkurse für Einarmige finanziert, in einer Weiterbildungsmaßnahme lehrt.

In Deutschland, das wissen wir alle, würde jeder Mensch es entrüstet von sich weisen, einen Job zu machen, den er nicht gelernt hat (Politiker ausgeschlossen)! Das ist unser großer Standortnachteil! Professoren, die Würstchen verkaufen, ja, selbst höhere Angestellte, die den Wald fegen – die gibt es bei uns nicht! Schon allein deswegen ist Jake, allenfalls angelernter Killer, ein Vorbild für jene Benutzer der sozialen Hängematten, die wir (wartet nur, bis der 18. September vorüber ist!) aber dermaßen kappen werden, dass ganz Deutschland durch den harten Aufprall fetter und fauler Ärsche auf dem Boden der ökonomischen Tatsachen – aber jetzt gehen die realpolitischen Visionen mit mir durch, ich bitte um Entschuldigung und kehre zu Levisons Buch zurück.

Jake mordet also und verdient ganz gut dabei. Ja, aufgepasst!, er mordet selbst in seiner Freizeit, unbezahlte Überstunden sozusagen, er mordet, weil er einem Freund den Arbeitsplatz sichern will, im freiwilligen Ehrenamt gewissermaßen. Jake hat erkannt, dass man nur als Arbeiter ein sinnvolles Leben führen kann. Schön; er ist immer noch sauer auf die Shareholder mit ihren Values, auf die Globalisten und Gewinnmaximierer – wir verzeihen es ihm. Die großen Zusammenhänge versteht Jake nicht, aber sein Instinkt sagt ihm, dass jede Arbeit besser ist als keine. Oder, wie es unser Mitglied Westerwelle neulich wieder einmal anlässlich einen Stehempfangs für die Stützen der Industrie zum Besten gab: Sozial ist, was Arbeit schafft (Mei, was haben die gelacht!)!

Zugegeben: Man hat als Leser zunächst gewisse moralische Bedenken. Auftragsmörder? Ist das, rein christenmäßig, nicht eigentlich verboten? Nun, Menschen, die vierzig Jahre lang hart und vernünftig gearbeitet haben, binnen kurzer Zeit in die Armut zu schubsen, war auch mal verboten! Aber die Reformen, die wir nicht nur hierzulande, aber besonders hierzulande brauchen, machen auch nicht vor den überkommenen Werten unserer Vorväter halt. Im Gegenteil. Wer das Grundgesetz austrickst, der kann sich auch an Mord und Totschlag gewöhnen, wenn es Arbeitsplätze schafft. Agenda 2010, ganz praktisch, ganz ohne Sozialromantik.

Ich gestehe frank und frei, dass mich Jakes Geschichte zu Tränen gerührt hat. Das hehre Ethos der Arbeit, dieses längst verloren gegangene Gut, das uns nach 45 aus der Scheiße gezogen hat – es lebt noch! Ein Mann erfüllt seine Pflichten dort, wo man ihn hinstellt! Er denkt nicht moralisch, sondern ökonomisch, er weiß, dass Arbeit frei ma… äh, ich wollte sagen: Dass Arbeit und Freiheit eins sind, und da uns die Freiheit inzwischen so piepegal geworden ist, ist es uns auch schnurz, mit welcher Arbeit wir sie uns erkämpfen.

Es ist Levison hoch anzurechnen, dass er in seinem Bemühen, die geänderten sozialen und moralischen Rahmenbedingungen aufzuzeigen, auch vor dem letzten logischen Schluss nicht zurückschreckt. Eigentlich muss in einem Krimi immer das Gute siegen, und das Gute, das ist immer die Polizei. Jedenfalls in den alten Krimis, die noch mitten im Reformstau geschrieben wurden. Auch hier wird der Freund des gepflegten literarischen Verbrechens umdenken müssen. Agatha Christie? Gut und schön, aber in unserer heutigen Welt nicht mehr zu gebrauchen. Das Gute, das ist der Wille, durch eigener Hände Arbeit zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben zu verdienen! Nicht immer Sozialknete abgreifen! Jake, der seinen Job sehr erfolgreich erledigt, beschließt am Ende, das Joch der abhängigen Beschäftigung endgültig abzulegen und als kleiner mittelständischer Unternehmer, sprich: Mitbesitzer einer Tankstelle, selbst Arbeitsplätze zu schaffen und für blühende Landschaften zu sorgen.

In Deutschland, das wissen wir, hätte es Jake schwerer, würde ihm die exorbitante Gewerbesteuer einen Strich durch die Rechnung machen, ihm die Butter vom Brot, die Radkappen vom Ferrari nehmen. In Wisconsin indes, wo Levisons Roman spielt, reicht die Bankbürgschaft eines Großkriminellen. Das nennen wir Bürokratieabbau! Und so sind alle zufrieden. Jake, der eine scharfe Braut, eine florierende Tankstelle und ein zerlegbares Gewehr mit Zielfernrohr und Schalldämpfer bekommt, die Gesellschaft, der man einen Arbeitslosen mehr erspart hat, und, last but not least, die deutsche Politik, die mit Levisons Buch in der Hand fröhlich in den Wahlkampf ziehen kann. Auch hierzulande gibt es einen Markt für Auftragsmorde! Man muss ihn nur bedienen! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Ach ja: Und schreiben kann dieser Levison auch noch! Pointiert, witzig, ökonomisch, intelligent. Falls das irgend jemanden interessiert.

Iain Levison: Betriebsbedingt gekündigt. 
Matthes & Seitz 2005.218 Seiten, 19,80 €

7 Gedanken zu „Iain Levison: Betriebsbedingt gekündigt“

  1. Ein tosender Applaus aus Hamburg für diese Rezension, lieber dpr! Eine der besten Buchbesprechungen, die ich seit langem gelesen habe!

    rot-grün-schwarz-gelbe – also demokratische – Grüße
    Ludger

  2. Was für eine Rezension, mein Kompliment, ich knie (natürlich nur bildlich gesprochen – die Gesundheit verhindert weiteres – zum Glück) vor dem Rezensenten nieder. Wenn wir nur unsere Probleme so einfach lösen könnten, aber die Bürokratie, die schwätzenden Politiker und, und und…
    Weit und breit keiner zu sehen, der es mal pragmatisch angeht und dabei scheint es soooo einfach, man muß nur Krimis lesen (Lesen bedeutet halt Bildung :-).
    Annett

  3. Guten Morgen, Annett,

    gottlob nur bildlich… knieende Frauen sind mir immer so peinlich… Ich bin ja auch dafür, dass wir nicht nur das Arbeitslosengeld reformieren, sondern auch mal unsere Moralvorstellungen. Mord ist schlecht? Das war gestern! Heute ist Globalisierung! Wen ich nicht umbringe, den bringt der Chinese um, solange die Handelsquote es zulässt. Wow, was für Marktlücken sich da auftun! Aber als Humanist der Globalisierung redet man ja wieder in den Wind…

    bye
    dpr

  4. Hi!
    Ich hoffe diese Rezension war so sarkastisch gemeint, wie ich sie verstanden habe. Ian Levison hat ein tolles Buch geschrieben und es eigentlich nicht verdient von einem schwarz-rot-gelb-grünen Bündnis so viel Zuspruch zu erhalten. Genau deren Politik, bzw. deren Zuschauerrolle bei den unmoralischen Auswüchsen der wirtschaftlichen Globalisierung, ermöglicht doch erst eine Gesellschaft mit zweifelhaften Wertvorstellungen, wie sie Levison beschreibt. Naja, gutes Buch jedenfalls und ach, wie hat Euch denn der 18. September nun gefallen? Fröhliche Grüße, Flo

  5. Hallo Flo,

    man kann ja fast gar nicht mehr so sarkastisch sein, wie es die Verhältnisse eigentlich erfordern… der 18. September? Toller Tag! Aber das hatte sehr private Gründe.

    bye
    dpr

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