Krimikultur – die Kommunikation

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Gemütlich im Sessel, im Bett: einen Krimi nach dem anderen dem stampfenden Häcksler der Augen vorwerfen: ein kulturelles Idyll. Oh, ich mag dieses private Kultivieren eines Interesses. Mache es ja genauso. Manchmal ist mir allerdings auch nach Austausch zu Mute, interessieren mich die Meinungen anderer, ihre Erkenntnisse, sogar ihre Irrwege. Als Krimifreund habe ich es da nicht leicht.

Um das zu umreißen, was man eine gemeinsame, also kommunikative Krimikultur nennen könnte, müssen wir einen Schritt weit ins Nachbarfeld treten, wo die „allgemeine Literatur“ erblüht. 190 Mitglieder etwa sind in der →„Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten“ organisiert und widmen sich Leben, Werk und Wirken mal bekannter, mal unbekannter Autoren und Autorinnen. Die meisten dieser Vereinigungen zählen wenige hundert Mitglieder, einige dümpeln gar im zweistelligen Bereich, andere, wie etwa die Karl-May-Gesellschaft, erfreuen sich größeren Zulaufs. Geld ist allerorten knapp und stammt zumeist aus Mitgliedsbeiträgen, staatlichen Zuschüssen und den Erlösen aus Publikationen.

Nehmen wir, weil es naheliegt, die →Gesellschaft der Arno Schmidt Leser (GASL), die sich seit 1986 mit allem beschäftigt, was auch nur im Entferntesten mit unserem Helden aus der Südheide zu tun hat. Die Mitgliederzahl hat sich jenseits der 200 eingependelt, davon sind etliche aktiv in Organisation und Forschung, andere treten gelegentlich hervor, viele sind einfach nur interessierte Mitglieder.

Und was leistet diese GASL? Sie veranstaltet jährliche Tagungen, gibt Jahrbücher heraus sowie eine Buchreihe und eine eigene, viermal jährlich erscheinende Zeitschrift. In einer so lobenswerten wie gigantischen Aktion werden zudem Werke aus Arno Schmidts Bibliothek als PDF-Dateien zugänglich gemacht.

Das Beispiel wurde nicht zufällig gewählt, da es sehr präzise und erschreckend aufzeigt, woran es der „Krimiszene“ mangelt: an Kommunikaton und gemeinsamem Engagement. Etwa 200 Mitglieder – das ist auch eine realistische Zahl, wenn man alle verschärft an Kriminalliteratur, ihrer Geschichte, ihrer Theorie Interessierten im deutschsprachigen Raum addiert. Vielleicht sind es mehr, sicher nicht viel weniger, man weiß es halt nicht so genau, alles ist Schätzung.

Traurige Wahrheit indes: Wer sich hierzulande um den Krimi bemüht, bleibt mehr oder weniger Einzelkämpfer. Natürlich gibt es inzwischen diverse Plattformen im Netz, die dem Informations- und Diskussionsbedürfnis dienen. Und die Etablierung der „Krimibestenliste“ wirft das kommunikative und sehr zu lobende Highlight des Krimijahres, allen Stänkerern und Verschwörungstheoretikern zum Trotz. Wie aber steht es um die Beschäftigung mit der Geschichte? Ein dringendes Anliegen, fürwahr. Dass Mirko Schädel, seit Jahr und Tag mit seiner →„Achilla Presse“ im Dienste des Krimis, demnächst eine „Illustrierte Bibliographie der Kriminalliteratur von 1796 bis 1945 im deutschen Sprachraum“ herausgeben wird, wäre andernorts eine vieldiskutierte Neuigkeit, ein sehnlichst erwartetes Ereignis. Innerhalb unserer „Krimikultur“ ist es (noch) ein Nichtereignis, und es bleibt zu hoffen, dass man den Herausgeber mit seiner arbeits- und kostenintensiven Arbeit nicht im Regen stehen lässt.

Nächstes Beispiel: Wo gibt es die Möglichkeit, etwa in Form eines Jahrbuchs die Entwicklung zu fixieren, zu beschreiben, zu analysieren? Selbstverständlich kann man sich alles auch „ergoogeln“. Doch wer tut es? Wo bleibt all das, was nicht hier und da, immer sehr vereinzelt, manchmal auch sehr entlegen, publiziert wurde, weil es schlichtweg an Möglichkeiten fehlte?

Häufig ist alles eine Frage der Initialzündung. Wer das Fehlen eines Jahrbuches beklagt, sollte eins herausgeben. Wird geschehen. Wer das Fehlen einer (nicht auf die Produktion von Dissertationen zielenden) Beschäftigung mit der Geschichte beklagt, sollte selbst damit beginnen. Wird geschehen. Doch die schönste Initialzündung bleibt folgenlos, wenn das, was da gezündet werden soll, nicht mitspielt. Oder, genauer, wenn dem, was da anzustoßen ist, schlichtweg die Mitfahrer fehlen. Wer alles mitfahren könnte, auch dafür liefert uns die GASL einen Anhaltspunkt: Hier kommunizieren Wissenschaftler und Sammler, Publizisten und Leser, Germanisten und Biologen, Bibliothekare und Rechtsanwälte – – –

Natürlich, natürlich: Ich höre schon die Einwände. Soll etwa ein Verein gegründet werden? Geht es um Grüppchenbildung, Interessentrusts, Gefälligkeitsklüngeleien? Nichts weniger. Es geht um Austausch, um Kommunikation, um das Bündeln der Kräfte, um das Erreichen eines Ziels durch gemeinschaftliches Engagement. Die allgegenwärtigen Gefahren einer Verfilzung, eines Verfolgens egoistisch-materieller Interessen soll hier nicht kleingeredet werden; man widme sich ihnen aber doch bitte erst dann, wenn es etwas gibt, das sich verfilzen, das missbraucht werden könnte. Als Vorwand, Kommunikation zu verhindern, taugt das alles nichts.

Das Erfreuliche: Die Kommunikationsleitungen sind gelegt. Es gibt engagierte Einzelkämpfer, es gibt Blogs, Internetportale, ja, sogar ein →Verlag für Sekundärliteratur zum Krimi hät sich tapfer über Wasser. Jetzt müssen bloß noch ein paar Telefone angeschlossen werden und los gehts. Sage ich jetzt mal. Hoffnungslos optimistisch.

Oh doch. Ich könnte mir schon vorstellen, dass hier die wohl vorhandenen Einzelteile eines Engagements auf den verschiedensten Gebieten zusammengebracht werden könnten. Kultur hat man nicht. Man ist Kultur. Und wer sie entwickelt, entwickelt daher sich selbst.

19 Gedanken zu „Krimikultur – die Kommunikation“

  1. Danke, liebe Realiter,

    aus Liebe zur Sache, richtig. Wenn ich damit Geld verdienen wollte, wäre ich der Manager von Donna Leon geworden. Aber, was die Ironie betrifft: Einige Schweine gucken schon, so ist es ja nicht!

    bye
    dpr

  2. Komisch, dass da das Fehlen von Zusammenschlüssen in der „Krimiszene“ beklagt wird, und mit keinem Wort erwähnt wird, dass es ja zumindest auf Autorenseite diesen Zusammenschluss sehr wohl gibt: das vielgeschmähte Syndikat nämlich. Also die, die sich in Deutschland am meisten um den Kriminalroman bemühen, die Autoren ohne die es ihn gar nicht gäbe, haben ihren Zusammenschluss doch schon längst hinter sich. Und das ist keine geschlossene Gesellschaft.

    Ich habe mich auch immer gewundert, warum z.B. die doch wirklich engagierten Fans in den Leserforen nicht zur Criminale kommen. Vielleicht, weil man sowieso kaum deutsche Krimis liest?

    Auch die Kritiker-Sekundärliteratur-Forscher-Szene – so es sie denn geben sollte, könnten sich doch ganz gut anhängen an das Event. Es gibt ja nicht nur Lesungen und die unvermeidlichen Krimi-Events, es gibt immer auch Veranstaltungen, die den Stand des deutschen Krimis reflektieren und warum sollten die nicht auch mal von dieser Seite angeboten werden? Oder spricht das gegen die „Rezensionsethik“?

    Herzliche Grüße
    Silvia

  3. Guten Morgen, Sylvia,

    gleich vorweg: Ich habe weder etwas gegen das Syndikat noch gegen den deutschen Krimi per se. Gerade eben lese ich, dass Astrid Paprotta Spitzenreiterin auf der Krimibestenliste geworden ist, und wenn uns hier im Büro Alkohol nicht strikt untersagt wäre, hätte ich das Fläschchen Wein, das zufälligerweise in meiner Schreibtischschublade liegt, zu Ehren dieses Ereignisses geöffnet. Außerdem werde ich in den nächsten Tagen ein „Werk der Sekundärliteratur“ in den Senkel stellen, in dem u.a. der deutsche Krimi (du persönlich auch) auf schnöde Weise diskreditiert wird.
    Aber was „Zusammenschlüsse“ angeht: Um die geht es gar nicht. Es geht um „Krimikultur“, die auch ohne die althergebrachten Organisationsformen funktionieren sollte. Das Syndikat hat seine eigenen Regeln und Absichten, und diese Regeln und Absichten sind nun mal zuallererst zum Wohle der Autoren gemacht – nichts dagegen zu sagen, ja, es wäre komisch, wenns anders wäre. „Fans“, Kritiker, Forscher, die sich da einklinken, können nichts anderes als Mitläufer sein. Worum es mir geht, ist etwas, das stark auf Eigeninitiative setzt, auf spontane Kollaboration, auf kritischen Austausch – „auf Augenhöhe“, wie man heute so schön sagt. Wenn dir das zu theoretisch ist, kann ich es gerne an der oben erwähnten „Gesellschaft der Arno Schmidt Leser“ festmachen, in der sich immer wieder Leute zu neuen „Zweckgemeinschaften“ finden, um ein Projekt zu realisieren. Das kann das Syndikat nicht leisten – und muss es auch nicht.
    Im übrigen brauchst du mir nicht zu erzählen, dass es keine Krimiszene ohne Autoren gäbe. Ohne Leser aber auch nicht. Ohne Kritiker und Forscher ebenfalls nicht. Da ich allen drei Kategorien angehöre, kann ich das sagen, ohne mir Betriebsblindheit unterstellen zu lassen.

    bye
    dpr

  4. Liebe Silvia,

    erlaube, dass ich auch eine Rückmeldung gebe.

    1. Lege doch ´mal bitte die Anti „anti-deutsche-Krimi“ Haltung ab. Die Meinung dass Deutsche Krimis nichts taugen, gibt es sicher, aber weniger bei engagierten Krimilesern. [Nota bene: Auch bei Weinfreunden war früher der Reflex verbreitet, Wein aus Deutschland zu diskreditieren. Und immer noch gibt es viele Laien die saufen „jeden Schrott“, würden aber nie Deutsche Weine trinken. Scheint sich mehr um ein allgemeines deutsches Phänomen zu handeln.]

    2. Schau Dir ´mal an wie in den USA, Sarah Weinmans Blog ist da eine gute Möglichkeit, die verschiedenen Gruppen miteinander umgehen: Viel offener, viel kommunikativer und viel konstruktiver. Mit ist da mancher Ton bei uns zu aggressiv.

    Mit besten Grüßen

    bernd

  5. Liebe Silvia,

    wenn ich auf die aktuelle Startseite des „Syndikats“ klicke, wird mir schlecht. Du weißt schon, warum. Eine Diskussion zu dem dort beworbenen Buch fand so gut wie nicht statt. Warum? Du warst die einzige Autorin (von zwölf beteiligten Autor/innen), die sich dazu geäußert hat, wenn auch nicht sehr überzeugend. Fakt ist doch, dass die Diskussionen innerhalb des „Syndiakts“ intern statt finden, auf einer geheimnisvollen Mailingliste. Der stinknormale Leser bekommt keinen Einblick.

    Was die Veranstaltungen einer „Criminale“ betrifft: Wo findet denn da ein echter Austausch zwischen Leser/innen und Autor/innen statt? Die Autoren sitzen auf der Bühne und belobhudeln sich gegenseitig. War auch nur ein ernsthafter Kritiker zu einer Diskussion eingeladen?

    Bernd hat mit seiner Bemerkung zu Deiner „Anti „anti-deutsche-Krimi“ Haltung“ recht. Schau‘ doch einfach mal auf die aktuelle KrimiWelt-Bestenliste: Immerhin drei deutschsprachige Autor/innen, eine davon sogar auf Platz 1. Finde ich sehr bemerkenswert.

    Viele Grüße
    Ludger

  6. Ähm Ludger,

    so wie ich das Crime Fiction Dossier [Übrigens: Er ist „back for good“], und seinen Bericht über die Bouchercon 2005 verstanden habe, wird es nicht als Aufgabe des Panels verstanden, „Autorbashing“ zu betreiben. Ziel ist wohl eher ein kritisches Forum in einem positiven Environment – finde ich auch legitim.

    Mit besten Grüßen

    bernd

  7. Hallo,

    „ein kritisches Forum in einem positiven Environment“ – das wäre durchaus etwas, worin das Syndikat eingebunden sein könnte. Und müsste. Habe gerade auf der →Syndikatsseite gelesen, was Horst Eckert anlässlich einer Tagung 2004 so behauptet hat. Zitat:
    „In der romantisch geprägten Literatur des 19. Jahrhunderts gibt es weitere Beispiele früher Krimis, aber Fakt ist, dass kein heutiger Autor auf die Idee käme, sich ernsthaft darauf zu beziehen.
    In der Zwischenzeit haben das autoritäre, polizeistaatliche Regime des Kaiserreichs und der Nationalsozialismus die freie Auseinandersetzung mit den Schattenseiten der Gesellschaft verhindert. Eine solche Freiheit ist Voraussetzung für eine blühende Kriminalliteratur und es ist kein Wunder, dass in demokratischen Ländern wie Großbritannien und den USA sich schon frühzeitig eine Literatur entwickeln konnte, die man heute weltweit als die Klassik bezeichnet, während Deutschland praktisch nichts dergleichen aufzuweisen hat.“

    Schluck. Also: Es gab, man glaubt es kaum, auch zwischen Romantik und 1945 deutsche Kriminalliteratur! (Und was ist „die romantisch geprägte Literatur des 19. Jahrhunderts“? Soll damit gesagt werden, die GESAMTE Literatur des 19. Jahrhunderts sei „romantisch geprägt“ gewesen? O leck!) Dass sich kein deutscher Autor darauf bezieht, nun ja, stimmt, aber das liegt eben an der Geschichtslosigkeit nicht nur der Autoren. Die Autoren des 19. Jahrhunderts haben sehr wohl „die freie Auseinandersetzung mit den Schattenseiten der Gesellschaft“ gesucht, es sei hier nur an den Herrn Temme erinnert, immerhin ein Teilnehmer der 48er Revolution, der in die Schweiz flüchten musste und dessen großes Thema die Diskrepanz von Recht und Gesetz ist. Und zwischen Kaiserreich und Naziherrschaft gab es immerhin ein paar durchaus freie Weimarer Jährchen mit einer sehr wohl existenten Krimischreiberszene…
    Eckert ist hier noch nicht einmal ein Vorwurf zu machen, denn woher soll er wissen, dass die Dinge nicht so sind, wie man uns Glauben machen will, indem man Geschichtslosigkeit Geschichtslosigkeit sein lässt (wiewohl es ein paar interessante Ansätze in der wissenschaftlichen Forschung gibt; aber wer liest sie?).

    Also: An historischer Forschung scheint auch von Seiten des Syndikat Bedarf zu bestehen, und wenn dort Bereitschaft zur Kooperation ist – hier gibt es sie allemal. Von anderen, aktuelleren Bereichen gar nicht zu reden.

    bye
    dpr

  8. Lieber Bernd,

    es geht mir nicht um ein „Autorbashing“ (das habe ich schon oft gesagt), es geht mir um eine offene Diskussion. Auch um kritische Nachfragen. Eine solche Diskussion zwischen Leser/innen, Kritiker/innen und Autor/innen findet aber von Seiten des Syndikats so gut wie nicht statt, schon gar nicht auf einer „Criminale“. Ganz ehrlich: Soviel Arroganz, wie mir auf der letzten „Criminale“ von Seiten der Autor/innen entgegen schlug, macht mich wütend. Da ist dann nicht mehr viel mit postivem Environment. Gleiches gilt übrigens auch für viele Lesungen mit deutschen Autor/innen, unabhängig von der „Criminale“.

    Jegliche Kritik von außen wird weitgehend abgeblockt, intern soll es die durchaus geben, wie mir gerüchteweise immer wieder zugetragen wird. Nur: Das ist keine offene Diskussion und mit Gerüchten kann ich nicht viel anfangen. Diese mangelnde Transparenz habe ich immer wieder eingeklagt und wurde dafür mit bösen Blicken oder mit Begriffen wie „Mäkel-Menke“ gestraft. Ich kann damit gut leben, für den Krimi bringt es so gar nix.

    Ähnlich erging es mir übrigens auf der Buchmesse: Da gab es wirklich viel Klatsch und Tratsch. Der Regionalkrimi wurde in Grund und Boden gestampft, einzelne Verlage und Autoren kritisiert – nur nach außen dringt das nicht. Würden die Autor/innen sich endlich mal der Kritik stellen, könnte daraus eine offene und konstruktive Diskussion entstehen. Und machen wir uns doch nichts vor: 80 Prozent der Autor/innen, die im Syndikat organisiert sind, schreiben durchschnittlichen bis schlechten Kram, glauben aber, den Krimi neu erfunden zu haben. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion und -kritik ist irgendwo auf dem Weg vom Manuskript zum ersten gedruckten Buch verloren gegangen.

    Wenn die gute Silvia hier wieder eine uralte Geschichte auskramt und das Syndikat als eine ach so offene und gesprächsbereite Institution hinstellt, dann stimmt das so nicht. Und das ärgert mich schon.

    Viele Grüße
    Ludger

  9. Hallo dpr,

    ich bin mir nicht sicher, ob ich Deinen Text richtig verstehe.

    „Die Autoren des 19. Jahrhunderts haben sehr wohl „die freie Auseinandersetzung mit den Schattenseiten der Gesellschaft“ gesucht,“

    Das war doch kaum auf den Krimi begrenzt, oder ?

    Macht es denn Sinn, dass Autoren eines Genres sich auf dessen Tradition beziehen und den Hauptstrom der Literatur, zu dem Krimi bis ins 20. Jahrhundert kaum gehört haben (ODER ?), ausblenden ?

    Und welche Autoren der britischen und amerikanischen „Krimi-Klassik“ sollen denn den Gegenswartsautoren präsent sein ?

    Wenn ein Autor sich auf einen anderen explizit bezieht, macht es ja nur Sinn, wenn der Leser damit umgehen kann. Deshalb ist ersten die Zahl der relevanten Autoren gering und zweitens nicht auf´s Krimigenre begrenzt. Im britischen und amerikanischen Bereich ist da wohl Shakespeare das Maß aller Dinge.

    Mit besten Grüßen

    bernd

  10. Hallo Bernd,

    der „didaktische Hintergrund“ meiner ständigen Hinweise auf eine deutsche Krimitradition (die einigen auf die Nerven gehen mag; aber das nehme ich in Kauf) ist schlicht der: Wer sich näher damit beschäftigt, wird erkennen, dass Krimi und Nichtkrimi damals nicht derart separiert standen wie sie es heute tun, eben als „Nur-Genre“ und „Vollliteratur“. Natürlich waren gerade die Jahre nach 1848 auch allgemein-literarisch „politische“ Jahre. Aber die Krimiliteratur eben auch! Die „Genre-Tradition“ wird hier zurückgeführt auf eine allgemeine Literatur-Tradition, und darum geht es mir. In den angelsächsischen Ländern nie ein Problem gewesen, weil man dort selbstverständlich sich auf große Ahnen wie Dickens, Defoe oder Collins berufen konnte. Bei uns nicht. Bei uns ist Krimi entweder Trivialliteratur oder von „richtigen Schriftstellern“ gnädigerweise in die Welt gesetzte Krimi-Hochliteratur. Und genau das stimmt zum Einen nicht und hat zum Anderen dazu geführt, dass so viele deutsche Autoren eben weil sie sich nicht mehr in einer literarischen Tradition sehen, glauben, beim Krimischreiben sei auf literarische Qualität eh zu verzichten. Das ist jetzt ein wenig pointiert, und ich weiß auch, dass angloamerikanisische Autoren ebenfalls nicht immer sich ihrer Traditionen bewusst sind. Tendenziell sehe ich dort aber auch mehr Selbstbewusstsein, mehr literarischen Ehrgeiz. Das soll jetzt, liebe Sylvia, nicht den deutschen Krimi als solchen schlechtmachen. Aber die Beschäftigung mit der Vergangenheit kann, was Krimis anbetrifft, durchaus ein Gefühl dafür geben, dass man respektable Vorgänger hatte. Und, ganz nebenbei: Einige dieser Burschen und Mädels waren verdammt stilsicher und haben so raffiniert geplottet, dass sich viele gegenwärtige Autoren daran ein Beispiel nehmen oder davon lernen könnten. Was ja noch keinem geschadet hat.

    bye
    dpr

  11. Hallo Ludger,

    ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir „Diskussion zwischen Leser/innen, Kritiker/innen und Autor/innen“ etwas abstrakt ist, was willst Du kritisch diskutieren ? Doch nicht einzelne Bücher oder einzelne Autoren, oder ? In einer Podiumsdiskussion mit einzelnen Autoren und Publikum muss man den anwesenden Autor respektieren.

    Tendenzen u.A. kann man dagegen schon kritisch durchsprechen, nur … wozu, was meinst Du mit kritisch ?.

    In wie weit das Syndikat Diskussionen abblockt oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Die letzte Diskussion hier, über den blöckenden Roman – da warst Du im Urlaub – da hatte ich etwas den Eindruck des „Gegeneinanderdenkens“, ja. Aber mei, Mercedes wird auch keine kritische Diskussion über seine Produkte wollen.

    Auch wenn ich Pauschalaussagen nicht mag: Ich habe so ganz leicht den Eindruck, dass viele deutschen Autoren sich von der Kritik schlecht behandelt fühlen, und deshalb in der Schmollecke sitzen.

    Mit besten Grüßen

    bernd

  12. Zu Ludger nur eines: Hattest Du wirklich erwartet, daß man Dich nach den Diskussionen damals im Vorfeld tatsächlich auf der Criminale mit offenen Armen empfängt? Jeder, auch die neuen Autoren, müssen sich ihr Stückchen Syndikat erst einmal erobern. Wenn Du ob der „Arroganz“, die ich eher als höfliche Distanz beschreiben würde, wütend warst, dann frag uns doch mal…

    Zu den anderen:
    Was offene Diskussionen auf der Criminale betrifft (oder auch ähnlich gelagerten, großen Veranstaltungen zum Krimi) – Hat es je jemand von Kritiker- oder Leserseite versucht? Warum finden z.B. Treffen von Leserforen zum Beispiel nicht mal im Rahmen der Criminale statt – mit einem eigenen Programm? Warum treten Kritiker nicht mal mit einem Themen-Vorschlag für eine Podiumsdiskussion an die jeweilige Soko heran? Ich bin sicher, daß diese Möglichkeiten bestehen. Denn, auch wenn einige das herauslesen wollten: ich rede nicht von Fronten, sondern vom Gegenteil. Warum soll das Rad neu erfunden werden, wenn eine Begegnung im Rahmen eines etablierten, gut durchorganisierten Events doch so einfach wäre. Es ist nur ein Angebot (wobei ich da der amtierenden Soko Koblenz nicht ins Handwerk pfuschen möchte, ich denke aber noch ist Luft in der Programmplanung)… Und wenn es nicht klappt, dann prügeln wir halt verbal aufeinander ein, kann doch auch ganz erfrischend sein.

    Liebe Grüße
    Silvia

  13. Wie schon gesagt, liebe Sylvia,

    mich drängt es nicht, auf einer Criminale den Autoren-Widerpart zu geben. Es geht mir auch nicht, wie wohl Ludger, um „offene Diskussionen“. Die sind schön, die sind gut, aber, wie Bernd schon gesagt hat: Worüber wollen wir denn eigentlich diskutieren? Ich würde gerne mal über das ja schon strapazierte Selbstverständnis deutscher Krimiautoren mit diesen diskutieren. Meinetwegen auch auf einer Criminale, aber – ist einfach formloser – auch hier im Blog oder bei Ludger oder wo auch immer. Wie du weißt, habe ich vor geraumer Zeit auch eine ganze Reihe von Autoren angeschrieben und um Mitarbeit am Jahrbuch 2006 gebeten. Einige wenige haben zugesagt, einige andere haben aus akzeptablen Gründen abgesagt – die meisten haben überhaupt nicht geantwortet. Nun gut, auch das akzeptiere ich. Finde es aber auch schade. Ich weiß ja selbst, dass man als Autor immer das Gefühl hat, die Kritiker wollten einen in die Pfanne hauen. Manchmal mag das auch so sein, ob die Gründe dafür nun gut sind oder nicht. Als Autorin bist du im Endeffekt immer Einzelkämpferin und schaust, dass dein Buch so perfekt wird, wie du es dir vorstellst. Als Kritiker hast du eine „Theorie“ von dem, was ein gutes Buch sein und haben sollte und was nicht. Und in diese Theorie wirst du dann das Buch ohne Rücksicht auf den Autor, die Autorin stecken. Das sorgt natürlich für böses Blut. Aber es ist nun einmal so und wird sich auch nicht ändern, es sei denn, die Kritiker werden wirklich zu „Meinungsmultiplikatoren“ der Verlage und Autoren, aber dann sind sie keine Kritiker mehr, sondern Werbefuzzis. Und wenn wir nun „offen diskutieren“, werden wir diese Diskrepanz niemals überwinden können. Wir können aber unsere Arbeit reflektieren. Du sagst mir, wie du dich siehst, ich sag dir, wie ich mich sehe, und dann sagst du mir, wie du mich siehst und ich dir, wie ich dich sehe. Aber vielleicht am Wichtigsten: Wir sagen uns selber und gegenseitig, wie WIR uns sehen in dieser reichlich zerklüfteten Landschaft Krimi. Und da kommt Selbstverständnis ins Spiel, auch die Historie, klar, meinetwegen auch noch die Zukunft, denn mit einer Vision lebt es sich auch nicht schlecht. Über solche Sachen versuche ich ja schon seit geraumer Zeit zu schreiben, und weil das ein Blog ist mit einer Kommentarfunktion kann man auch darüber diskutieren. Sehr offen.

    bye
    dpr

  14. Hallo Silvia,

    ja kann ein Rahmen sein, zugestanden.

    Aber aufeinander einprügeln, tun wir (momentan) nicht. Wir reden nur aneinander vorbei.

    Mit besten Grüßen

    bernd

  15. Guten Abend in die Runde,

    Kritik: Was will ich kritisieren und worüber diskutieren? Was macht Ihr, lieber dpr und lieber Bernd, denn hier? Ihr kritisiert, Ihr schreibt Kritiken, die ich gerne lese. Warum macht Ihr das? Bekommt das ein Autor mit? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Was sagen die Leser/innen dazu? Ich glaube, Ihr hinterfragt doch auch immer wieder, was Ihr da gerade ins Blog schreibt. Bei vielen deutschen Autor/innen sehe ich diese Fähigkeit zur Selbstreflexion nicht. Die wollen gepuschelt werden und sind beleidigt, wenn man ihre Werke nicht gleich in den Himmel lobt, oder den „Glauser“ nun nicht unbedingt mit dem „Booker Prize“ oder dem „Pulitzer“ verwechselt.

    Ein Teil der deutschen Autor/innen hält ja gerne die These hoch, das der Kriminalroman die neue, einzige oder letzte Form des (kritischen) Gesellschaftsromans sei. Ein anderer Teil mag nur unterhalten. Beides legitim – doch beim ersten Teil finde ich eine Diskussion über Krimis mehr als angebracht. Über den zweiten Teil – die mit der Unterhaltung – kann man sicher auch sprechen, interessanter für mich ist aber die erste Gruppe.

    Den Vergleich mit Mercedes, lieber Bernd, finde ich nicht so passend. Krimis, zumindest ein Teil, sind eben nicht nur Gebrauchsgüter wie Autos. Da geht es um Ideen, Theorien, Lebensentwürfe, Menschen und manchmal sogar um die wichtigen Fragen des Lebens. Das schreit förmlich nach Gespräch.

    Wenn immer wieder die Forderung nach einer „Krimikultur“ erhoben wird – wie immer die dann aussieht und die ich gerne unterstütze – dann erfordert dies in meinen Augen Kommunikation und Austausch.

    Selbstverständlich darf man die Krimis von Autoren kritisieren, auch vor Publikum, sofern die jeweiligen Autoren darauf eingestellt sind. Das halte ich für einen wichtigen Lernprozess, der meiner Meinung nach nicht statt findet. Spannender als „nur“ Rezensionen zu schreiben ist es auf jeden Fall.

    Warum soll man einem Autor oder einer Autorin nicht sagen, dass man ihr oder sein Buch schlecht fand, aus den und den Gründen? Ist das so verwerflich? Das dies nicht jeder mag, verstehe ich ja, aber immerhin stellt man sich als Autor in die Öffentlichkeit und muss mit Kritik rechnen. Ich krieg die ja auch ab und beklage mich nicht, sondern versuche, wo es sinnvoll ist, daraus zu lernen.

    Was die von Silvia erwähnten „offenen Arme“ angeht: Ich brauche keine Krimiautor/innen zum kuscheln. Es ist aber einmal wieder ein schönes Beispiel für die Kritikfähigkeit einiger Autor/innen. Nebenbei: Meine mehrfachen Versuche, mit einzelnen Autor/innen am Rande verschiedener Veranstaltungen ins Gespräch zu kommen, wurden durchweg mit Ausflüchten wie Hunger, Durst, „da-steht-jemand-Wichtiges-von-der-Zeitung-Entschuldigung“ oder anderen menschlichen Bedürfnissen quittiert. Übrigens ging es mir nicht alleine so.

    Was das „Gegeneinander“ oder „Miteinander“ angeht: Diskussion bedeutet für mich schon ein Austausch von Argumenten, die gegensätzlich sind.

    Viele Grüße

    Ludger

  16. D’accord, lieber Ludger,

    wir rezensieren Krimis, und vielleicht liest das der Autor, die Autorin. Und weiter? Nichts weiter. Er, sie ist bestenfalls fair genug zu sagen: Okay, ich hab was veröffentlicht und jetzt bekomme ich öffentliche Prügel. Eigentlich schreibe ich aber für Leser, nicht für die Autoren. Dass da im direkten Gespräch ein „Lernprozess“ stattfinden könnte – glaube ich nicht. Wäre schön, ja, aber ich glaube es nicht. Wenn ich zwei Jahre hart an einem Text gearbeitet habe und da kommt plötzlich so ein Typ und macht ihn runter, schalte ich doch automatisch meine sämtlichen Schutzschilde an und wehre ab. Krimikultur bedeutet für mich auch, dass Autoren Kritik als etwas Selbstverständliches hinnehmen und Kritiker sich verdammt noch mal Mühe geben, einem Text gerecht zu werden. Darüber will ich nicht diskutieren müssen, aber diskutieren möchte ich über grundlegende Dinge wie Selbstverständnis, Selbstbewusstsein, Reflexion usw. – da sind wir uns ja sehr einig. Wenn dort dann die Fetzen fliegen – wunderbar. Und dass das mit vielen AutorInnen nicht möglich ist, bedauere ich genauso wie du. Dass ein Buch kein Auto ist – klar. Aber auch ein Autor ist der Produzent von etwas und neigt dazu, dieses Produkt zu verteidigen. Da tue ich ja auch mit meinen Rezensionen. Nein, was mir vorschwebt ist ein lockerer Umgang mit einander, dass man sich mal zusammentut, weil man gemeinsame Interessen hat, ob man nun Autor oder Leser, Kritiker oder Verleger, Biochemiker oder Bibliothekar, Elektriker oder Eklektiker ist. Dazu gehören Offenheit, Flexibilität, ein dickes Fell auch, aber genügend Sensibilität, um Dinge von einander zu trennen. Warum soll ich mit jemandem, dessen letzter Roman mir nicht gefallen hat, über etwas anderes nicht vernünftig reden können?
    Muss nicht bei der Criminale sein. Ich habe keine Vorurteile gegen das Syndikat an sich, aber ich möchte ihm ebenso wenig angehören wie einem „Rezensenten-Syndikat“ oder einem Forscherclub. Vielleicht sollte man wirklich erst mal Meinungen austauschen – in Blogs oder sonstwo – und schauen, wo es Übereinstimmungen, Vorurteile, Fehleinschätzungen gibt. Und die wird es geben, die muss es geben. So gesehen finde ich diese Diskussion hier charakteristisch; schade nur, dass die Runde auf vier Teilnehmer beschränkt bleibt. Mir wäre es lieber, hier würden noch zwanzig Leute gegensätzliche Dinge sagen als dass wir vier uns irgendwann glücklich, weil einer Meinung in die Arme fallen. Zum Kuscheln brauche ich momentan auch niemanden.

    bye
    dpr

  17. Lieber dpr,

    in vielen Punkten pflichte ich Dir bei, allerdings glaube ich schon, dass bei den Autor/innen, die halbwegs wach durch die Welt laufen, konstruktive Kritik in gewisser Weise ankommt. Kreative Prozesse wie eben das Schreiben können doch gar nicht ohne den Austausch funktionieren. Das ein Autor seinen Roman verteidigt – ja wunderbar. Wenn er oder sie mir erklärt, wie manche Sätze, Figuren, Erzählstränge etc. entstanden sind und warum sie so sind und nicht anders – klasse. Wovon ich aber eindeutig weg will, ist diese Konsumhaltung bei den Krimis, die sich lohnen. Du machst es doch immer vor: Selbst bei Kriminalromanen, die eben „nur“ unterhalten wollen (das ist nicht abwertend gemeint), analysierst Du, warum und wieso… Ich find das interessant und aufschlussreich.

    Was die Zahl der Leute betrifft, die sich für eine solche oder ähnliche Diskussion interessieren, ja vielleicht sogar einsteigen, will ich Dir ungerne Illusionen rauben, aber mit vier Leuten bist Du schon gut bedient. In meinen Foren-Hochzeiten gab’s vielleicht mal sechs Leute, die es interessiert hat. Mitlesen tun vermutlich viele und glaube mir, die Syndikats-Leutchen klicken hier in den nächsten Tagen öfter rein. „Wir lesen Dich alle.“, hörst Du dann beim nächsten Treffen. Aber das hatten wir heute ja schon 😉

    Schönen Abend
    Ludger

  18. Glaube mir, Ludger,

    das Schreiben von Prosa ist ein verdammt einsamer Prozess, da ist dir konstruktive Kritik wurscht – und muss es dir auch sein. Während des Schreibens ist ein guter Autor asozial, unkommunikativ und egozentrisch – vorher und nachher sollte er sich überlegen, daran ein wenig zu ändern. Dem Schreiben ist das Kommunikationsdebakel quasi immanent. Ein Autor wird nie verstehen, warum ein Kritiker oder Leser das und dies und jenes nicht so einschätzt wie er selber. Verständlich. Wenn du an einer Seite Prosa drei Wochen arbeitest und die Leut lesen sie in drei Minuten runter… denken dabei vielleicht schon ans Mittagessen oder den tollen neuen Regenschirm, den sie sich gleich kaufen werden…
    Das mit den vier Leuten ist sicherlich ein guter Schnitt. Er befriedigt mich trotzdem nicht. Ich werde ja gern gelesen, ach, du liebe Eitelkeit, aber dass die Leute darob so sprachlos vor Ehrfurcht sind, dass sie schweigen müssen, glaube ich eigentlich nicht.

    bye
    dpr, der jetzt einen merkwürdigen, aber interessanten portugiesischen Krimi weiterliest und dann das Licht für heute ausmacht

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