Irene Rodrian: Eisiges Schweigen

Irene Rodrian eine Veteranin deutschen Krimischaffens zu nennen, zeugt nicht von mangelnder Galanterie. Es ist eine Tatsache, aus der eine weitere folgert: Irene Rodrian ist lange genug dabei, um ihr Handwerk zu beherrschen. „Eisiges Schweigen“ kann als Beweis dafür gelten.

Während eines Kongresses in Barcelona wird eine Expertin für „Anti-Aging“ auf diffizile Weise ermordet. Jemand hat in Heimarbeit ein Nervengift gemixt und seinem Opfer „auf Tastendruck“ ausgesetzt. Die Materialien der heimtückischen Tat musste sich der Täter zuvor in diversen Apotheken zusammenkaufen. Auch eine junge Streunerin ist zur gleichen Zeit auf Apothekentour, um sich das Quantum Pillen zu erschwindeln, das ihre Seele gegen den Alltag abschottet. Täter und Streunerin begegnen sich, letztere wird eine Gefahr für ersteren, das dramatische Geschehen nimmt seinen Lauf.

Irgendwie geraten die Detektivinnen von „Llimona 5“ ins Zentrum der Ereignisse. Eine wahrhaft bunt zusammengewürfelte Truppe, Expolizistin und Extaschendiebin, Juristin, Journalistin. Und die Ereignisse spitzen sich zu. Weitere Morde geschehen, der Täter verwischt seine Spuren und kommt der stummen Streunerin immer näher…

„Eisiges Schweigen“ ist ein konventioneller Krimi, abwechselnd aus der Perspektive des jungen gejagten Mädchens und der fünf Detektivinnen erzählt. Dass sich die Wiedergabe der Ereignisse nicht auf EINE ermittelnde Instanz fokussieren, wirkt sich positiv aus. Wir lernen fünf sehr unterschiedliche Frauen kennen, in ihren Umrissen gezeichnet, gerade so konkret, dass diese Beschreibungen die eigentliche Handlung ergänzen, aber nicht zur Nebensache degradieren. An einigen Stellen des Buches wünschte man sich etwas weniger Erklärung, zumal sich die psychische Situation des Mädchens etwa meist von selbst erklärt.

Dem ungeachtet ist „Eisernes Schweigen“ souverän aufgebaute Spannungsliteratur aus den bekannten dramaturgischen Bestandteilen, saubere Arbeit, der man die Erfahrung der Autorin ebenso anmerkt wie die Umsicht, mit der sie am Ende die Teile des Puzzles zusammenfügt.

dpr

Irene Rodrian: Eisiges Schweigen. Ein Fall für Llimona 5. 
Heyne 2006. 332 Seiten. 7,95 €

11 Gedanken zu „Irene Rodrian: Eisiges Schweigen“

  1. Ja, liebe Winzerkriminaldichterin,

    die sogenannte „Hessische Krankheit“ (die Meisterin dieser traurigen Kunst sitzt nämlich in Frankfurt; die Nicht-Meisterin auch…): Jemand schildert z.B. eine psychologische Konstellation (bei Rodrian Mädchen / Großmutter) und erklärt sie noch zusätzlich. Bei Rodrian zu verschmerzen, weil sie die Story gut durchzieht. Bei vielen anderen, nicht nur deutschen AutorInnen, aber einfach zuviel Soße auf die Kartoffeln, if you know what I mean. Wann kommen übrigens die ersten Winzerkaptitel zum Radikallektorat zu mir?

    dpr
    *wittert ein Schlachtfest

  2. Hallo anobella,

    wir Westfalen haben so unsere Schwierigkeiten mit den Präpositionen „nach“ und „zu“. So rutscht mir ab und zu durch, dass ich nach „K und K“, einem hiesigen Supermarkt, und nicht zum „K und K“ gehe. Dass du „auf“ deinen Winzerkrimi rennst und nicht zu deinem Winzerkrimi, ist aber auch eine nette Variante. Wo spricht man denn so? Bzw. wie hoch ist denn dein Winzerkrimi?

    Gruß
    thomas

  3. es ist wahrscheinlich eine wahrnehmungsgeschichte. ich habe das gefühl, dass der winzerkrimi überall um mich rum ist – und ich „renne zum winzerkrimi“ wäre da zu höflich ausgedrückt …
    die westfalen und präpositionen … stimmt.
    ich fürchte, die hessen haben GAR KEINE eigenheiten.

    „kärrschel“ wäre vielleicht so was, das ist ganz niedlich. kleiner karren.

    wir sind von deutschen umzingelt, wie der gute matthias beltz so hübsch zu sagen pflegte. ich versuche, das zwar zu ändern, indem ich rheinlandpfalz den belgiern überantworte – das würde auch die arbeitslosenzahl in deutschland signifkant senken – aber die haben da noch panik …

    in wiesbaden spielt der krimi und im rheingau!

  4. Stimmt gar nicht. Wir Westfalen wissen sehr wohl, wann wir nicht nach Aldi gehen können, weil er zu ist.

    Auch ein Westfale

  5. Lieber dpr,

    „Hessische Erkrankung“ ?

    Ehre wem Ehre gebührt.

    Aber, war der „Erstbeschreiber“ nicht dieser gnadenlose Schwätzer aus dem Norden ? Der, wenn er einen vernünftigen Lektor hätte, statt mit 500 Seiten langen Open, Dich mit bahnfahrtgerechten Werken beglücken würde ?

    Mit mankellhaften Grüßen

    bernd

  6. Im Prinzip richtig, lieber Bernd. Aber Mankell muss ja immer zwei Bücher in einem schreiben. Das erste ist abgekupfertes Sjöwall /Wahlöö, das zweite original Mankellsches Moralkleistern. Zur Ehrenrettung der HessInnen sei aber noch einmal betont, dass aus ihren Reihen auch die Frau mit dem Serum gegen diese Krankheit kommt. Garnicht genug zu glauserpreisen (wer jetzt Jau, Schafskrimi! ruft, kriegt sich mit mir in die Wolle!)

    bye
    dpr

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