D.B. Blettenberg: Null Uhr Managua

Nicaragua in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts, dass ist eine endlose Abfolge von Gewalt. Ein Bürgerkrieg und der Kampf gegen die Contras haben das Land zerrissen, das Volk gezeichnet, seelische und körperliche Krüppel auf den Strassen zurückgelassen. Als 1991 die Sandinisten die politische Macht in freien Wahlen verloren, machte sich international Hoffnung breit, dass das Land Frieden finden könne.

Zwischen Realität und Fiktion angesiedelt, schreibt D.B. Blettenberg in seinem 1997 erschienenen und jetzt im Pendragon-Verlag wiederaufgelegten Buch „Null Uhr Managua“ viel über kaputte gesellschaftliche Werte und ein wenig über Filz und Korruption. Da die Ermittlungsbehörden wenig Engagement zeigen, politisch motivierte Gewaltverbrechen aufzuklären, drohen die westlichen Geberländer mit der Sperrung von Fördergeldern. Daraufhin bittet die nicaraguanische Regierung mehrere Staaten um polizeiliche Ermittler, die unabhängig von den Behörden des Landes tätig sein sollen.

Einer von diesen Fachleuten ist Max Nordmann . Er hat den Auftrag, den Mord an einem Jugendlichen aufzuklären, der beim Überholen des Konvois des Oberbefehlshabers der Armee mit Gewehrsalven erschossen worden sein soll. Die Voraussetzungen sind nicht gerade günstig. Beweisstücke sind verschwunden, Zeugen haben ihre früheren Aussagen zurückgezogen und die nicaraguanischen Behörden, die Max Nordmann unterstützen sollen, bremsen ihn sanft aus. Ermittelt wird in konspirativen Treffen; eine Vielzahl von Personen sucht seinen Kontakt und versuchen ihn zu manipulieren, zu bestechen oder unterschwellig zu bedrohen. So recht weiter bringt ihn das alles nicht. Da könnte er eher schon dem britischen Kollegen bei dessen Fall helfen, weiß aber auch nicht recht, ob er das Leben der jungen Zeugin nicht gefährdet, wenn diese sich öffentlich offenbart. Während Nordmann noch im Trüben stochert, wird er entführt.

Nordmann, hin und her gerissen zwischen seiner alten Liebe in Deutschland, einer schönen Botschaftsmitarbeiterin und Madonna, einer hintergründigen, jugendlichen Nica, kommt in ein Land, dessen Realität seine Erwartungen übersteigt. So blank mit Terror, so drastisch, so zwischen Gewalt und Absurdität wechselnd, so hat er sich Managua nicht vorgestellt. Überzeugend entwickelt Blettenberg die Atmosphäre der Stadt und die Auseinandersetzung Nordmanns mit ihr. An den Kreuzungen Horden von Kindern, die sich auf die Autofahrer stürzen um Scheiben zu putzen oder Nippes zu verkaufen, ein Racheengel, der Dichter zitiert und alten Repräsentanten der politischen Rechten mit seiner Machete Arme und Kopf abschlägt und Mädchen, die dem Babystrich entwachsen. Es sind die Jugendlichen, die das Bild der Stadt prägen. Eine Generation, gekennzeichnet von den Wirren der Vergangenheit, die nur Verachtung für die Erwachsenen und die Früchte deren Schaffens übrig hat, ergreift die Initiative um Neues aufzubauen. Blettenberg erzählt gewohnt knapp und umsichtig, durchaus mit hintergründigem Humor, entlang eines gekonnten Aufbaus.

Aber Blettenberg will mehr: Nicht nur, dass er Max Nordmann und uns in die schwierige Geschichte Nicaraguas einführt, sondern, als würde das Grauen in Nicaragua nicht reichen, hat er auch noch den Ehrgeiz, die gesamte Terrorszenerie Europas in sein Buch miteinbeziehen zu wollen. Nicht genug, dass in diversen Einschnitten die Geschichte der Gewalt in Nicaragua geschildert wird, nein, die missglückte Aktion von Bad Kleinen und die Entführung Aldo Moros gibt es noch obendrauf. Selbst der Eigentümer des italienischen Restaurants hat eine Terrorvergangenheit und der entsprechende Baske ist auch nicht weit weg. Es scheint so, als hätte Blettenberg im ersten Teil des Buches seinen Zorn zu Papier gebracht. Der Balance des Buches tut das nicht gut. Diese die Geschichte unterbrechenden Einschübe stören den Fluss der Erzählung und so weiß der Leser zeitweise gar nicht so recht, was für eine Geschichte der Autor ihm erzählen will.

Es ist dann das furiose, leicht am Rande des Komischen tänzelnde Finale, welches den Leser wieder versöhnt. Spannend, gelungen konstruiert, bringt es, ohne dieses verbal auszuwalzen, die unterschiedlichen Umstände und Fakten zusammen, die der Autor zuvor im Buch ausgebreitet hatte und demonstriert, dass dieser einer der deutschen Vorzeigeautoren ist.

Ein Buch, wie die Gegenwart zeigt, das wenig von seiner Aktualität eingebüßt hat. Freunde des deutschen Thrillers werden an ihm nicht vorbeikommen. Einer gewissen anfänglichen Schwerfälligkeit stehen ein informatives Buch, eine stimmige Atmosphäre und ein gelungenes Finale gegenüber.

D.B. Blettenberg: Null Uhr Managua. 
Pendragon 2006. 317 Seiten. 9,90 €

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