Jonathan Kellerman: Todesrausch

Der Originaltitel hat schon Recht: Reichlich „twisted“ ist das, was uns Jonathan Kellerman in seinem deutsch zum „Todesrausch“ hochfabulierten Krimi zumutet. Gar nicht auszudenken, was ein Schreibamateur daraus gemacht hätte. Aber Kellerman ist eben Profi, und dem kann es gar nicht verworren genug sein.

Petra Connor von der Mordkommission LA steckt mitten in einem schwierigen Fall. Vier Jugendliche sind nach einem Konzert aus einem vorbeifahrenden Wagen heraus erschossen worden, eines der Opfer, ein fünfzehn-, sechzehnjähriges Mädchen, wird von niemandem vermisst und bleibt folglich namenlos. Doch damit nicht genug. Petra fungiert auch als „Kindermädchen“ des hochbegabten Isaac Gomez, der sich zum Zwecke einer Doktorarbeit durch die Archive des Polizeipräsidiums wühlt. Und fündig wird. Sechs Morde, alle mit einem stumpfen Gegenstand zum Nachteil völlig unterschiedlicher, von keinem Raster zu erfassender Personen ausgeführt und – alle an einem 28. Juni begangen. Was steckt dahinter? Steckt überhaupt etwas dahinter? Die zunächst skeptische Connor ist immer mehr davon überzeugt, dass ein unheimlicher Serienkiller sein Unwesen treibt – und der nächste 28. Juni steht kurz bevor.

Zwei kapitale Fälle also, sehr viel Kleinarbeit, die mit ihren zumeist deprimierenden Ergebnissen geschildert wird. Dazu dieser Isaac Gomez, das Genie aus den übel beleumundeten Wohngegenden der Hispanoamerikaner, passenderweise auch noch im Hormonrausch taumelnd, nicht zu vergessen die üblichen internen Mobbingaktionen, denen Petra ausgesetzt ist. Viel Stoff – und ein Autor, der damit umzugehen versteht. Geschickt hat Kellerman seinen Roman zwischen der Vorstadttristesse amerikanischer Hausfrauen und dem Ghettothrill der Einwandererviertel angesiedelt, manchmal haarscharf am Klischee vorbei manövrierend, niemals auch das, was man „soziologisch“ schimpfen könnte, aber immer pointiert, in die Handlung passend.

Es geht generell um Muster, wie man das ja von der Polizeiarbeit kennt. Vom vagen Verdacht bis zur endgültigen Gewissheit ist es ein langer Weg, den Kellerman mit allen ihm zur Verfügung stehenden Pfeilern amerikanischer Spannungsliteratur abstützt. Es wird gemordet, bedroht, gnadenlos geliebt, dass der noch schüchterne Isaac immer gleich „einen stehen“ hat, wenn er einen weiblichen Arm streift, mag etwas zuviel des Guten sein, insgesamt jedoch trägt es zum Verve der Erzählung bei.

Hervorragende Unterhaltung, man kennt es von Kellerman nicht anders. Kaum etwas, das uns nach der Lektüre der letzten Seite noch weiter beschäftigt, aber nun, das muss es ja auch nicht. Gute Unterhaltung ist selten genug, hier findet man sie.

Jonathan Kellerman: Todesrausch.  
Goldmann 2006. 480 Seiten. 8,95 €

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