Krimiexport oder Wozu in die Ferne schweifen

Weltniveau. Exportweltmeister. Kulturleitnation auf allen Gebieten, sogar Hollywood lehren wir schon das Fürchten, na, hoffen wir doch wenigstens. Nur bei Krimis bleiben wir Provinz. Schön; Schätzing. Gut; Schafsthriller. Hier und da etwas, das ins Holländische, Mongolische oder Kisuaheli übersetzt wird. Internationales Renommee sieht anders aus.

Woran das liegt? In einen aktuellen Aufsatz über deutsche Krimis schreibt Tobias Gohlis zum Thema: „Das hat mehrere Gründe. Eine gewisse generelle Sättigung und Arroganz des englischsprachigen Marktes; eine gewisse Beschränkung der deutschen Autoren auf Stoffe und Themen, die kaum als weltbewegend angesehen werden können.“ Hinzukommt, dass die mehr oder weniger staatliche Förderung von Übersetzungen einheimischer Krimis in andere Sprachen hierzulande lange nicht die Intensität und den Weitblick etwa skandinavischer Länder aufweist. Einige Höhepunkte deutschsprachigen Krimischaffens verlangen zudem fähige Übersetzer, da in diesen Romanen Sprache nicht nur als Transportmittel von Handlung funktioniert. Fähige Übersetzer brauchen Zeit und eine halbwegs ordentliche Bezahlung, an beidem hapert es generell, im Krimisegment noch offensichtlicher.

Aber es geht ja gar nicht um Qualität. Der Wunsch nach internationaler Reputation ist der Wunsch nach Profitmaximierung, wogegen in unserer Zeit wenig gesagt werden kann, Marktwirtschaft läuft nun einmal so. Und sie läuft unweigerlich über Normen, über, Gohlis erwähnt es, „Weltbewegendes“, worunter nicht nur der Verzicht auf das Thematisieren nationaler Befindlichkeiten und Eigenheiten gemeint ist, sondern die Verwendung all jener Versatzstücke, die nun einmal den modernen Massenthriller konstituieren. Serienmord und durch Action generierte Hochspannung, windschnittige Dramaturgie und eben alles, was gerade so angesagt ist im globalen Krimidorf.

Natürlich ist das nur ein Teil der Wahrheit. Die Schweden etwa haben sich schon sehr früh und mit großem Erfolg ein eigenes Muster gezimmert, Ermittlerbiografie und kritische Gesellschaftsbeschreibung als attraktive Melange. Und sie mussten dies auch tun, denn ein einwohnermäßig kleines Land vermag seine AutorInnen nur dann zu ernähren, wenn die Fleischtöpfe außerhalb der Landesgrenzen erobert werden können. Island ist da ein noch extremeres Beispiel, knapp 300.000 Einwohner, davon wird die inzwischen stattliche Zahl von SpannungsproduzentInnen nicht satt.

Das ist der Punkt. Haben wir, die wir doch auf knapp 100 Millionen deutscher Muttersprachler zurückgreifen können, es überhaupt nötig, nach internationaler Anerkennung zu streben? Prinzipiell schon, denn auch anderswo gelesen und geschätzt zu werden, ist ein Wert an sich, befriedigt. Eigentlich aber hätten wir doch bei uns genug zu tun mit dem Etablieren, denn der deutsche Krimi ist, sobald er die engen Grenzen des Regionalen überschreitet, beim einheimischen Leser keine feste und positiv bewertete Größe. Klar, er muss sich der internationalen Konkurrenz erwehren, den Amerikanern, Eng- und Nordländern. Was genau mit den Mitteln, die auch bei der Eroberung des internationalen Marktes vonnöten sind, zu geschehen hat. Wer mit Mankell mithalten will, der schreibt eben wie Mankell. Wer das Segment „Blutrausch“ erfolgreich erobern will, der mordet mindestens so fleißig wie die auswärtigen Kollegen. All das zahlt sich gelegentlich aus, man denke an Sebastian Fitzek, an Andreas Franz, an Sabine Thieslers „Kindersammler“ – alles sehr grell, alles reichlich überdreht – alles leicht verkäuflich. Für weit über 90% der deutschen KrimileserInnen eine Alternative zur Importware.

Und der Rest? Heimst Kritikerlob ein, sieht Bestenlisten, kaum aber Bestsellerlisten von innen. Dahinter steckt natürlich ein allgemeines Literaturphänomen, dass – von Ausnahmen abgesehen – sich die Dutzendware besser verkauft als das originelle, „anspruchsvolle“ Produkt. Das ist in anderen Ländern kaum anders, fällt aber weniger auf. Maßstäbe werden schließlich von den Amerikanern, den Engländern gesetzt, die Erfinder dieser Maßstäbe bleiben originell im Gegensatz zu ihren Nachahmern.

Originelle AutorInnen haben wir hierzulande ebenfalls, sie sind aber weitgehend Minderheitenprogramm, gemessen am Kaufpotential im Noch-immer-Wachstumsmarkt Krimi. An internationalen Durchbruch ist angesichts des fehlenden nationalen nicht zu denken, und wahrscheinlich sollte man das auch nicht. Es gibt in Deutschland höchstens eine Handvoll wirklich origineller SchreiberInnen, die mit ihren Umsätzen halbwegs zufrieden sein, im Idealfall sogar davon leben können. Andere, die das nicht können und also das Krimischreiben als Nebenerwerb betreiben, kommen dazu. Heerscharen sind es dann immer noch nicht, aber wohl mehr als noch vor zehn, vor zwanzig Jahren. Ein Lichtblick.

Vor dem begreiflichen Wunsch nach Exporterfolg muss also zunächst der Binnenmarkt erobert werden. Wir reden jetzt von den „originellen Produkten“, denen, die sich nicht auf „weltbewegende Themen“ einlassen und nicht nach den globalen Mustern gestrickt werden. Was sie dringend brauchen, ist Förderung, sind Stimmen, die gelegentlich auch einmal laut werden, vielleicht sogar vorlaut, vielleicht sogar arrogant. Das Wecken von Leserinteresse funktioniert halt nicht immer über das blanke Argument, es muss auch mal dissonant trompetet werden.

Nicht dass ich mich der Illusion hingäbe, man könnte nun über Nacht die Hälfte der NormkrimileserInnen auf die andere, die „bessere“ Seite ziehen. Wem Krimi „spannende Unterhaltung“ und nichts anderes ist, der bleibt verloren. Das ist nicht tragisch, folgenlose Unterhaltung ein legitimes Bedürfnis. Worum es aber geht, sind die potentiellen LeserInnen etwas gediegenerer Krimiware, die gar nicht wissen, dass es so etwas auch hierzulande gibt. Ich kann dieses Potential zahlenmäßig nicht abschätzen, ich glaube aber, dass eine gemeinsame Anstrengung von AutorInnen, Verlagen, Kritikern und sonstigen „Multiplikatoren“ es schaffen könnte, diese noch unerreichte Leserschicht zu aktivieren. Das wäre nun praktisch das Gegenteil von „Exportanstrengungen“, das wäre vielmehr das Sich-Begnügen mit dem Feld vor der eigenen Haustür. Und die unverzichtbare Voraussetzung für einen auch internationalen Erfolg – in kleinerem Rahmen, wohlgemerkt – der besseren Sorte Kriminalliteratur.

53 Gedanken zu „Krimiexport oder Wozu in die Ferne schweifen“

  1. Dass der Internetauftritt des Syndikats in dieser Hinsicht sehr zu wünschen übriglässt, mag daran liegen, dass es diesem Verein eher um Innen- denn um Außenwirkung zu tun ist. Was Knörer da 2002 (!) geschrieben hat, ist leider immer noch aktuell, keine Frage, wer Krimis beurteilt, sollte sie als Krimis beurteilen, als Unterhaltungsliteratur. Nun ist aber gute Belletristik stets auf ihre Art unterhaltsam, so dass wir behaupten können, ein unterhaltsamer Krimi sei im Idealfall auch einer, der mehr tut, als mir die Zeit angenehm zu vertreiben.
    Die Sprache, mein lieber Dschordsch, ist dabei nur EIN Qualitätskriterium. Dass sie zu wenig genutzt wird, nun, da kann ich dir ja leider nicht widersprechen, aber wir sind uns einig, dass auch in Nichtkrimis die Meisterin Sprache häufig zur Kärrnerarbeit herabgewürdigt wird. Sprachlich wirklich durchdachte Romane, wie sie A.P., N.H. oder P.B. abliefern resp. abgeliefert haben, sind aber auch anderweitig durchdacht. Wären sie es nicht, hätten sie allenfalls die Qualität von Sprachexerzitien. Schön, wer drauf steht, soll sich daran delektieren. Mir ists zu wenig. Da ziehe ich den guten Sprachdurchschnitt vor, bei dem alles andere stimmt. Hier liegen die Angloamis immer noch vorn, stimmt schon; aber gerade denke ich wieder heulend an metro, wo man uns ja gezeigt hat, dass auch anderswo tolle Krimis geschrieben werden.

    bye
    dpr

  2. Da kann doch irgndwas nicht stimmen: dpr und ich einer Meinung. Ui.

    Aber bei metro kann ich mich an überragende Deutsche nicht erinnern.

  3. …was behauptet haben zu sollen, mich aber jetzt höchlichst verwundert, dear Dschordsch. Ich schrieb „anderswo“, also nicht im angloamerikanischen Raum. Und das stimmt doch, oder?

    bye
    dpr

  4. Sag ich doch: anderswo. Also z.B. im angelsächsischen Raum. Aber warum hat Kollege Wörtche da keine deutschen Autoren für uns entdeckt? Vielleicht weil es keine gab, die es zu entdecken lohnte. Oder? Wörtche, übernehmen Sie.

    Außerdem müssen wir ja noch wissen, was Sie jetzt machen. Suhrkamps neuen Krimi-Verlag leiten? Dumont zu neuen, alten Ehren verhelfen?

  5. Versteh ich jetzt nicht. Warum sollte Kollege Wörtche deutsche Autoren im angelsächsischen Raum entdecken? Gibts die dort? Außerdem hatte metro ja ein ziemlich eindeutiges Konzept: world wide crime. Und das wurde verdammt gut umgesetzt. Demnächst also meinetwegen Wörtche beim Suhrkamp Thriller Verlag. Oder als Herausgeber bei 2001 wie der olle Haffmans? Mal schaun.

    bye
    dpr

  6. World wide crime ohne Deutschland? Never ever. Lieber Suhrkamp. Oder übernimmt er Diogenes? Da ist, glaube ich, die Nachfolge auch nicht ganz geklärt. Auf jeden Fall könnte er beides. 2001? Och, weiß nicht. Ist das schon eine Gerüchteküche?

    Wörtche, gestehen Sie!

  7. Okay, ich lass die Wahrheit raus: TW wird mein Nachfolger bei wtd. Ich selbst ziehe mich aus dem Krimigeschäft zurück und züchte gemeinsam mit Anobella sibirische Kampfauerochsen auf Amrum.

    bye
    dpr

  8. Liebe dpr,

    ist der Wunsch, dass deutsche Autoren in der ersten Liga spielen sollten, nicht noch etwas vermessen. Wenn man die Zahl der Krimiautoren zählt, die vom Schreiben leben, die Zahl der Krimizeitschriften betrachtet und die Bandbreite und Qualität der Blog/Internetauftritte/u.A. sieht, die von Autoren und von Interessierten betrieben werden, scheint es mir so, dass bei uns überhaupt kein Umfeld vorhanden ist. Betrachtet man dagegen GB oder USA, dann ist das so, als wenn man den 1. FC Saarbrücken mit dem 1. FC Bayern München vergliche.

    Ansonsten, der Hinweis aufs Syndikat leuchtet mir ein. Auch Literatur ist ein Markt und auf einem solchen läuft ohne Markierung wenig. Deutsche Krimis sind brandingmässig so schlecht, dass sie nicht einmal im eigenen Lande vernünftig ‚rüber kommen, geschweige denn im Ausland.

    Beste Grüße

    bernd

  9. Hähä, lieber Bernd, FC Saarbrücken, die spielen jetzt 4. Liga! Klasse! Aber diese Ligageschichten sind eh mit Vorsicht zu genießen. Eine virtuelle Qualitätsliga gibts ja durchaus, und wir haben schon ein paar AutorInnen, die da mitmischen könnten. Nicht viele, das bringt auch nicht die großen Umsätze, international schon gar nicht, aber, du sagst es, dafür muss das Umfeld stimmen. Und die Reputation. Da wird allerdings ne Menge verschenkt, von den Verlagen, den Autoren, dem kritischen Drumherum. Sehr schade.

    bye
    dpr

  10. Aber das wird doch jetzt besser, wo TW den Suhrkamp Thriller Verlag leitet, oder? (Manche würden sagen, und dpr nach Amrum zieht, wo er Handkes und Schmidts Fußballaufstellungen rezitiert.)

  11. ich weiß, dass ihr das in eurer betriebsblindheit auf einem kritikerforum nicht hören wollt, aber gute krimiautoren sind doch haufenweise da. es fehlt nur an der kritischen arbeit am text, für die man einen kritischen lektor braucht. der lektor kann viel detailliertere kritische arbeit an einem text leisten als ein kritiker. das schreibe ich hier auch noch 20 mal hin, wenns nötig ist.

    mit einer geduldigen arbeit am text könnte man eine schöne top 50 (sagt mal eine hausnummer – *kringelt sich) deutscher krimiautoren zusammenkriegen, die es spaß machen würde, zu lesen. so aber fehlts immer an an irgendwas (irgendwas ist ja immer), mal kriegt der autor den schluss nicht hin, mal haut ihm eine figur ab, mal ist er ein drittel zu verschwurbelt, mal einen tick zu viel an ein vorbild angelehnt, mal das thema knapp ausgelutscht, mal zu ernst, mal zu wichtig, mal zu komisch.

    wenn ihr die lektoren nicht ernst nehmt in ihrer arbeit, nehmt ihr auch die kritiker nicht ernst. ihr grabt euch das kritische wasser ab. und wundert euch über autoren, die sich weder vom einen (vorher, lektor) noch vom anderen (hinterher, kritiker) in ihre grandiosen genietexte reinreden lassen.

    leidtragender ist der leser. gebraucht werden beide, und ein gescheiter verleger, der seinen teil dazu beiträgt, indem er einem krimiautor einen gescheiten lektor und übersetzer im verlag zur seite stellt.

    *pocht auf den tisch

  12. oder anders gesagt – nennt mir ein problem gutschreibender deutscher krimiautoren, das durch ein gescheites lektorat VORHER nicht hätte gelöst werden können, sodass ihr euch auf euer kerngeschäft konzentrieren könntet – gute krimiautoren zu entdecken und zu fördern, anstatt sich hinterher den kopf an dem einzurennen, was die aufgabe des lektors gewesen wäre (da autor zwangsläufig angesichts der komplexität der aufgabe betriebsblind).

    das ist ein ganz zentraler punkt, ob das nun auf einem kritikerforum gern gelesen wird, oder nicht.

    *schaltet auf stur

  13. Wir sind nicht betriebsblind! Sonst würden wir ja in Friedrich Anis neuer Reihe „Der Seher“ auftreten! Da gehen wir lieber zum Augenarzt! Na, wart erst mal, wenn wir auf Amrum sind! „top 50“! Hausnummer! Tz!

    bye
    dpr

  14. Lektoren? Gescheite Lektoren? Du meinst ernsthaft, so etwas gäbe es in deutschen Verlagen noch? Lektoren, die Zeit für intensive Textarbeit haben? Und die es dann auch noch können, also von der stilistischen und intellektuellen Kompetenz? Also allerhöchstens sechs oder sieben. Die Stellen sind doch längst alle eingespart und in Programmplanung, Herstellung und Korrektorat eingeflossen und zusammengefügt. Das ist die bittere Verlagswahrheit.

    Wo ist denn die geduldige Arbeit am Text, die die Lektoren noch leisten? Sollen sich bitte hier erst einmal fünfzig gute Autoren melden, deren Lektoren das machen. Dann sehen wir mal weiter.

    Und außerdem und bis dahin sind es immer noch die Autoren, die schreiben und veröffentlichen. Und also werden wir weiter die Autoren kritisieren.

  15. Meine liebe süsse Anobella,

    Betriebsblindheit ?

    Ich dachte, dpr und ich würden darin übereingestimmen, dass hier ein Problem des Umfelds vorliegt. Lektoren gehören hier möglicherweise dazu.

    Aber was bedeutet denn „Lektoren ernst nehmen“ ? Soweit ich weiß (ich bin ja nur ein tumber Leser) sind Lektoren von den Verlagen, nicht von wtd ausgedünnt worden.

    Und was nützt es, wenn wir alchimistische Lektoren haben, aber Leon, Mankel und Petterson präferiert werden ? Wenn ich mir so manche Beurteilungen anschaue (das Internet gibt ja doch genug Gelegenheit dazu), dann fehlt häufig die Bereitschaft sich mit einem Krimi auseinander zu setzen, da werden Bücher unterschiedlichster kultureller Hintergründe mit dem gleichen Kriterienkatalog bewertet.

    Beste Grüße

    bernd

  16. ihr wollt mich nicht verstehen, oder?

    worin besteht die kritische arbeit an einem text? und liegt die nur beim autor? (auch wenn ihr immer nur den autor kritisiert)

    oder, anders gefragt: die kritikpunkte, die ihr in den letzten jahren an namhaften deutschen krimiautoren hattet – hätten die nicht durch ein vorheriges gutes lektorat aus dem weg geräumt werden können?

    und wenn doch – welcher spezifischen borniertheit darf der leser es ALSO DANN zuschieben, wenn keine gescheiten krimis auf den markt kommen?

    wenn sich die kritik auf der ebene „irgendwas ist ja immer!“ bewegt?

  17. Du hast, wie stets, vollkommen Recht, Teuerste. Nur: Angenommen, diese LektorInnen seien verfügbar – also in ausreichender Menge, mit ausreichender GENRE- und Sprachkompetenz: Wozu sollten sie sich die Mühe machen, etwa Sprachschluderei aus den Manuskripten zu tilgen? Merkt doch kaum einer! Weder die LeserInnen noch die KritikerInnen. Und ich stelle mir gerade einen durchschnittlichen deutschen Krimi vor – Moment, was haben wir da kürzlich mit zusammengekniffenen Hinterbacken durchlesen…ja, Roman Rausch / Blanka Stipetic: Der Bastard. Ich nehme also einen fähigen Lektor, eine fähige Lektorin und derdie fängt an: die Sprache ein Graus, der Plot ein Witz, die Dramaturgie hanebüchen, „die Botschaft“ verlogen. Also sagt er / sie: Nö, verlegen wir nicht. Sagt der Verleger: Verlegen wir doch. Verkauft sich nämlich. Ist nicht etwa BOD, nee, is Rowohlt. Rowohlt! Zwei Amazon-Rezensionen bislang, 4 Sterne jeweils, auch ansonsten: wohlwollend bis sehr lobend besprochen (schon wieder Noller, seh ich grade…den Burschen muss ich mir nun doch mal wieder zur Brust…).
    Das ist nun der Grund, warum ich auch „solche Sachen“ lese und bespreche (was du mir ja immer vorwirfst!). Damit eine Art Korrektiv in die Landschaft kommt, das unterstützt denn auch die guten LektorInnen, so es sie noch gibt. Vielleicht schaffen wir es ja, gewisse Mindeststandards zu etablieren, das heißt nicht Kritikergleichschaltung, aber ein halbwegs sicheres Auge für den Kitsch, für sprachliches Unvermögen, für Verlogenheit etc. Aufdass die LeserInnen dann eines Tages sich bei den Verlagen BESCHWEREN, die ihnen Mist anbieten. Aufdass diese Verlage sich dann sagen: Uh, man könnte vielleicht doch mal wieder fähige LektorInnen einstellen… Na, okay, das ist jetzt Fantasy, ich gebs zu.

    bye
    dpr

  18. Und du willst uns auch nicht verstehen, oder?

    Wer steht auf dem Umschlag? Der Autor. Wer verantwortet alles, auch die Fehler, auch den Mist? Der Autor. Wer also wird kritisiert? Der Autor. Denn der ist es, der schreibt.

    Natürlich kann ein gutes Lektorat vieles verbessern. Könnte, sollte, hätte können. Ist aber meist nicht. Warum? Ist mir als Leser doch egal. Das Restultat wird beurteilt.

    Irgendwas ist ja nicht immer. Oder es ist was, aber es ist nicht so schlimm. Das ist das, was wir Kritiker aufschreiben und benennen und belegen (manchmal).

    Aber wenn Herr B. wieder einen grottenschlechten Roman publiziert hat, pardon: wenn ein Verlag einen grottenschlechten Roman publiziert hat, auf dessen Umschlag der Name B. steht, und es nicht für nötig hält, genau aufzuschlüsseln, welchen Mist Herr B. und welchen Mist Herr X., dessen Name ja nie genannt wird, verbrochen hat, dann tue ich mal so, als wenn Herr B. den Roman geschrieben hätte und schreibe meinerseits: „Herr B. hat wieder Mist geschrieben.“

    Und wenn Frau P. einen guten Roman publiziert hat, pardon: wenn ein Verlag einen guten Roman publiziert hat, auf dessen Umschlag der Name P. steht, und es nicht für nötig hält, genau aufzuschlüsseln, welches Gute Frau P und welches Gute Herr X., dessen Name ja nie genannt wird, verbrochen hat, dann tue ich auch so, als wenn Fru P. den Roman geschrieben hätte und schreibe meinerseits: „Frau P. hat wieder Tolles geschrieben.“

    Oder?

    Und wenn die Verlage schlau wären, würden sie ganz viele Stellen mit ganz vielen tollen Lektoren besetzen. Machen sie aber nicht. Und deswegen (u.a) entwickeln sich die Autoren nicht weiter. Und deswegen kommt immer so viel Mist. Aber auf dem Umschlag steht der Name des Autoren. Und an den halten wir uns. Und dann schreiben wir irgendwann, im Verlag Sch. kommt lauter Mist.

  19. oder noch mal anders gesagt … *sollte sich nicht in das thema reinsteigern, wird nicht verstanden … mit einer lässigen geste ladet ihr hier in diesem wie auch in anderen threads die schuld an mediokren deutschen krimis auf den schultern der autoren ab, ohne auf die produktionsbedingungen der texte einzugehen.

    wie entsteht also ein guter text?
    *doziert
    durch den grandiosen einfallsreichtum oder das grandiose handwerk eines geniehaften originalautors?
    **schlägt auf den tisch
    nee, nur wenn man bernhard oder kafka oder schmidt heißt.

    ansonsten entsteht ein guter text nicht durch den autor allein, sondern auch durch einen maximal kritischen und gleichzeitig wohlwollenden geist, der ihm zur seite steht. diese (verlags-)seite aber kommt in dieser euren kritik am deutschen krimi nicht vor.

    und das ist ein tunnelblick auf den autor, den ihr wie die schlange das kaninchen den hasen …

    ****kriegt das bild jetzt leider nicht zusammen

  20. quote georg:
    Natürlich kann ein gutes Lektorat vieles verbessern. Könnte, sollte, hätte können. Ist aber meist nicht. Warum? Ist mir als Leser doch egal. Das Restultat wird beurteilt.

    genau das ist mir als leser nicht egal. und deswegen frage ich mich: warum ist dieses buch nicht besser? und wenn ich mir diese frage stelle, komme ich nicht nur zu der antwort, der autor hats nicht drauf. auch wenn sein name vorne drauf steht.

    und wenn man sich generell fragt, warum ist der deutsche krimi nicht besser, darf man nicht nur in hinblick auf den autor argumentieren.

    basta.
    okay, georg, genau deswegen entsteht oft der eindruck, dass tatsmein lieber, genau das meine ich. manchmal ist euch das resultat im grunde egal.

  21. Nixda, Anobella. Der Autor hat’s geschrieben, der Autor hat’s zu verantworten. Fertig. Oder hat der Lektor von Grass auch den Nobelpreis bekommen?

    Das ist eine unsinnige Entschuldigungstour, die du da fährst. A la „der Autor ist ja gar nicht so gut, sondern wird es erst mit einem Lektor“. Dann sollte er wirklich sofort aufhören.

    Produktionsbedingungen der Texte? Hört sich anch Marxismusseminar an: Literatursoziologie. Das wird dann ab und zu auch betrachtet, aber nicht, wenn ich einen einzigen Roman lese. Dann müssen Lektor und Autor bitteschön die Texte verschiedenfarbig markieren: Das ist vom Autor, jenes vom Lektor. Dann bin ich auch bereit, zu schreiben: Der Autor zeigt gute Ansätze, nur der Lektor ist grottig.

  22. Nö, das Resultat ist mir gar nicht egal, ich will doch gute Bücher lesen. Die schlechten will ich doch gar nicht. Steigt doch nur mein Adrenalin.

  23. Liebe Anobella,

    nun können die Rezensenten doch nichts dafür, dass sich unser kulturelles Umfeld geändert hat. Mag es meinetwegen früher so gewesen sein, dass Autoren sich mehr auf ihre Ideen konzentrieren konnten [Ich kann mir das ja nicht so ganz vorstellen, wie soll denn das gehen ? Dass der Lektor zum Joyce sagt, dass Ulysses zwar gut erzählt sei, dass aber noch an der Interpunktion zu arbeiten wäre ?] und heute nicht nur produktionsfertige Werke abliefern müssen, sondern sich auch noch selber vermarkten sollen. Aber das ist in anderen Bereichen genauso. Wissenschaftler sind doch heutzutage so sehr damit beschäftigt, sich selber darzustellen und ihre „Produktionszyklen“ ‚runterfahren, dass die nerdigen pickelgesichtigen Typen kaum noch eine Chance haben.

    Deine Frage zielt ja wohl darauf ab, wem der Kritiker zu dienen habe, dem Leser oder dem Autor.

    Nun ja, wenn denn überhaupt, dann beiden, oder ? War es nicht füher so, dass die Kritiker auch (kongenial) den Text vermittelten ?

    Aber es ist doch kaum meine Aufgabe als Abonnent der Zeit, der indirekt auch Gohlis bezahlt, für die freiwilligen Entscheidungen der Krimibuchverlage gerade zustehen.

    Beste Grüße

    bernd

  24. Das sind, hab ich jetzt bei meinem Ausflug in die Stadt gemerkt, zwei Diskussionen.

    Mir persönlich ist eigentlich vor allem das Ergebnis wichtig, die Produktionsbedingungen, die ich als Buchhändler, laufen am Rande mit. Wenn ein Autor nicht mit Hilfe seines Genies, seiner Freunde, einer Literatenrunde und seines Lektors einen guten Text zustande bringt, kann ich ihm auch nicht helfen.

  25. ihr debattiert darüber, wo der deutsche krimi steht, und im üblichen reflex konzentriert ihr euch auf den autor. finde ich auch okay, wenn ihr nur rezensionen schreibt, aber nicht, wenn ihr an sich über den deutschen krimi redet. bei der frage, wie ein guter krimi entsteht (oder mehr gute krimis entstehen können), zeigt ihr nur auf den autor. ich zeige auf mindestens ZWEI leute. einen, ders schreibt, und einen, der´s abnimmt.

    bevor ihr überhaupt an die ware kommt.

    😉

    aber ihr steht ja alle, scheint´s, in der deutschen genietradition. gibts das eigentlich im angloamerikanischen raum, den ihr so beneidet? oder haben die mehr teamwork? da stünde die deutsche literatur sich dann selbst im weg. wäre doch eine schöne erklärung.

  26. Eigentlich haben in dieser Diskussion – wie so oft – beide Seiten gute Gründe für ihre Position. Ganz offensichtlich ist es ja so, dass in Deutschland sich viele berufen glauben, einen Kriminalroman schreiben zu können, die der Verlockung besser widerstanden hätten. Das ist aber in anderen Ländern ähnlich, wird hier nur nicht so wahrgenommen. Andererseits sind die Produktionsbedingungen in den Verlagen tatsächlich miserabel. Da sind ja nicht nur Lektorate vernichtet worden, auch Korrektorate scheint’s in etlichen Häusern nicht mehr zu geben. Da genügt doch schon ein Blick auf das Niveau der Klappentexte, da kann man sich ja manchmal nur gruseln. Irgendwo habe ich heute oder gestern ein Zitat Heinz Rudolf Kunzes gelesen, der – sinngemäß – sagte, dass in deutschen Zeitungen – gut, dass ist jetzt weiter gefasst, aber es entspricht dem Trend – Legastheniker für Analphabeten schreiben, Schwerhörige für Taube Radio machen und Kurzsichtige für Blinde TV. Das sieht in den Buchverlagen nicht anders aus: Das Sagen haben Kaufleute, die nur ans Controlling denken, und das heißt Kosten senken, Kosten senken, Kosten senken. Was tatsächlich produziert wird, geht denen am Arsch vorbei. Hauptsache, der Cashflow stimmt, und die Kapitaleigner sind zufrieden. Auch wenn sich das nach Marximusseminar anhört: Das ist die Realität.
    Und noch mal zu Rausch etc.: Wenn ich so ein Buch in die Hände bekomme, ärgere ich mich in erster Linie über den Verlag, der mir so etwas zuzumuten bereit ist. Der Autor tut mir dann eher Leid, dass ihm niemand gesagt hat: Mensch, Junge, lass es doch bleiben …
    Grüße von der Küste,
    Ulrich

  27. Vereinfacht gesagt, liebe Anobella, entstammen Amerikaner (zumindest die der bisher dominierenden weißen europastämmigen) einer puritanischen Tradition, sie glauben also, dass reine ehrliche Arbeit den Erfolg sichert. Und in diesem Geiste schreibt dann auch Stephen King sein Buch „on writing“ ( http://www.amazon.de/Writing-Stephen-King/dp/0743455967 ), denn er hofft, dass mit Hilfe seines Buches ein mittelmäßiger Autor ein guter werden kann – aber darüber hinaus helfen auch nur die Götter.

    Zwei Unterschiede meine ich in den Staaten ausmachen zu können. Ersten sind Krimis gesellschaftlich akzeptierter und es gibt deshalb auch viel mehr gute bis sehr gute Autoren und zweitens die Bereitschaft, auch etablierter Autoren über Handwerk, Ängste, Sorgen usw zu diskutieren. Diese Diskussionen sind jeden Tag wieder beeindruckend und lehrreich.

    Es ist, Anobella, die „normative Kraft des Faktischen“ die hier in vielen Beiträgen durchschimmert, nicht die Suche nach Genius. Wenn Dich die kommerzielle Seite der Industrie“ aus amerikanischer Sicht interessiert, gibt es vermutlich nichts Besseres als M.J.Rose Blogs (z.B. http://www.publishersmarketplace.com/members/BkDoctorSin/ ).

    Anbei, wenn der Spamfilter nicht die ganze Mail auffrisst, zwei neuere Artikelserien von ihrem Blog (bei der älteren Serie fehlt der erste Beitrag, irgendwie bring ich ihn nicht her) zu dem Thema. Interessant sind auch die Kommentare. Quintessenz scheint mir zu sein, und so kann man das auch bei King lesen, unterhalb der persönlichen Perfektionsschwelle bräuchte man die Verlage nicht bemühen, darüber hinaus dürfte man Hilfe nicht erwarten.

    1. Empfehlungen an MFA (master of fine arts) Studenten von einem Professor und Autor

    1. Teil fehlt

    http://mjroseblog.typepad.com/buzz_balls_hype/2007/06/letter_to_an_mf_1.html

    http://mjroseblog.typepad.com/buzz_balls_hype/2007/06/letter_to_an_mf_2.html

    2. Erfahrungen vom M J Rose selber

    http://mjroseblog.typepad.com/buzz_balls_hype/2007/06/how_lucky_can_y.html

    http://mjroseblog.typepad.com/buzz_balls_hype/2007/06/how_lucky_can_y_1.html

    http://mjroseblog.typepad.com/buzz_balls_hype/2007/06/how_lucky_can_y_2.html

    Beste Grüße

    bernd

  28. danke, ulrich.

    *kämpft gegen windmühlen

    das ganze gilt NOCHMAL fürs krimilektorat, wo der verleger erst recht denkt, ist nur krimi, brauchst du kein lektorat, hau´s raus, wie`s der autor reingibt.

  29. Zu Heinz Rudolf Kunze, den ich leider auch persönlich einmal kannte, muss ich sagen, dass auch bei den deutschen Liedermachern Blöde Musik und Texte für Dumme schreiben.

    Und zum Autoren: ja, der tut mir leid, aber auch die ganzen Leser. Und dann sage ich halt den Lesern: lasst das Buch liegen, es ist Mist.

    *wirbelt sein Windrad

  30. @Bernd: So, ich habe den Text jetzt freigegeben! Diese vielen Links aber auch!
    (der Spamfilter)
    Genau: normative Kraft des Faktischen. Is nu ma so. Was soll ich mich hier über die Arbeit von Lektoren auslassen, wenn es diese Lektoren kaum noch gibt? Da ein Autor selbst sein schlechtester Kritiker ist (immer! Naturgesetz!), tut er gut daran, sich von kompetenten, aber nicht unbedingt wohlmeinenden Freunden beraten zu lassen. Was er davon übernimmt, ist aber seine Sache, er trägt die Verantwortung. Auch dafür, dass Verlage seine Machwerke durchwinken und der Kritik zum Fraß vorwerfen. Wer damit nicht klarkommt, soll häkeln oder hulken (auf Amrum wird gehulkt! Super!).

    knallhart: dpr

  31. knallhart ist die eine sache, sich fragen, warum der deutsche krimi nicht gut genug ist und dabei nur die schuld bei den autoren suchen, ist eine andere.

    gegenknallhart, anobella
    *das wird eine fiesta auf usedom

    danke, bernd, das ist sehr aufschlussreich, was du da reingelegt hast! das muss ich mir in ruhe ansehen.

    und georg, vielleicht kannst du von deinem re-zen-sen-ten-stamm-tisch aufstehen und deinen geist f l i e ß e n lassen? danke.

    **chi

  32. Usedom? Hast du umgebucht? Und wieso „Fiesta“? Das heißt „Siesta“!

    bye
    dpr
    *fährt vorher mit Henrike Heiland nach Mailand
    **und mit Thea Dorn zum Kap Horn
    ***dann vielleicht mit Anobella nach Marbella

  33. ah, usedom. hab ich mich vertan.
    na ja, usedom wäre natürlich super, dpr. berlin schön nah, polen 20 km entfernt …

    und das ist zwar hübsch gereimt mit henrike heiland und thea dorn, aber das ist k e i n t h e m a.

    knallhart,

    anobella

  34. im übrigen kann man vielleicht noch mal fürs protokoll festhalten:

    um viele gute krimis auf den tisch zu kriegen, braucht man:

    einen hochkritischen autor
    einen hochkritischen lektor
    einen hochkritischen verleger
    und einen hochkritischen georg, äh kritiker.

    die alle im viereck springen, wenn sie ein gutes buch in der hand haben.

    und das – *hebt den finger – nicht nur bei großen, sondern auch kleinen verlagen.

    ich erlebe das gerade bei der lyrik bzw. solchen engagierten verlagsprojekten wie kookbooks, blumenbar, tisch 7, die hochmotiviert junge, unbekannte und gute autoren bekanntmachen. da ist richtig was in bewegung geraten. und das sage ich als nichtlyrikversteherin. der funke springt über. das kostet nur ausdauer und zähigkeit.

    was ja in diesem einzelkämpferblog auf ein wohlwollendes gehör treffen müsste.

    *flüstert in dpr´s ohr

  35. Guten Morgen, ich hab jetzt nicht alles so en detail gelesen, weil meine Fähre bald geht und – ach, das interessiert jetzt nicht.
    Thema Syndikat und Förderung des deutschen Krimis: Da werden sich auch die Köpfchen zerbrochen, so ist das ja nicht. Internetseite Syndikat: Ist in Überarbeitung, wird dann ganz attraktiv und für Außenstehende und überhaupt.
    Gohlis: Ich zitiere mal in Teilen mich selbst aus einem anderen Zusammenhang zum selben Thema: Henrike quotes Henrike: „Ich bin es SO LEID, dieses Rumgetue mit den deutschen Krimis und ach sind sie alle schlecht und hier und da mal ein Diamant, bei genauerer Betrachtung sind die Diamanten nur deshalb Diamanten, weil ein paar andere Menschen mit vermeintlich wichtiger Meinung vorher schon mal gesagt haben, och der is doch nich schlecht, oder? Hat Gohlis alles gelesen? Nee, hat er nicht, klar. Haben die Juroren von irgendwelchen Preisen je alles gelesen? Nee, haben sie auch nicht, auch klar. Ist kein Vorwurf. Aber dann bitte nicht sagen: 80% ist ein Scheiß und keiner kann was.
    Ja, es gibt einen Haufen richtig schlechter Krimiautoren in Deutschland. Die gibt es in jedem Land. Und in jedem Genre. In jeder Sprache. Viel schlimmer als der grausligste Autor ist aber der deutsche Standesdünkel, die Trennung in E und U, der Anspruch, Literatur falle vom Himmel direkt in das Hirn des schreibenden Genies und Schreiben sei nicht erlernbar, die fehlende Krimitradition auf internationalem Parkett im Ausmaß der Briten und Amerikaner, der damit verbundene Minderwertigkeitskomplex.
    Regionalkrimi: Schwedenkrimis sind doch die schlimmsten Regionalkrimis! Kaum steht Schweden drauf, machen die Buchhändler SOLCHE Stapel, und die depperten Leut kaufen’s auch noch. Der größte Schrott wird für uns übersetzt und uns angedreht, weil Schweden draufsteht. Oder was anderes Skandinavisches. Letztens finde ich irgendeinen kompletten Müll aus, ich sag mal breitgefächert, Skandinavien, Originalsusgabe Deutschland 07, Lizenz von vor über zehn Jahren. Und es war schlecht!!! Lieber schlechte Lizenzen als was halbwegs Brauchbares aus Deutschland? Die anderen könnens nun mal besser, was??
    Klar, alles aus Amerika, zum Beispiel, ist so toll, die haben’s drauf, mit der Muttermilch quasi, sieht man ja im Kino und im Fernsehen. Warum? Weil der Monsterschrott zum Glück nicht eingekauft wird. Aber daran denkt ja keiner.
    Der deutsche Krimi schafft es nicht, weil er nicht international und global genug ist? Oh bitte. Wie global sind denn die Damen George, Rendell/Vine, James, Mina, McDermid, Walters etc. im Allgemeinen? Ab und zu gehen sie mal raus aus der englischen oder schottischen Landidylle, aber hey! Am liebsten lese ich immer noch die, die irgendwo im Cottage spielen, ganz Agatha Christie-Umgebung. Da kann ich nix für. Schlechter Geschmack. Wurde mir wohl in die Wiege gelegt.
    Einen handwerklich guten Krimi zu schreiben, das sag ich jetzt mal so ebenfalls ganz polemisch, ist viel schwieriger und viel mehr Arbeit als neue deutsche Bewusstseinsliteratur auf 130 Seiten abzuliefern mit dem Inhalt: Mein Leben und ich, diesmal auch aus meiner Perspektive.
    Es ist doch so. Kritisieren macht viel mehr Spaß als loben. Mit Loben macht man sich als Kritiker sowieso angreifbarer. Schlecht finden geht immer. Reich-Ranickis Verrisse machten auch immer mehr Spaß als Karaseks Rettungsversuche.“
    Das nur mal so als wirre Gedanken zu dem Thema.
    C. C. Fischer hat irgendwann mal in der Welt einen Artikel darüber geschrieben, der deutsche Buchmarkt solle für ein Jahr auf ausländische Lizenzen (weiß jemand, wieviel dafür teilweise bezahlt wird? Und wieviel im Vergleich ein deutscher Autor an Vorschuss bekommt??) verzichten. Was würde dann passieren etc.? Gestern auf dem Berliner Bücherfest hab ich das Käuferverhalten mal wieder live und deprimierend mitbekommen (ich saß am Lübbestand). Die Leute (Touristen) sehen, ein Krimi spielt an der Küste. „Nee wir sind aus Bayern, das ist uns zu weit weg.“ Dann greifen sie nach einem Islandkrimi und jubeln. „Die sind ja immer so gut, die Isländer.“ Aha. Bestimmt, alle. Und weit weg sind sie auch nicht. Andere Damen meinten, sie lesen so gerne Englandkrimis, weil sie sich dann so wie in England fühlen.
    Wie ändert man das? Dass die Bereitschaft, einen schlechten holländischen, englischen, schwedischen, isländischen Krimi zu lesen höher ist als einen guten deutschen?
    Ich weiß es nicht. Wenn ich es wüsste, dann – naja.

  36. Henrike, ja, Kopfnicken. Schwedenhype etc., völlig okay, die allgemeine Geringschätzung deutscher Krimis, auch anderswo wird geschrottet, klar, Kritiker lesen auch nicht alles…
    Zwei Sachen aber: Einmal ist gerade die Betonung des Handwerklichen z.B. in den USA weitaus stärker ausgeprägt als bei uns. Das ist dann nicht unbedingt besserer Krimi, aber cleverer ist es allemal. Natürlich bleibt uns die Zurkenntnisnahme des Schrottigen mangels Übersetzungen erspart, aber selbst wenn ich den einheimischen Pfusch auch abziehe, muss ich konstatieren, dass in den USA (jetzt verhältnismäßig zur Einwohnerzahl) immer noch bedeutend solider gearbeitet wird. Was wohl auch was mit Selbstverständnis (Schreiben KANN man bis zu einem gewissen Grad nämlich wirklich lernen)zu tun hat.
    Und zweitens: Doch. Das meiste, was hierzulande an Deutschkrimi über die Theke geht, ist bestenfalls belanglos, schlimmstenfalls Schrott. Ich versuche hier, mir nicht immer die Rosinen rauszupicken, ich lese auch mal „Regionalkrimis“, finde darunter wirklich passable, sage das hier auch, aber der Trash überwiegt. Man ist dann schon froh, wenn einem beim Lesen nicht das Sprachempfinden durch die Speiseröhre nach oben eruptiert. Was die Diamanten anbetrifft: Da ist es nun geradezu Kritikerpflicht, sie immer wieder zu loben. Dito die einfach nur handwerklich guten Sachen, das, was „nur unterhält“ und damit genau das macht, was es sich vorgenommen hat. Prima. Wird auch gelobt.
    Ach ja, noch was zu Schwedenkrimis. Deren in der Tat penetrantes Muster erkenne ich mittlerweile in mindestens jedem zweiten deutschen Krimi, der mir vor die Augen kommt. So gesehen sind nicht nur LeserInnen manchmal voreingenommen, AutorInnen auch.

    bye
    dpr

  37. Kennt jemand das Buch „Der Schachautomat“ von Robert Löhr ? Ein Deutscher Export, der in den USA vom strengen Kirkus Review eine sehr gute Kritik bekommen hat.

    Wenn man die Suchmaschine bemüht, meint man zu sehen, dass dieses Buch wieder kollektiv an der arrivierten Kritikerschaft vorbei gesegelt ist.

    @dpr Piper und Du ? Zwei fremde Welten, oder ? Jedoch AP ? Du zwei Kopien ! Nicht Piper ?

    Beste Grüße

    bernd

  38. Je nun, Bernd, das ist ja nu ne olle Geschichte mti dem Schachautomaten. Ist mir leider nicht unter die Augen gekommen, denn die Beziehung Piper – dpr ist fast so kompliziert wie die Anobella – dpr —naja, nicht ganz, jetzt nicht übertreiben.

    bye
    dpr

  39. Wobei das mit dem Kritiker, der lieber verreißt als lobt, ein altes Vorurteil von Autoren ist. Meistens von Autoren, die so schlecht schreiben, dass man sie verreißen muss.

    Ich lobe viel lieber als dass ich verreiße, siehe meine Kritik zu Paprotta. Ach ist das schön, wenn man sich so richtig austoben darf, weil da eine Autorin mal wunderbar schreibt und man sich vor lauter Begeisterung fast nicht mehr einkriegt (eingefangen wird, ehe man am Horizont laut jauchzend verschwindet). Leider ist so ein Erlebnis allzu selten.

    Aber das bequeme Vorurteil scheint in vielen Köpfen zu sein. Macht mal die Augen auf und ihr werdet merken, dass es nicht stimmt. Beispiele gibt es genug.

  40. das glaube ich auch. die kritiker, die verreißen, sind meistens vom neuesten werk eines autors enttäuschte kritiker. deswegen hat MRR so einen wutanfall bei grass gekriegt. oder greiner ist sehr genervt von handke … oder …

  41. Die Macht der Kritik, lieber Georg, wird auch nicht unbedingt daran erkenntlich, dass jemand zerrissen wird. „Schlimmer als Hass ist die Verachtung“

    Bei Autoren schreibt man gerne, die hätten etwas riskiert; bei Kritikern habe ich manchmal das Gefühl, dass man so ein Lese- und Schreibrisiko nur selten beobachten kann. Die [ist ja nun nicht gerade eine homogene Gruppe] orientieren sich auch eher an (ihnen) bekannteren Autoren. Man kann das ja ein wenig bei den Alligatorpapieren beobachten, wie sie kollektiv zu einzelnen Büchern pilgern. So kommt es dann, dass das erste übersetzte Buch eines Autors wie Deon Meyer total runterfällt und das zweite dann bis zum dkp steigt.

    Beste Grüße

    bernd

  42. Zu diesem Thema gibt es morgen ein paar statistische Überlegungen eines wtd-Rezensenten. Das Ergebnis dürfte für einige Leute überraschend sein…

    bye
    dpr

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