Neues für die Wortschatztruhe

Auch Kriminalromane leben vom Wortschatz ihrer Macherinnen und Macher. Nun ja, wird man sagen, die deutsche Sprache ist reichhaltig genug, da findet ein jeder was er braucht. Das ist richtig. Dennoch kann es nie schaden, von Zeit zu Zeit neue krimispezifische Wörter zu kreieren. Wir beginnen mit vier davon, denen gemeinsam ist, dass sie garantiert bei jeder Google-Suche zu 0 Treffern führen. Bis jetzt…

In der einschlägigen Literatur ist der Massenmörder natürlich massenweise vertreten. Was aber ist mit dem Masselmörder? Fehlanzeige! Abgeleitet vom jüdischen Massel = Glück steht der Masselmörder für einen Täter, der beim Vollbringen seines Werks Schwein gehabt hat. Man stelle sich etwa vor, der Mörder erdolcht sein Opfer in einer vollbesetzten Straßenbahn, mit der gerade die 3. Mordkommission Gütersloh einen Betriebsausflug unternimmt. Und von der Tat nichts bemerkt, ja, vielleicht dem Killer noch beim Abwischen der Tatwaffe („Gebm Se ma her – hassn Papiertaschentuch, Horst?“) behilflich ist. Dann reden wir mit Fug und Recht von einem Masselmörder, der mehr Glück als Verstand gehabt hat.

Mit dem Massenmörder verwandt ist der Serienmörder. Während jedoch ersterer sich mit dem Werfen einer Handgranate ins vollbesetzte Lehrerzimmer begnügen mag, sucht sich letzterer seine Opfer gezielt aus, z.B. nur brünette 34jährige medizinisch-technische Angestellte aus Wolfratshausen im schönen Bayernland. Man kennt ihn also, den Serienmörder, doch was ist mit dem phonetisch verwandten Sirenenmörder? Er wird immer dann aktiv, wenn irgendwo eine Sirene heult – bevorzugt in der Nacht und meistens ist es falscher Alarm. Das bringt den Sirenenmörder völlig an den Rand der Verzweiflung, der blanken Wut – und er sucht sich das nächstbeste Opfer (meistens die neben ihm ruhende Ehefrau).

Nach diesen beiden Wortneuschöpfungen aus dem Bereich der Tätertypologie drängt sich eine weitere auf, diesmal eher polizeibezogen. Über den Ermittler braucht hier kein weiteres Wort verloren zu werden, er schlappt praktisch durch jedes Werk der Kriminalliteratur, ob man ihn nun braucht oder nicht. Was aber ist mit dem Eremitler? Er arbeitet als lonely wolf, ist 100 % teamunfähig und auch privat eher mit one-night-stands zufrieden, Hauptsache, keine Frau knallt ihre Zahnbürste auf die Ablage unter den Badezimmerspiegel. Man muss zugeben, dass diese auch sprachlich vorgenommene Differenzierung die deutsche Kriminalliteratur nur bereichern kann.

Ein letztes Neuwort sei für das weite Feld der Kriminalpsychologie beigesteuert. Dort tummeln sich seit geraumer Zeit sogenannte Profiler (sprich: Profeiler), die sich an Vorab-Charakterisierungen des Mörders versuchen. Ein Contrafiler hingegen ist bis dato in der Kriminalliteratur weitgehend umbekannt. Sehr zu Unrecht. Während sich der Profiler ein Bild von der Tatperson macht, entwirft der Contrafiler Bilder all der Personen, die garantiert NICHT für die Tat in Frage kommen. Säuglinge beispielsweise. Oder 97jährige Greise, wenn bekannt ist, dass der Täter sein Opfer mit einem 100 Kilo schweren Hammer nach drei hintereinander vollzogenen Geschlechtsakten ins Jenseits befördert hat. Eine delikate Konstallation, konfliktgeladen by nature, könnte man sagen, denn Pro- und Contrafiler stehen natürlich schon rein namenstechnisch in Konkurrenz zueinander und können sich nicht riechen (Variante: Profiler weiblich, Contrafiler männlich, am Ende kriegen sie sich).

Es bleibt zu hoffen, dass sich die deutschen Krimischaffenden der neuen Wörter fleißig bedienen und so ihren Werken jenen dringend notwendigen Pepp verleihen, den es braucht, wenn der Plot etwas dünn, die allgemeine Sprachbeherrschung miserabel und die Fähigkeit zur Personenzeichnung kaum vorhanden ist.

dpr
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Neologie und Nekrophilie der Universität des Saarlandes

7 Gedanken zu „Neues für die Wortschatztruhe“

  1. Ich bin ziemlich sicher, dass du was genommen hast, als du das geschrieben hast … *besorgt

    Aber ich nehme die 3. Mordkommission Gütersloh beim Betriebsausflug … großartig.

  2. Übrigens sieht man an „Hassn Taschentuch, Horst?“, wieviel SPRACHGEFÜHL die SPRACHVERROHUNG hat. Natürlich nur die gelungene, sie muss g e z i e l t eingesetzt werden …
    DPR? Kannst du mal in der Crime School drauf eingehen …?

    *Schätzchen? Ich arbeite in der Kalimine in Sarreguemines. Ich hab keinen NERV mehr für die Crime School!

  3. Da bringen wir jetzt aber einiges durcheinander, verehrtes Fräuleinchen. Von SPRACHVERROHUNG war die Rede, nicht von Dialekt oder Umgangssprache. Sprachverrohung ist z.B. „Ich liebe dich weil ich habe nur dich.“ Oder: „Er hat IN 2007 schon drei Krimis gelesen.“ Das wäre dann die Sparte falsches Deutsch. Oder: „Er dachte still für sich.“ Wie sonst? Laut für sich? Das nennt man gemeinhin sprechen. Und für andere kann man auch nicht denken, immer nur für sich…Viele weitere Beispiele, frag Dschordsch…

    bye
    dpr

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