Wolfgang Brenner: Bollinger und die Barbaren

Wolfgang Brenners Felix Bollinger ist endlich Serienheld. Das tut manchmal gar nicht gut, wenn aus einem durchaus →gelungenen Krimi eine „Reihe“ wird. Man kennt das: Viel Redundanz, ein sich mehr und mehr aufblähendes Privatleben des Protagonisten oder, au contraire, zwanghaft einmontierte „Abwechslung“.

Man beginnt Bollingers Kampf mit den Barbaren also nicht ohne Befürchtungen zu lesen…
Bollinger, der Kommissar aus Saarbrücken, hat sich als Leiter der Polizeistation im französischen Ort Schauren eingelebt. Na ja, halbwegs. Noch immer wohnt er beim tricksenden Bürgermeister zur Untermiete und schläft schon mal bei Gelegenheit im Bett der Bürgermeistersfrau. Aus diesem reißen ihn unsanft nächtliche Sirenentöne: In den maroden Gemäuern auf dem Wackesberg brennt es! Schlimmer noch: Ein Toter hängt in den Ruinen, eine Kugel im Kopf. Und noch viel schlimmer: Ausgerechnet jetzt kann der Bürgermeister kenen Trubel um den Wackesberg gebrauchen, soll doch dort ein großes Musicaltheater entstehen und der Gemeinde ewigen Reichtum bringen…

Ins Visier des Polizisten geraten gleich die üblichen Verdächtigen: die Hagenaus – Vater und zwei Söhne -, renitente und gewohnheitsmäßig alkoholisierte Außenseiter im Dorf, zudem erbitterte Gegner des Theaterbaus. Eine junge hübsche Polin haben diese „Barbaren“ offensichtlich auch in ihrer Gewalt – noch ein Grund für Bollinger, den Burschen das Handwerk zu legen, denn er verliebt sich in die Polin, obwohl er eigentlich schon in die Bürgermeistersgattin verliebt ist. Aber so ist nun mal der saarländische Mann: wenigstens zwei Frauen sollten es schon sein.

In Ordnung; anfangs hat mich Bollingers turbulentes Liebesleben schon gestört. Zumal auch dieses zweite seiner Abenteuer nichts weniger als rasant daherkommt und sich kein genrebekanntes Ermitteln entfaltet. Das Redundante hält sich im Rahmen (was nicht heißt, dass hier nicht mehr zu feilen wäre). Halt ein recht gemütlich-bizarres Hin-und-her mit knorrigen Kerlen, dubiosen Impresarios und stinkefaulen französischen Polizisten, denen man die Sitze aus dem Auto klaut, das alles in den Bollingerschen Hormoncocktail gemixt, nett zu lesen, aber… aber dann. Tut sich der Abgrund auf. Ganz langsam, man merkt es kaum, ein gestohlenes und dann doch nicht gestohlenes Telefon von Marschall Pétain ist der erste Hinweis, und plötzlich ist man mitten drin in deutsch-französischer Geschichte.

Also doch wieder alles gut und schön? Ja. Bollingers Geschichten stehen recht eigen in der deutschen Krimilandschaft. Gemessen an den Blut-Schweiß-und-Tränen-Fluten gängiger Kost rinnsalen sie so dahin, um schließlich wie ein Wasserfall in die Tiefe zu stürzen. Nicht niagaramäßig, das nicht, aber dafür umso überraschender. Nur den finalen Gag hätte sich Wolfgang Brenner sparen können, solche Surprisen hat er gar nicht nötig. Also hören Sie vor dem letzten Satz auf zu lesen. Auch wenns schwerfällt.

Wolfgang Brenner: Bollinger und die Barbaren. 
Dtv 2008. 240 Seiten. 12,50 €

4 Gedanken zu „Wolfgang Brenner: Bollinger und die Barbaren“

  1. Als Saarländer, der über den grenzüberschreitenden Krimi eines Saarländers schreibt, MUSS ich gewisse Gallizismen einarbeiten! Außerdem gehört au contraire durchaus zu meinem Wortschatz. Ob aber der Kurpfälzer Wörtche au contraire in einer Rezi über einen Ami Französisch daherreden darf, wo er schon sapienti sat sagt, das sei dahingestellt. Auf den Prozess jedenfalls bin ich jetzt schon gespannt!

    bye
    dpr

  2. Nur für dich, lieber Dschordsch. Tust dem Burschen mal sprachlich was Gutes, hab ich mir gedacht. Aber nicht in deine nächste Rezi übernehmen! Fräulein Ano“Argusauge“bella merkt alles!

    bye
    dpr

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