Ken Bruen: Priest

„Priest“ ist vermutlich das bisher beste Buch der Jack Taylor Serie von Ken Bruen. Nicht nur, dass Taylors Geschichte, die immer auch als Leinwand dient, auf der sich die einzelnen Episoden abspielen, nahtlos ans Vorgängerbuch anschließt und dessen Geschichte logisch fortentwickelt, sondern die Geschichte, die Priest erzählt, ist, wenn auch nicht besonders komplex, so doch vom Detektivischen her stimmig.
Schon der Anfang des Buches enthält im Kern all das, was an Themen wieder vorkommen wird und ist darüber hinaus berührend, witzig und flott, wie es nur wenige erste Szenen sind. Taylor hat es nach den Erlebnisssen des letzten Bandes erwischt: Fünf Monate lang verbringt er in der Irrenanstalt und lebt in einem Stupor, aufrechterhalten im Zweifel auch durch Psychopharmaka, ohne Kontakt und Erinnerung, bis dann einem Mitinsassen die passende Ansprache gelingt.

Die innere Leere und Zerstörung Taylors ist immens. Müde und ausgebrannt kommt er aus der Anstalt nach Hause und gerät schneller wieder unter Druck, als ihm gut tun kann. Ridge, die ihn abholt, Tochter eines alten (natürlich verstorbenen) Freundes und selber bei der Polizei, entdeckt einen Stalker, der sie verfolgt und bittet Taylor um Hilfe. Gleichzeitig bittet ihn Malachy, gehasster Priester und ehemaliger Vertrauter von Taylors verstorbener und gehasster Mutter, den Tod eines dekapitierten Priester zu untersuchen. Und dann ist da noch ein alter Freund, der abgestürzte und verschwand, nachdem seine kleine Tochter verstorben war.

Bei all dem wechselt Taylors Gemüts- wie Geisteszustand häufig. Momente von Klarheit und fast Heiterkeit wechseln mit rabenschwarzen Empfindungen, bei denen Taylor der nächsten Kneipe schnurstracks zusteuert und man als Leser die Guinness oder sonst welche Reklame für Alkoholika verdammt, weil sie Taylor auf die Idee bringen, die Alkoholabstinenz zu beenden. Lichtblick seines Lebens ist Cody, ein junger Mann, der sich an ihn ‚ran schmeißt, mit ihm eine gemeinsame Detektei aufziehen möchte und für den Taylor fast väterliche Gefühle hegt.

Das Leben, eine Achterbahn also; die Aufgaben lösbar, sind sie doch Folgen emotionaler Zustände, die Taylor nur zu vertraut sind. Das Ganze bruchlos miteinander verknüpft und erzählt, so poetisch und witzig, dass man weinen möchte. Wie immer bei Bruen verankert in der Popkultur und klug beobachtet. Darüberhinaus beschäftigt Bruen, Taylor und den Leser der Einbruch der US-amerikanischen Kultur in den irischen Sprach- und Gesellschaftraum. Kaum eine Seite vergeht, auf der Taylor nicht von einem Beispiel des Bedürfnisses der Iren berichten kann, sich in der amerikanischen Kultur zu verlieren.

Wenn man denn möchte, könnte man aber auch feststellen, dass „Priest“ ein Buch über den Fluch der bösen Taten ist. Nichts, so zeigt es, währt länger als das Gedächtnis einer Verletzung.

Ken Bruen: Priest. 
St. Martin Minotaur 2008. 304 Seiten. 9,99 €
(noch keine deutsche Übersetzung)

2 Gedanken zu „Ken Bruen: Priest“

  1. Ja, lieber JL, in der Tat und zwar nicht „fast kopflos“, sondern komplett enthauptet. Im semiheidnischen München wird Ihnen die enge Bindung mancher Gemeinden zu ihren Pfarrern nicht so bewusst sein … der Begriff des Priesters passt zu der Rolle die Bruen dem Herrn zuwies.

    Beste Grüße

    bernd

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