Morgen tagt der Kritikerstammtisch

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Morgen werden hier sechs RezensentInnen Robert Littells „Die Söhne Abrahams“ besprechen. Für den Organisator des Ganzen, moi, keine leichte Aufgabe, die mit dem Hineinkopieren der fertigen Texte abgetan wäre. Die Idee etwa, alles in einem Blogeintrag zur Verfügung zu stellen, wurde wegen der zu erwartenden längeren Ladezeiten verworfen. Es gibt zwei Einträge mit jeweils drei Rezensionen. Aber ein anderer Punkt ist problematischer.

Sechs Buchbesprechungen, das sind auch: sechs Inhaltsangaben. In einem ersten Reflex habe ich mir überlegt, den Ausführungen eine „neutrale“ Wiedergabe wichtiger Handlungsteile voranzustellen und die RezensentInnen zu bitten, sich dafür bei inhaltlichen Informationen auf das für ihre Beweisführung Notwendige zu beschränken. Nur: Was ist das Wesentliche? Jede Besprechung fasst den Inhalt anders zusammen, setzt eigene Schwerpunkte. Das Gerüst bleibt sich gleich, aber die Verbindung von Inhalt und Kritik ist bei allen verschieden. Deshalb kann den LeserInnen die Notwendigkeit, sechsmal den Inhalt von „Die Söhne Abrahams“ zur Kenntnis nehmen zu müssen, nicht erspart werden.

Wer nun glaubt, bei einem solch geschätzten und mit Preisen gewürdigten Autor wie Robert Littell herrsche durch die Bank eitel kritischer Sonnenschein, der wird sich enttäuscht sehen. „Die Söhne Abrahams“ steht momentan auf Platz 1 der KrimiWelt-Bestenliste, sollte also allenthalben als makelloses Meisterwerk gelobt werden. Nun, dem ist nicht so. Zwar gibt es nur EINEN wirklichen Verriss, doch auch die Wohlwollenderen unter den RezensentInnen entdecken hier und da Schwächen.

Dieser erster Kritikerstammtisch ist ein Experiment, das sich nicht auf den ersten Blick erklärt. Könnte man nicht einfach die bereits vorhandenen Rezensionen zu Littells Buch per Linkverweis bereitstellen? Muss man das Ganze so gebündelt präsentieren?

Nun, es gibt einige Besonderheiten bei diesem Kritikerstammtisch und sie sollten bei möglichen weiteren auch beibehalten werden. Die RezensentInnen WUSSTEN, dass sie Teil eines Ganzen sein würden, das zwar kein RezensionsWETTBEWERB sein soll, aber durch die direkten Möglichkeiten des Vergleichs anders rezipiert werden dürfte als eine Soloveröffentlichung. Außerdem: Einige der StammtischgenossInnen haben sich bereit erklärt, Littells Buch zu lesen und zu beurteilen, weil es nun einmal eben ausgewählt wurde – nicht unbedingt, weil es sie es auf jeden Fall lesen und beurteilen wollten. Und dieses noch: Es handelt sich bei den Sechsen nicht durch die Bank um typische RezensentInnen. Einige besprechen Krimis gewohnheitsmäßig, andere nur ausnahmsweise.

Einer zweiten Tagung des Kritikerstammtischs steht also nichts im Wege. Doch dazu später mehr. Jetzt warten wir auf die Rezensionen (morgen), die natürlich sofort kommentiert werden können, und versuchen (übermorgen) das Ganze kurz zusammenzufassen, um eine Diskussion auf dieser Grundlage zu beginnen.

12 Gedanken zu „Morgen tagt der Kritikerstammtisch“

  1. Georg? Wie kommst du denn auf DIE Idee?! Der schöngeistige, feingliedrige Ästhet, dieser feinzisilierte Karlsruher Intellekt? Vorsitzender des Robert-Littell-Fanclubs? Der Hooligan der Littell-Verehrung? Nie und nimmer…

    bye
    dpr

  2. Georg M. Patzer?

    * kringelt sich
    ** kennt jemanden, die sich über Mauthnern magistriert hat
    *** hält bei der Wette nicht dagegen

  3. Wenn man es etwas experimenteller versuchte, dann könnte man es sich in der Art eines Serienbriefes vorstellen, in dem jeder in Kenntnis des vorangegangenen Textes einen Absatz schreibt.

    Dabei dürfen Absätze auch ‚reingeschoben werden und der Text geht solange ‚rum, bis keiner mehr etwa anzufügen hat.

    Das setzt allerdings offene und meinungsstarke Rezensenten voraus, denn das Ganze nimmt ja erst dann Fahrt auf, wenn ein kontroverser Absatz auftaucht.

    Und ob es noch für sechs Leute funktionierte, weiß ich auch nicht.

  4. Hallo dpr,

    hab dir gerade meine Rezension per email geschickt. Spät, aber wie gewünscht praktisch ohne jede Inhaltsangabe!

    thomas

  5. Prima, Thomas! Wird gleich „eingepflegt“, wie wir in der IT-Branche sagen.
    Hm, interessant, die Knörer-Ansicht. Georg wird sie NICHT gefallen…
    Und sollen wir wirklich ein solches Experiment wagen? Kettenbrief? Ist das nicht verboten? Ach so: Serienbrief. Mit Word kann ich das. Mal überlegen…

    bye
    dpr

  6. >>die Knörer-Ansicht
    … ist aber die eines Rezensenten, der merkwürdig stehen geblieben ist, irgendwo in wackeren, vorgestrigen Denkweisen, und so gar nicht begreifen kann, welche Pirouetten die literarische Moderne wirklich dreht. Was die „ernste“ Literatur betrifft, wäre Frau Löffler noch ein besseres Beispiel, aber die gehört ja nicht hierher.

  7. Au, jetzt stecken wir aber tief in der Metakritik! Ich bins ja schon zufrieden, wenn ein Rezensent nicht das Fehlen von Highsmith’schen Suspense-Kriterien moniert… Aber nee, ernsthaft: Ich weiß immer weniger, was „literarische Moderne“ ist. Ehrlich. Es gibt ein paar Sachen, die inzwischen 100 – 200 Jahre alt sind und dennoch so „modern“, dass mir manch Heutiges hoffnungslos alt vorkommt. Das meiste eigentlich, auch in der Kriminalliteratur übrigens. Ein unerschöpfliches Thema, auch was den Standpunkt des Kritikers anbetrifft. Wir bleiben dran.

    bye
    dpr

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