Live! Blogging!

Auch Hinternet hechelt dem neuesten Trend hinterher: Liveblogging! Deshalb exklusiv von den Blieskasteler „Tagen des expliziten Krimis“ unser Korrespondent dpr, der sich von der traditionellen „Krimi-Frühstückslesung“ in der Schalterhalle der Kreissparkasse Saarpfalz meldet. Dpr? Hallo? Dpr, hören Sie mich?
— sprotzknisterknirschwürg— Ja? Bin ich auf Sendung? Moment, ich muss noch dieses USB-Kabel in die dafür vorgesehene… jetzt besser? Prima!

Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren an den Laptops! Ich befinde mich hier in der vollbesetzten Schalterhalle der KSK Saarpfalz, wo – nun, ich würde sagen: 20 Krimifans um 18 Stühle kämpfen, die —

AUA! Nein, nein, war meine Schuld, gnädige Frau, ich hätte die Füße anziehen sollen…. der Stuhl ist noch frei, ja.

Wir alle erwarten in wenigen Minuten den Beginn einer Lesung mit der Berliner Krimischaffenden Pieke Biermann, bestens bekannt als Autorin solcher Knüller wie …äh…

Nein, nicht WOLF Biermann, gnädige Frau… genau, seine Schwester. Zur Gitarre? Ich glaube nicht… Doch, sie hat wohl „Sind so kleine Hände“ gesungen.

Die „Tage des expliziten Krimis“, die noch bis zum Sonntag andauern, haben übrigens gestern mit einem kleinen Skandal begonnen, als der mit Spannung erwartete Lokalmatador aus seinem noch unveröffentlichten neuen Roman „Arme Leute“ las und gleich mit dem Satz „Ihr seid so dumm wie Strontium“ begann. Ein zufällig anwesender Chemiker bestätigte auf empörte Nachfrage des Publikums, Strontium sei tatsächlich das dümmste der chemischen Elemente, so dass —

Bachmann? Entschuldigung, gnädige Frau, wie kommen Sie… ach so. Nein, nein. Pieke Biermann hat beim Bachmann-Wettbewerb gewonnen. BIER – BACH, ja, das kann man schon mal verwechseln. Richtig. Der nächste Ort von hier heißt BIERBACH. Ja, das ist lustig. Pieke Biermann hat in Bierbach den Bachmannpreis gewonnen, ha, ha! Sie scherzen! – Nein, nein, war in Klagenfurt. Ehrlich. Frau Bachmann ist, glaub ich, tot. Ja, schrecklich. Aber sie war ja schon ziemlich alt.

Für den Auftritt Pieke Biermanns erwarten wir solche Tumulte indes nicht, denn —

Mensch, hallo Gertrud! Lange nicht mehr gesehen! Du auch hier? Langeweile? Ach so, dein Mann ist mal wieder auf Montage… Bis übermorgen? Is ja interessant. Wohnt du immer noch in der Kardinal-Wendel-Straße?

Frau Biermann hat angekündigt, aus ihrem neuen Roman zu lesen, eine Sammlung gruseliger Geschichten, in denen doch mit einem Augenzwinkern über das Menschliche und Allzumenschliche erzählt wird. —

Natürlich darf ich hier rauchen, gnädige Frau! Passen Sie mal auf, wenn Frau Biermann… als erstes dreht die sich eine… Aschenbecher steht schon auf dem Tischchen da vorn auf dem Podium.

Danach wird die Autorin natürlich bei Kaffee und Bockwürstchen Rede und Antwort stehen sowie ihre Bücher signieren, falls jemand welche mitgebra —

„Es knallt in Berlin“? Das Buch heißt, glaub ich, irgendwas mit „Der Asphalt über Berlin“. Genau, gnädige Frau. Wie der Film von Wim Wenders. Nein, ich weiß nicht, ob sie mit dem mal verheiratet war.

Ah… da vorne bewegt sich was… Ich glaube, die Veranstaltung wird in wenigen Augenblicken —

Werner? Bist du das? Tatsächlich! Werner! Seit wann liest du denn Krimis? Ach so, du hörst sie. Immer auf Achse als Pharmareferent, was? – Ach ja, die 2000 Euro. Nee, hab ich nicht vergessen, Werner. Denk ich pausenlos dran. Du musst dem Werner endlich die 2000Euro zurück… Im Moment bisschen schwierig, Werner. Aber nächste Woche gibt’s Tantiemen… doch, doch, sofort. Willst du in bar oder aufs Konto… Ja, wir sehen uns später noch. Ganz bestimmt.

Jetzt betritt die Frau von der Sparkasse das Podium. Die Krimiinteressierten und Krimiinteressiertinnen verstummen schlagartig. Sie räuspert sich. Hinter ihr betritt jetzt Pieke Biermann das Podium. Sie räuspert sich auch. Aber als Erste sagt die Frau von der Sparkasse etwas, weil sie sich auch als Erste geräuspert hat. Pieke Biermann, sagt die Frau von der Sparkasse, das ist für die Krimiwelt das, was Donna Leon für den Fremdenverkehrsverband von Venedig ist. Ein Glücksfall nämlich. Und das, sagt die Frau von der Sparkasse weiter, kommt auch in ihren Büchern zum Ausdruck – sie sucht in den Taschen ihres geschmackvollen grauen Hosenanzugs und zieht einen Zettel heraus, liest ab – aber jetzt muss unbedingt gesagt werden, dass ohne die großzügige Unterstützung des Schäferhundeclubs Lautzkirchen diese Veranstaltung im Rahmen der „Tage des expliziten Krimis“ nicht zustande gekommen wäre – und in der ersten Reihe fängt einer an zu bellen, das, sagt die Dame von der Sparkasse, ist Herr Winfried Nemmich, der erste Vorsitzende des Schäferhundeclubs, und vielleicht ein kleiner Applaus für Herrn Winfried Nemmich, den ersten Vorsitzenden des Schäferhundeclubs, ohne den diese Veranstaltung im Rahmen der „Tage des expliziten Krimis“ nicht zustande gekommen wäre, und ob Herr Winfried Nemmich vom Schäferhundeclub Lautzkirchen vielleicht mal aufstehen könnte, damit man ihn sieht, ja, danke, Herr Winfried Nemmich, danke dafür, dass der Schäferhundeclub Lautzkirchen diese Veranstaltung im Rahmen der „Tage des expliziten Krimis“ erst möglich gemacht hat – und außerdem liegen vorne am Schalter sehr informative Broschüren zum Immobilieninvestment bereit, ein kriminell sicheres Produkt, das man zumal in unseren Zeiten doch in Betracht ziehen soll, sagt die Dame von der Sparkasse und dann: Jetzt liest Frau Biermann aus ihrem Roman „Die Einfalt von Berlin“, und zwar die Geschichte mit Pinkas, dem politischen Polizeihund. Und — scheiße, der Akku ist so gut wie leer, aber wieso denn? Der war vor einer halben Stunde doch noch voll… scheiße, schei…

6 Gedanken zu „Live! Blogging!“

  1. Endlich ein authentischer Lesungsreport! Danke, wtdpr! Nur zwei winzige Korrekturen: Mein seinerzeitiger Gitarren-Hit hieß „Sind so kleine Gagen“, und es war nicht der Schäferhundeclub Lautzkirchen, sondern der Verein zur Rettung der Tempelhofer Runway-Wildcats aus nämlicher preußischen Kleinstadt. Aber sonst – 1 A! Und topp für die Sonderausschüttung der VGWort!
    Huldigst – die Krimischaffende aus dem Tempelhofer Randbezirk.

  2. Also ich war ja auch eingeladen, sollte extra fürs Liveblogging nach Blieskastel einfliegen. Doch dann wurde die Eröffnungsveranstaltung mit einem gewissen D.P. Rudolph kurzfristig abgesagt. Angeblich seien nur zwei Eintrittskarten verkauft worden, eine nach Wiesbaden, eine nach Karlsruhe.

    Herzlichste Grüße – live aus dem Straßenbahnring
    Ludger

  3. Danke, Pieke! Und sorry für die beiden Fehlerchen. Kann passieren! Is doch alles LIVE, sagte der Schimpanse, nachdem er Frau Tarzan die Perücke vom Kopf gezogen hatte (die Älteren unter uns erinnern sich…). – Nein, Ludger, du erzählst die Geschichte wie immer falsch. ALLE Karten waren verkauft – und wurden zurückgegeben, als bekannt wurde, dass DU dabeisein würdest. Nur die Fans aus Wiesbaden und Karlsruhe konnten nicht mehr rechtzeitig benachrichtigt werden.

    bye
    wtdpr

  4. Ja, DAS war eine tolle Lesung. Den Rest mit Frau Bierbach aus Butzberg oder so habe ich vor lauter Glückstaumel nicht mehr mitbekommen. Kann man das irgendwo podcasten?

    * kennt sich aus
    ** scheut keine Wege, um ein MEISTERWERK zu hören

  5. Nein, leider nicht. Es hat ein paar kleine technische Probleme gegeben. Aber die Lesung war natürlich Weltklasse. Wie Pinkas, der politische Polizeihund, die lange gesuchte linksradikale Dackeldame Dagmar aufspürt und jetzt vor der schicksalhaftesten Entscheidung steht, seit es Schappi gibt: Soll er Dagmar den Behörden übergeben oder doch lieber einen netten Wurf Mischlinge mit ihr zeugen? – Wer Pieke Biermann kennt, weiß, wie’s endet.

    bye
    dpr

  6. by the way: Wann gibt es endlich Deine erste Krimilesung aus „Menschenfreunde“? Ich würde auch live davon bloggen…

    Ludger
    *auf Draht

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