Die politisch korrekten Krimi-12

Während sich die Kollegen →Bernd K. und →Thomas K. in England einschneien lassen, um quasi isoliert von den Niederungen des Daseins selbstversunken in der Faszination Krimi zu schwelgen, während sie dabei politisch völlig unkorrekt (kaum Frauen, kaum deutschsprachige AutorInnen – Feme, was zögerst du?!) zu Werke gehen, wandelt wtd auf anderen, löblicheren Wegen.

Die folgende Liste ist politisch vierfach korrekt. Sie berücksichtigt ausschließlich Titel mit politisch-gesellschaftlicher Relevanz, stellt sechs deutschsprachige neben sechs fremdsprachige Titel, nennt jeweils sechs Werke noch lebender resp. bereits verstorbener AutorInnen und hält sich natürlich strikt an die Frauenquote (d.h. mehr noch: da die Frauen weltweit in der Überzahl sind, erhalten sie in Person von Maj Sjöwall noch einen halben Männerplatz). Die genannten Titel dienen als Eckpfeiler für die realitätstaugliche, gesellschaftskritische Dimension des Genres.

Voilà, die Liste, alphabetisch geordnet und knapp kommentiert:

Margery Allingham: Tödliche Fracht
(die einzige der Golden Agers, die einen wachen Blick für die Realien hatte)

Pieke Biermann: Vier, Fünf, Sechs
(sorry, ich hab wirklich versucht, Pieke nicht zu erwähnen; ist aber nicht gelungen. Man hätte auch ein, zwei, drei andere ihrer Romane nennen können.)

Didier Daeninckx: Bei Erinnerung Mord
(politisch, parteiisch, anarchisch, erhellend: vive le Noir!)

Friedrich Glauser: Matto regiert
(die Gesellschaftsdummheit aus der Perspektive der Kleinen, der Verlierer)

Uta-Maria Heim: Das Rattenprinzip / Wespennest
(stark schon das Debüt von 1991, 2009 im „Wespennest“ werden seine provinzpossigen Enden global verknüpft, ohne die Imagination zu strangulieren)

Emilie Heinrichs: Leibrenten
(dito; außerdem: blankes product placement)

Fernando Molica: Krieg in Mirandão
(Verbrechen als Kollateralschaden der Armut)

Sara Paretski: Blacklist
(sehr konkret, sehr tough, sehr amerikanisch)

Helga Riedel: Einer muss tot
(zeigt, was aus dem Soziokrimi hätte werden können)

Sjöwall / Wahlöö: Die Terroristen
(kein Kommentar; die Klassiker schlechthin)

J.D.H. Temme: Der Studentenmord in Zürich
(true crime aus dem 19. Jahrhundert, ein Blick in die Schweizer Emigrantenszene und ihren Intrigantenstadel)

Ross Thomas: Am Rand der Welt
(kultivierter, ironischer und gnadenloser hat keiner die Mechanismen der Macht beschrieben)

18 Gedanken zu „Die politisch korrekten Krimi-12“

  1. Lieber dpr,

    ist es nicht schön zu wissen, dass Anobella getreulich jede Deiner Aussagen weiter trägt … Deine Aussage, dass nur Deine Liste pc sei zum Beispiel.

    Also, Gedanken um pc habe ich mir auch gemacht. In einer dreidimensionalen Welt gibt es da vermutlich mehr als eine Möglichkeit, es „falsch“ zu machen.

    Vier Frauen ist zum Beispiel ist statistisch gar nicht so schlecht (Donna Moore als Gastbloggerin bei Uriah Robinson kommt auf beeindruckende 0 von 11 3/3) und eine Afroamerikanerin habe ich auch zu bieten.

    Beste Grüße

    bernd

  2. Wo habe ich geschrieben, das nur dprs liste pc ist?

    Bitte exakte Quelle und Link reinlegen.

    Und die Agatha-Christie-Filme sind hübsch. Bei den Büchern komme ich keine 3 Seiten weit. Ich wüsste nicht, was das mit der Krimicouch zu tun hat.

    (Link reinlegen nicht nötig)

  3. Ich muss zugeben, dass es mich gelegentlich irritiert, dass einige Nutzer der Couch so tun, als könnten sie AC et al. mit heutigen Augen bewerten. D.h. man/frau kann es natürlich machen, aber ich halte für eine ahistorische Betrachtungsweise.

    Meine heutige Lektüre ist ja nun einigermaßen weit weg von Christie und ihr Stil mag ein wenig hausbacken wirken, aber deshalb ist sie doch nicht schlecht.

    Was das andere betrifft, lässt sich die unkommentierte Weitergabe von dpr-Aussage als Zustimmung deuten.

  4. Sag mal, Bernd, normalerweise schätze ich dich ja für deine differenzierte Betrachtungsweise und dass du dir keinen Schmarrn ausdenkst. Nochmal – 1) was hab ich mit der Krimicouch zu tun, 2) wo steht bei mir, dass NUR dprs Liste pc sei und 3) warum überlässt du es nicht mir, wenn ich Agatha Christie schlecht geschrieben finde? Als Vierzehnjährige hab ich alle Bücher von ihr gelesen, die im Regal standen, auch Edgar Wallace, Victor Gunn, REX STOUT etc. Alles hat seine Zeit. Jetzt ist sie für mich unlesbar und das wird auch so bleiben. Es ist mir schleierhaft, warum du ein Thema draus machst.

  5. Leider bin ich am fünften Kriterium politischer Korrektheit knapp gescheitert. Ich wollte nämlich hinsichtlich der Anfangsbuchstaben der Familiennamen sowohl die erste als auch die zweite Hälfte des Alphabets mit jeweils sechs Beispielen berücksichtigen. Hat nicht sollen sein, die zweite Hälfte hat nur fünf gekriegt. – Und bitte keinen politisch unkorrekten Diskurs über Frau Christie. Sofort das Kriegsbeil begraben, sonst setzt es was! Ja, Bernd, an der Frauenquote bist du nur knapp gescheitert, deine Deutschkrimiquote aber… Wir haben aber beide keine Spanischsprachlichen drin, gelt? Ich immerhin einen Brasilianer. Dabei hätte man Paco Ignacio Taibo II nennen können – oder Raul Argemi mit „Chamäleon Cacho“. Ja, hätte ich Taibo genommen und Daeninckx rausgeschmissen, wäre auch das mit den beiden Hälfen des Alphabets aufgegangen…

    bye
    dpr

  6. Ad 1) Mit der Couch hast Du gar nichts zu tun. Ich schrieb von „couchesk ahistorisch“, der Bezug ist als von der Couch zu ahistorisch.

    Ad 2 Lassen wir unter den Tisch fallen und übergeben dpr das Ironiemonopol.

    Ad 3) Die Gleichsetzung von eigenem Geschmack und Gut oder Schlecht hatte dpr schon einmal am Beispiel Edgar Wallace in Bezug auf die Intention des Autors in Frage gestellt.

    Ich habe Dir doch gar nicht das Recht abgesprochen, Agatha Christie schlecht geschrieben zu finden. Ich habe nur angemerkt, dass ich diese Meinung von Couchlesern kenne, und dass sie dort (meiner Meinung nach) üblicherweise ein Zeichen von einer ahistorischen Betrachtungsweise ist.

    Tschuldigung, ich nahm irrigerweise an, es könnte Dich interessieren, wenn jemand der eine „differenzierte Betrachtungsweise“ besitzen kann, anderer Meinung ist. Und da ich Deine Äußerung als polemisch interpretiert hatte, habe ich polemisch geantwortet.

    Peace and out

  7. Ich hatte an Ciao Papa von Juan Damonte gedacht, der kommt aus Argentinien, aber ich nahm ja Rücksicht auf die Anglophonen, und die kennen weder Damonte noch allzu viele deutschsprachige Autoren. Glauser hatte ich dem Simenon drangegeben, ich wollte von der dritten wichtigsten Krimination mehr als einen Autor.

  8. Es fehlen natürlich unendlich viele, allerdings vielleicht nich ganz so politisch „korrekte“ (was immer man und frau darunter verstehen mag) Krimis – und leider auch etwas aktuellere Titel. Sjöwall / Wahlöö ist so 80ties, dass diese Leserin einfach keinen Geschmack mehr daran finden kann. Und auf der Liste der aktuellen, hundesmiserablen Krimis sollte auf keinen Fall Andrea-Maria Schenkel fehlen.

  9. Sjöwall / Wahlöö 80s? Pardon, Lisa, aber das ist ahistorisch. Und so PC wollte ich nicht sein, einen Toten (Wahlöö starb 1975) noch unter die Lebenden zu rechnen). Frau Schenkel muss ich ja wohl lesen, hu? Na, 122 Seiten, das mach ich vor dem Frühstück.
    Ein Akrostichon vermisst du, Georg? Also ich kann hier alles auf den Kopf stellen, ich finds einfach nicht… Hast du schon mal unter deinem Bett nachgeschaut?
    Damonte ginge auch, Bernd. Aber das ist doch gerade der Reiz von Listen: Das man die Leute mit Sachen bekannt macht, die sie nicht kennen! Haben alle nötig, vor allem die Anglophonen…
    Und eins wollen wir doch mal klarstellen: ANOBELLA IST NICHT COUCHESK!!! Sie ist nicht einmal kafkaesk, und das will was heißen.

    bye
    dpr

  10. „Haben alle nötig, vor allem die Anglophonen…“

    Keine Frage. Aber zu erwarten, dass sie deshalb Deutsch oder Spanisch lernen, ist vielleicht etwas übertrieben.

  11. Was Anobella ist, habe ich längst endgültig festgestellt: anobellesk. Haltet euch an die Sprachregelung!

    dpr, ich meine das Akrostichon, das ich dir letzt mal geschickt habe. Schick es mir sofort zurück! Am besten gleich hier zum Runterladen.

  12. Ach so, DAS Akrostichon meinst du? Sorry, hab ich Anobella geliehen und die hats natürlich verschlampt, wie es so ihre anobelleske Art ist…

    bye
    dpr

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