Friedhelm Werremeier: Trimmels letzter Fall

Ja, heiliger Bimbam, was ist denn DAS? Entweder schludrigst aus dem Krimistall gegabelter Mist oder das Durchtriebenste, was es an „Dekonstruktion“ / „Metakrimi“ nur geben kann. Also was nun? Das liegt, wie fast alles, im Auge des Betrachters.

Tasten wir uns unvoreingenommen in diesen Roman, obwohl das natürlich kaum möglich sein dürfte. Schließlich ist dieser Trimmel, dessen letzten Fall uns Friedhelm Werremeier hier nach langer Pause kredenzt, eine Legende, Fernsehmythos, ein im wahrsten Sinne altersloses Fossil, das es in die Handyzeit verschlagen hat. Kurz vor der Pension wird ihm die Freundin während einer Kur weggeschossen, Trimmel nimmt seinen Abschied. Und sogleich verwickelt es ihn in seinen nächsten, den letzten Fall.

Ein kleines Mädchen wird entführt und zerstückelt. Kriminaldirektorin Annette Rechberg mutmaßt einen Serienmörder hinter der Tat. Dann kommt Trimmel ins Spiel. Der Killer hat den Kopf des Mädchen im Keller seiner Wohnung deponiert. Man ermittelt, alles geht seinen Gang.

Klingt irgendwie normal und wenig aufregend, ist es aber nicht. Die Story wird von einer weiteren eingerahmt. Ein älterer Herr kollabiert auf einem Zürcher Friedhof, eine mitleidige Dame nimmt ihn zur Genesung bei sich auf, der Herr hat sein Gedächtnis verloren, in seinen Sachen findet sich ein Manuskript mit dem Titel „Trimmels letzter Fall“. Das bekommen wir in der Folge zu lesen, bevor am Ende auch die Identität des älteren Herren gelüftet wird.

Aha. Weiter im Text. Der Anschlag auf Trimmels Lebensgefährtin. Wie von selbst löst sich das, der Täter stammt aus Trimmels Vergangenheit, ratzfatz sitzt er im Knast. Ganz offensichtlich diente die ganze Aktion nur dazu, Trimmel anhanglos zu machen und für Künftiges zu präparieren.

Der Mord. Es bleibt das Geheimnis der ermittelnden Kriminaldirektorin, wie sie völlig unterschiedliche Fälle als „Serie“ identifiziert. Unmöglich, so etwas. Aber: Die Dame hat recht. Im Laufe der Ereignisse wird Trimmel, der es gewissermaßen zum Assistenten Frau Rechbergs bringt, ein paar Verdächtige aus dem Hut zaubern, Verdächtige, denen allen die Vergangenheit in Trimmels beruflicher Biografie gemeinsam ist. Mehr noch: In den Büchern Werremeiers. Spätestens jetzt goutiert man die ganze Sache als eine Art Parodie auf Serienkillerkrimis.

Die Vergangenheit ist allgegenwärtig. Nicht nur tauchen besagte Figuren aus Trimmelkrimis wieder auf, der Held selbst verweist auf etliche dieser Bücher, wenn er sich an zurückliegende Fälle erinnert. Da ist der Fall mit dem toten Jungen an der Interzonenautobahn eben nicht der Fall des toten Jungen an der Interzonenautobahn, sondern „Taxi nach Leipzig“. Und so weiter. Im weitesten Sinne literarische Anspielungen finden sich zudem.

Ein weiterer Erzählstrang betrifft Trimmels Kindheit während des Dritten Reichs. Wie bitte? In den Vorgängerromanen haben wir Trimmel als einen etwa um 1910 geborenen Mann kennengelernt, der kriminalistische Erfahrungen während der Nazizeit sammeln durfte. Jetzt ist er fast zwanzig Jahre jünger, etwa im Alter des Autors. Dass sich dieser Strang auf das Hanebüchenste mit dem des „Serienkillers“ verbindet, haben wir inzwischen nicht anders erwartet.

Das mag genügen. Andere Merkwürdigkeiten (Polizisten hören Polizisten ab, Polizisten vögeln Polizisten, Polizisten knallen Polizisten über den Haufen) nur en passant. Auch dass der Rezensent manche Passagen schlichtweg nicht verstanden hat, sei lediglich erwähnt. „Trimmels letzter Fall“ ist entweder grober Unfug oder eine kuriose Melange aus autobiografischer Camouflage, Rückblick auf einen Mythos, Parodie und munteres De- und Rekonstruieren eines kriminalschriftstellerischen Lebenswerks. Noch einmal taumelt ein Held durch die Hallen seiner literarischen Vergangenheit – und sein Autor mit ihm. Gemeinsam fabrizieren sie einen, nun ja, merkwürdigen Kriminalroman. Dafür spricht vieles. Bleibt die Frage: Wozu das alles?

Ich weiß es nicht. Möge die werte Leserschaft sich selbst ein Urteil bilden. Habe ich den Roman wenigstens gerne gelesen? Ja doch. Romane, bei denen man auch abschließend nicht sagen kann, ob sie großer Käse oder große Kunst sind, lese ich grundsätzlich gerne.

Friedhelm Werremeier: Trimmels letzter Fall. 
Mit einem Nachwort von Frank Göhre.
Pendragon 2009. 227 Seiten. 9,90 €

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