Unspektakulär und nüchtern. So, in seiner kürzesten Form, der Gesamteindruck von Mechtild Borrmanns neuem Roman. Damit liegt sie auf der im →Vorgängerkrimi eingeschlagenen Linie und also weiterhin auf überdurchschnittlichem Niveau.
Wieder werden verschiedene Handlungsstränge entworfen und, da sie zusammengehören, nach und nach miteinander verknüpft. Drei Männer rammen in Kleve mit einem aufgerüsteten Geländewagen die Fensterscheibe eines Juwelengeschäfts und entkommen mit reicher Beute. Eine bundesweit operierende Bande? Erste Zweifel kommen den ermittelnden Beamten schnell und werden zur Gewissheit, als einer der Täter tot aufgefunden wird. Eine italienische Gastronomenfamilie, unfreiwillige Augenzeugen der Tat, wird stärker in die Vorgänge verwickelt als ihr lieb ist, die Sache spitzt sich zu.
Im Zentrum des Romans steht jedoch etwas anderes, etwas, das man unter dem Stichwort „Häusliche Gewalt“ zusammenfassen könnte. Beinahe wie eine Fallstudie schildert Borrmann das Schicksal einer jungen Frau, die durch die Hölle gehen muss, sich zu befreien trachtet, aber am Ende nicht die Kraft dazu hat. Vom betrunkenen Ehemann geschlagen, allein mit drei kleinen Kindern, wovon eins behindert ist, der soziale Abstieg vorprogrammiert.
Erzählt wird das sehr flüssig, nüchtern eben, nur in den Gedanken der jungen Frau gibt es Anzeichen vertrackterer Denk- und Überlebensmodelle. Letztlich sind Lügen, vor allem Lebenslügen, das große Thema des Buches, auch die Pizzeriafamilie wird davon nicht verschont bleiben.
Es ist nicht das Procedere der Auflösung, schon gar so etwas wie „suspense“, was die Dramaturgie des Romans bestimmt. Die bewährte Frage nach dem Wer lässt sich für routinierte LeserInnen ziemlich schnell beantworten. Spannender ist der Mechanismus der Hoffnungslosigkeit, den Borrmann beschreibt, die Art, wie Dinge von Anfang an schieflaufen oder aber die Katastrophe wie aus heiterem Himmel über eine Familie kommen kann. Genau beobachtet und ökonomisch wiedergegeben. Also: empfehlenswert.
Mechtild Borrmann: Mitten in der Stadt.
Pendragon 2009. 219 Seiten. 9,90 €
Der Rezensent steht in geschäftlichen Verbindungen mit dem Pendragon Verlag.
Na, da sind wir uns ja wieder mal einig. Borrmanns Roman war eine der großen Überraschungen für mich in letzter Zeit. Auf unspektakuläre Art genau beobachtend, präzise, spannend und richtig gut.
Schöne Grüße, Jochen (der nicht in geschäftlichen Beziehungen zum Pendragon Verlag steht).