Krimileseleben -7-

Und noch einmal vier LeserInnen, die uns einen Blick auf ihr Krimileseleben werfen lassen. Weitere Kandidaten sind gerne willkommen. Einfach →melden. →Hier gab es die letzten Interviews.


Cthulhu, 47, Zürich
Blue, weiblich, Zürich
Tina, 49
Kinsey, weiblich, 41

Wie und wann bist du zum Krimi gekommen und was waren deine ersten prägenden Leseerlebnisse im Genre?

Cthulhu: Ich bin ein Sonderfall und habe meinen ersten Krimi erst vor ca. fünf Jahren gelesen. In meinen Jugendjahren las ich mich durch die Bibliothek meiner Eltern. Einfach alles. Lyrik liebte ich, die alten Russen, Kafka undundund…
Darauf folgte die SciFi-Periode und ich kaufte quasi jeden Titel, der auf dem Markt erhältlich war. Das endete Ende der 80er Jahre. Die nächsten 10 Jahre las ich wieder alles, vor allem Biographien – ausser Krimis. Solchen Mist, dachte ich, tu ich mir nicht an. Und dann schenkte mir ein Bekannter zum Geburtstag „L.A.Confidential“ von James Ellroy. Naserümpfend nahm ich das Buch in Angriff – und war hin und weg. Seither lese ich praktisch nur noch Krimis und Thrillers. (Robert Ludlum war auch ein solches Aha-Erlebnis) und in meiner angeborenen Sammelwut (Geburtsfehler) kaufte ich in den letzten 5 Jahren sicher gegen 2000 Krimis und verkaufte die Hälfte meiner SF-Sammlung (Platznot).

Blue: Seit ich lesen kann, lese ich. So war es nur eine Frage der Zeit, bis ich den ersten ‚Krimi‘ in Händen hielt. Erste Entdeckung dieser Art: Enid Blytons 5 Freunde, fand ich in der Bibliothek. Ein paar Jahre später dann las ich alle Jerry Cottons, die ich kriegen konnte. Wenn ich mich recht erinnere, brachten mich Jerry Cotton und sein Partner Phil Decker ziemlich auf Krimi-Kurs. Wieder ein paar Jahre später schnappte ich mir aus dem Bücherregal einer Freundin ‚Ediths Tagebuch‘ von Patricia Highsmith. Diese Geschichte, so eine Art Psychogramm einer Frau, weckten mein Interesse an psychologischen Krimis. Und dann fingen glaube ich schon bald einmal die Serien an. Gefiel mir ein Buch einer Autorin eines Autors mit einem speziellen Ermittler, folgten alle dieser Reihe, gerne chronologisch.

Tina: Ich war seit ich lesen gelernt hatte, eine Leseratte die buchstäblich jeden gedruckten Fetzen verschlungen hat. Und hatte eine Freundin, die im Besitz quasi der kompletten Enid Blyton Jugendkrimis war. Durch die ich mich durchgearbeitet habe. Dann folgten die Alfred Hitchcock Jugendbücher ( das waren noch nicht die 3 Fragezeichen).
Zweiter Einflussfaktor war meine Mutter, selbst eine leidenschaftliche Krimileserin, die mich als ich den Jugendbüchern langsam entwachsen war u.a. mit Arthur Conan Doyle, Agatha Christie, Georges Simenon, Boileau/Narjeac, Ellery Queen, Janwillem van de Wetering, Sjöwall/Wahlöö, Dashiell Hammet und Raymond Chandler bekannt machte. Wobei mich besonders die ersten und die letzten beiden beeindruckt haben.

Kinsey: Wenn man Kinderbücher miteinbezieht, so erinnere ich mich an Astrid Lindgrens Kalle Blomquist und die Trixie-Belden-Reihe von Carol Campbell, die ich mit großem Vergnügen gelesen habe. Wichtig war immer, daß es spannend erzählt ist. Das Ergründen von Rätseln und Geheimnissen.
Mit ca. zwölf entdeckte ich Agatha Christie und George Simenon. Sind für mich immer noch Klassiker des Genres. Jeder auf seine / ihre Art. Gerade Christie lese ich immer wieder gern.

Wie hat sich dein Krimilesegeschmack im Lauf der Zeit entwickelt?

Cthulhu: Gar nicht. Ich habe schlicht und einfach festgestellt, dass ich ein riesiges Feld zu beackern habe. Von Doyle bis John Connolly. Und auch inhaltlich ists mir wurscht, um was es geht. Serienkiller, historische Krimis, Kaminkrimis (oder wie das neuerdings heisst), Gehirnmasse an der Wand, Gedärme an Dachbalken, alles wird gelesen. Einzige unabdingbare Voraussetzung: Sie müssen gut geschrieben sein. Mir ist es schon des öftern passiert, dass auch ich trotz guter Nase vor grauenhaftem Krimischrott nicht gefeit bin. Naja, das ist wohl niemand… Nenne jetzt aber aus Höflichkeit keine Namen oder Titel. Diese Flops, die ich nicht mal verschenken kann, landen dann alle auf den Dächern der Altstadt. Aber in der Zwischenzeit habe ich auch Autoren entdeckt, von denen ich jedes Buch kaufe, das erscheint. Hier nenne ich ein paar Namen: Lee Child, Michael Connelly, Carl Hiaasen, Harlan Coben, John Connolly, James Ellroy, Peter Robinson, Reginald Hill, Jonathan Kellerman, Volker Kutscher, Barry Eisler und alle, die ich jetzt grad vergessen habe. Sind mindestens zwanzig.

Blue: Ich glaube gar nicht… Schon früher mochte ich keine reinen Actionkrimis (ausser vielleicht die Jerry Cottons, die ich irgendwie so in Erinnerung habe…) und auch keine extrem blutigen und/oder Horrorgeschichten. Auch mochte ich früher schon Krimis, die in der Gegenwart spielten. Und auch früher schon liebte ich (auch) psychologische Krimis und das ist heute noch so.

Tina: Der o.a. relativ wilde Mix, mit dem ich angefangen habe, hat sich mit ein paar Ausnahmen auch fortgesetzt. Georges Simenon war von Anfang an nicht mein Fall und zu den Franzosen finde ich bis heute keinen Zugang. Ähnliches bei den Skandinaviern, außer Sjöwall/Wahlöö habe ich da nie einen Autor gefunden, der mir zugesagt hätte.
Ich lese also auch heute noch genremäßig queerbeet, Klassiker, Landhauskrimis, Hardboiled (denen gilt meine besondere Vorliebe) und vieles anderes, allerdings zu 90% Autoren aus dem angelsächsischem Sprachraum.. Es dürfen auch ausgesprochene Frauenkrimis sein, neben besagten Landhauskrimis wie z.B. von Deborah Crombie mag und mochte ich insbesondere die in den 80/90ern beliebten Hardboileds mit weiblichen Hauptpersonen, wie z.B. Marcia Muller, die Kate Brannigan Serie von Val McDermid, Sue Grafton und viele andere. Auf der anderen Seite dürfen es aber auch eher bis sehr düstere und blutige Bücher wie z.B. von John Connolly, Robert Crais, Dennis Lehane oder Nick Stone sein. Gerichtsthriller und Pathologenkrimis sind weniger mein Fall, die haben in meinen Augen die Tendenz, sich sehr in die Länge zu ziehen. Relativ neu entdeckt habe ich historische Krimis.

Kinsey: Diese Frage ist am schwersten zu beantworten. Lange Zeit hielt ich mich an das, was ich kannte. Orientierte mich an den Bestsellerlisten. Aber seit ich die Krimi-Couch intensiver nutze, lerne ich auch Autoren kennen, auf die ich sonst nie gestoßen wäre. Sei es durch Rezensionen oder Hinweise anderer User.
Seither entferne ich mich vom Mainstream. Suche die außergewöhnlichen Geschichten. Die wegen ihres Themas, ihrer andersartigen Erzählweise, besonderen Sprache o.ä. einen nachhaltigeren Eindruck hinterlassen. Die mich nicht durch ihre Vorhersehbarkeit verärgern.
Nicht unbedingt „gefällige“, aber „richtig gute“ Geschichten.

Die Gretchenfrage: Warum liest du Krimis? „Nur“ zur Unterhaltung oder gibt es noch andere Motive?

Cthulhu: Nur zur Unterhaltung natürlich. Eigentlich lese ich jedes Buch nur zur Unterhaltung. Ein Mann in meinem Alter braucht keine Ratgeber-Schmonzetten oder philosophische Abhandlungen über das Liebesleben von Glühwürmchen mehr. Ein Mann in meinem Alter braucht Spannung und Unterhaltung, sonst nichts. Hmm, das bezieht sich jetzt aber nur auf Bücher.

Blue: Spannende Unterhaltung ist sicher ein wichtiger Teil. Zusätzlich haben mich aber schon immer auch ‚gesellschaftlich relevante‘ Abgründe interessiert. So die menschlichen Schattenbereiche bis hin zum Psychopathologischen. Dann mag ich, dass mir ein Krimi in gewisser Weise eine überschaubare Geschichte bietet. Mit einem klaren Anfang und einem (meist) klaren Ende. Persönlich ist es mir wichtig, dass eine Krimi-Geschichte am Schluss aufgelöst wird. Das Leben bietet für mein Empfinden genügend unaufgelöste Fälle und unüberschaubare settings ohne Ende…

Tina: Unterhaltung steht auf jeden Fall im Vordergrund. Miträtseln spielt nur bei den dafür angelegten Klassikern wie John Dickson Carr eine Rolle, ansonsten ist es mir egal, wenn der Mörder auf Seite 3 bekannt ist. Im Gegenteil, ich finde es durchaus spannend, wenn man, wie z.B. bei Elizabeth Corley, mitverfolgen kann, wie Ermittler sich dem Mörder Schritt für Schritt nähern. D.h. Mitdenken gehört schon dazu. Es gibt auch Krimis, die ich vorwiegend wegen der Sprache oder dem Umfeld lese.
Ansonsten dienen Krimis mir auch der Ablenkung vom Alltag, was auch bedeutet, dass ich nicht zuviel Realismus oder Alltagssorgen der Beteiligten brauche. Diese zurzeit moderne Tendenz, die psychologischen Probleme der Personen in epischer Breite abzuhandeln, geht mir ziemlich auf die Nerven.

Kinsey: Warum ich Krimis lese? – Natürlich in erster Linie zur Unterhaltung. Als Archivarin und Beinahe-Historikerin lese ich eigentlich von Haus aus schon viel. Aber zur Entspannung, zum Abgleiten in eine andere Welt brauche ich immer auch was zum Ausgleich gegen die trockene Sprache von Fachliteratur. Krimis eignen sich dazu besser als Belletristik im Allgemeinen, zumal ich die sog. Frauenliteratur á la Hera Lind, Amelie Fried und wie sie alle heißen, gar nicht mag.
Aber ich lese auch gerne Krimis, bei denen ich noch was lerne. Einblick in Dinge kriege, um die ich mich sonst nie gekümmert hätte. Sei es ein fremdes Land, Psychologie, Kriminaltechnik, Gerichtsmedizin oder auch Musik, Kunst und Literatur. Das heißt, nur eine spannende Geschichte reicht mir nicht. Zu einem guten Krimi gehört auf jeden Fall mehr.

Wie informierst du dich über das Angebot? Liest du auch Rezensionen – und welchen Wert haben sie für dich?

Cthulhu: Zu 80° informiere ich mich in der KC. Hab da einige Couchler/innen entdeckt, die in etwa den gleichen Krimi-Geschmack haben wie ich – und von deren Tipps war kein einziger Flop dabei. Den Rest entdecke ich über Rezis in der KC (die ich übrigens gut finde) – ich meine hier nicht die Lesermeinungen – und bei amazon. Da kann ich mir dann ein ziemlich genaues Bild machen, ob mir das Buch gefallen wird oder nicht.
Ja, fast hätt’ ich’s vergessen: Da gibt’s natürlich noch diverse Verlage, die ich regelmäßig durchforste.

Blue: Früher tauschte ich mich mit anderen Leseverrückten aus, das waren aber eher wenige in meinem näheren Umfeld. Oder ich fand Tipps in den Medien. Oder bewegte mich im Bücherladen, unterhielt mich mit der/dem Buchhändler/in. Seit ich hier in der KC angemeldet bin, hat sich mein Informationsstand unglaublich erweitert! Schon innerhalb der KC habe ich verschiedene Möglichkeiten Infos zu erhalten. Das kommt mir, als Krimiverrückte, manchmal ein wenig vor wie im Paradies.
Rezensionen lese ich, wenn sie nicht zu lang sind. Ich möchte nicht allzu viel über ein Buch wissen, bevor ich es lese. Ein paar Sätze reichen mir da eigentlich, es darf auch ein Abschnitt sein.

Tina: Über die Krimi-Couch. Bis ich dieses Portal vor ca. 2 Jahren entdeckt habe, hatte ich größte Schwierigkeiten brauchbaren neuen Lesestoff zu finden. Die Bestsellerlisten entsprechen selten meinem Geschmack, mit der Beratung im Buchhandel habe ich auch keine guten Erfahrungen gemacht.
Auf der Couch orientiere ich mich in erster Linie an Empfehlungen anderer User, die einen ähnlichen Geschmack haben wie ich.
Rezensionen lese ich, allerdings mit einer gewissen Vorsicht, da meines Erachtens oft zu viel vom Inhalt verraten wird. Was auch dann stört, wenn das Miträtseln nicht im Vordergrund steht. Sie dienen mir in erster Linie als Orientierungshilfe dahingehend, dass ich der Rezension entnehme, ob ein Buch prinzipiell etwas für mich sein kann oder nicht. Das hängt auch ein bisschen vom Schreiber der Rezension ab, auch da gibt es welche, deren Geschmack mehr in meine Richtung geht als bei anderen. Außerdem lese ich möglichst alle Verrisse, zu meinem persönlichen Vergnügen.

Kinsey: Früher habe ich mich viel in Buchhandlungen rumgetrieben, um ausführlich bei den Neuerscheinungen, aber auch sonst nach Interessantem zu stöbern. Natürlich frage ich Freunde und Bekannte nach deren Lesestoff, insbesondere wenn ich weiß, daß unsere Geschmäcker ähnlich sind. Seit ich die Krimicouch kenne, lese ich dort den Newsletter, höre zu, wenn andere über Bücher und Autoren reden, tausche mich mit anderen Usern aus und entdecke auf diese Art viel Interessantes, das weit ab von den Bestsellerregalen der Buchhandlungen liegt.
Rezensionen lese ich durchaus, sei es auf der Couch oder auch in der Presse. Aber wirklichen Einfluß auf mein Lese- oder Kaufverhalten haben sie kaum. Zumal ich sie oft erst lese, wenn ich das Buch bereits kenne. Um meinen Eindruck mit dem des Rezensenten abzugleichen.

3 Gedanken zu „Krimileseleben -7-“

  1. „ausser vielleicht die Jerry Cotton’s“: ach, lieber dpr, kann man diesen wirklich schrecklichen Apostroph nicht streichen? Selbst wenn „Cottons“ im Genitiv stünde, wäre der Apo. im deutschen Kontext falsch, aber beim schlichtem Akkusativ-Plural ist er horrormäßig.

    Nix für ungut und beste Grüße! (Ich werde gleich an einem Briefkasten vorbeigehen, auf dem „‚d Scheidler’s“ auf sich aufmerksam machen.)

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