Poetry Slam – Texte der Pop-Fraktion

Slam Catchen oder: Suhrkamp-Adepten als Underground-Literaten

Poetry Slams sind der Versuch, Literatur ins tatsächliche Leben zu bringen: Raus aus den Schreibstuben der Autoren und nicht rein in die Wohnungen der Leser, sondern in Fabrikhallen, Clubs und Kneipen, wo die Autoren ihre Ergüsse präsentieren und das Publikum lautstark darüber votiert, wie sehr oder doch nicht der Text in die Hose ging. Nicht selten werden solche Veranstaltungen zu Happenings mit bleibendem Erinnerungswert. In Deutschland sind Slams erst im Kommen, in Amiland gehören sie bereits zum Alltag.

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Peter Bagge – Mordsspaß mit Buddy und Lisa

Life after Grunge

Eigentlich ist diese ganze Generation X-Geschichte so abgenoggert, daß es kaum noch etwas dazu zu sagen gibt. Selbst die nachgerückte TechnoGeneration taugt kaum noch zur medialen Vermarktung. Aber mal ehrlich, wen scherts? Peter Bagge scheinbar nicht, der läßt immer noch BUDDY BRADLEY seinen Clinch mit der Welt austragen, ob das jetzt hip ist oder nicht.

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Claes Holmström – My Generation

Soll man versuchen, auf Züge aufzuspringen, die gemächlich auf dem Weg zur Endstation sind, oder soll man nicht lieber gleich einen anderen Weg einschlagen? Philosophische Fragen, kryptischen Inhalts, die man besser nach einigen Bieren in der Kneipe klären sollte, wenn der Alkohol seine Wirkung tut und Plattitüden zu Wahrheit werden läßt. Aber nicht, wenn man ein druckfrisches Buch in Händen hält. Und doch, genau da habe ich mir diese Frage gestellt. Die Ursache allen Grübelns: Neben CLAES HOLMSTRÖM und MY GENERATION prangte auf dem Cover noch ein elliptisches Etikett mit der Information „Der Roman der europäischen Generation X“. Ein Prädikat, das einen 1996 ins Grübeln kommen läßt.

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BUK – von und über Charles Bukowski

Einer der Klassiker und Steadyseller aus dem MaroVerlag ist BUK, ein Reader von und über Charles Bukowski, der inzwischen in einer erweiterten Neuausgabe vorliegt. Die war traurigerweise notwendig geworden, nachdem der dirty old man am 9. März 1994 „auf dem Stahlroß ins Nirvana“ abgedüst ist.
Zehn Jahre zuvor ist diese Textsammlung zum ersten mal veröffentlicht worden. Namhafte Kollegen wie Harold Norse (Beat Hotel) und Gerald Locklin (POOP) hatten sich eingefunden, um von ihren Erlebnissen mit Bukowski zu berichten. Und Bukowski hatte sich natürlich selbst zu Wort gemeldet.

Entstanden ist so ein liebevolles, vielschichtiges Portrait des Mannes mit der Ledertasche, das einen anderen Bukowski zeigt, als den aus der Boulevardpresse: es zeigt den Menschen hinter der Schreibmaschine und es zeigt auch, daß schon etwas mehr als eine abgefuckte Umgebung und ein Repertoire an four-letter-words dazugehört, ein Autor zu werden, der noch über den Tod hinaus eine prägende Wirkung auf die schreibende Zunft hat.

R. Wehlen/A.D. Winans (Hrsg.)
BUK - von und über Charles Bukowski
MaroVerlag 28,- DM
ISBN 3-87512-236-4

Colin Bateman – Eine Nonne war sie nicht

Es fängt ganz harmlos damit an, daß der Kolumnist Dan Starkey seine Frau betrügt und endet damit, daß zwei Autos nebst Insassen in die Luft fliegen. Dazwischen entwickelt sich ein Nordirland-Thriller, der den Preis für das Buch mit dem dümmsten Titel gewinnen kann.

EINE NONNE WAR SIE NICHT heißt im Original „Divorce Jack“. Wie sich rausstellt eine Verballhornung von „Dvorak“. Wegen einer Kassette, auf der sich angeblich eine Aufnahme von Dvorak befinden soll, wird Starkeys Geliebte umgelegt. Dan Starkey gerät unter Mordverdacht und, wie es sich für einen Thriller gehört, muß er die Sache selbst in die Hand nehmen. Dabei kommt er so ziemlich allen politischen Fraktionen und den Paramilitärs in die Quere, die hinter dem Band her sind.

Es geht drunter und drüber: FBI-Beamte fallen von Hochhäusern, Autos explodieren, Sex-Pistols-Platten werden gegrillt und Frauen, die wie Nonnen aussehen sind gar keine. Doch letztenendes siegt zwar nicht unbedingt das Gute, aber zumindest der Status Quo ist wieder hergestellt.

Colin Bateman hat mit EINE NONNE WAR SIE NICHT ein Erstlingswerk hingelegt, das sich wegen des bescheuerten Covers nicht sehen, dafür aber durchaus lesen lassen kann.

Colin Bateman
EINE NONNE WAR SIE NICHT
Bastei Lübbe 9,90 DM
ISBN 3-404-13790-6

Die Kaltblütigen

Hard boiled und haute cuisine

Es ist doch immer wieder erstaunlich was man alles aus Tomaten und Nudeln zaubern kann. Die Spannbreite reicht da von Genialität bis zum Mülleimer. Es sind halt nicht die Zutaten selbst, sondern der Umgang damit, die über das Gelingen oder Scheitern eines Essens entscheiden. Bei Comics ist das ganz ähnlich. Hä?! Na ja, wenn man hingeht und bekannte Motive zusammenwurschtelt, kann halt etwas herauskommen, was ungenießbar ist, oder etwas, das einen in höchste Verzückungen versetzt.

Bei DIE KALTBLÜTIGEN trifft das letztere zu: Ein junger durchgeknallter Latino verliert bei einem Deal die Nerven, legt ein Mitglied einer anderen Streetgang um und klaut ihm ein Kilo feinsten Stoff. Sein Leben ist fortan keinen Pfifferling mehr wert. Schnitt. Ein ruhiger, seriös gekleideter Mann anfang dreißig läßt sich mit einem Taxi in ein ruhiges Wohnviertel chauffieren, gibt ein ansehnliches Trinkgeld, hinterläßt eine Zeitbombe und exekutiert eine Familie. Allerdings unterläuft ihm ein gravierender Fehler. Er übersieht eine Zeugin. Davon sind seine Auftraggeber gar nicht erbaut und fortan ist auch sein Leben keinen Pfifferling mehr wert. Beide, der Killer mit dem Künstlernamen ‚Hamlet‘ und der leicht erregbare Latino müssen zusehen, daß sie ihre Haut retten. Hamlet, indem er die Zeugin beseitigt und herauskriegt, wer seine Auftraggeber sind, der Latino, indem er die Gang auslöscht, die hinter ihm her ist. In dem Moment, wo die beiden unterschiedlichen Charaktere aufeinander treffen setzt die Handlung aus – bis zum nächsten Band.

David Chauvel, der dieses Szenario geschrieben hat, bedient sich mühelos aus der Fundgrube des Kinos, bringt die EXPLOSION DES SCHWEIGENS zusammen mit Elementen aus Oliver Stones NATURAL BORN KILLERS, Tarrantinos PULP FICTION und einem guten Schuß Gangsta. Man sollte vermuten, daß daraus nichts anderes entstehen kann, als ein kruder Brei mit halbverdauten Inkredienzien. Falsch gedacht, Frankreichs Köche haben bekanntermaßen ein glückliches Händchen, Frankreichs Szenaristen ebenfalls. David Chauvel, Jahrgang 1969, gehört zu der nachrückenden Comic-Autoren-Generation und gleich mit seinem Erstling DIE KALTBLÜTIGEN ist ihm ein großer Wurf gelungen.

Umgesetzt wurde die Story von Erwan Le Saec der hierzulande noch recht unbekannt ist. Sein Stil orientiert sich an Zeichnern wie Tibet und Dodier. Bestechend ist die Souveränität, mit der er Chauvels Szenario ins Bild gesetzt hat. Der zweite Band SPRING HAVEN ist für August angekündigt. Alle, die jetzt Blut geleckt haben, sollten einen Blick in die zweite Reihe aus David Chauvels Feder werfen. DIE SCHIENENMENSCHEN sind ebenfalls diesen Monat erschienen. Die Zeichnungen stammen allerdings von Fred Simon.

Chauvel/Le Saec
DIE KALTBLÜTIGEN
BD. 1 IN DIE ENGE GETRIEBEN
Carlsen Verlag 19,90 DM
ISBN 3-551-72711-2

Babylon 5: Bd.1 – Verrat

Raumpflege und Blasphemie

In allen großen Religionsgemeinschaften gibt es Ketzer, Sektierer und Abweichler. Von daher ist es nicht weiter verwunderlich, daß auch die Gemeinde der STAR TREK-Gläubigen von solchen Erscheinungen heimgesucht wird. Ursache für dieses Übel sind Thesen, die von Anhängern anderer Space Religionen verbreitet werden; Thesen in der Art, daß STAR TREK vorgeworfen wird, nicht die Realität im Outer Space darzustellen: Alles sei viel zu moralisch und zu clean.

Ein Vorwurf, so erschütternd, daß das Raum-Zeit- Gefüge auseinanderzubrechen droht – dennoch – ganz von der Hand zu weisen ist das nicht. Wer hat schon mal Spock mit Achselnässe und Kirk mit Weltraumreise-Durchfall gesehen?

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Simone Borowiak – Baroness Bibi

Ein Schundroman für die gebildeten Stände

„Ein herrlicher Morgen dämmerte herauf und überzog die exklusivste Wohnanlage der Stadt mit einem malvenfarbenen Schimmer. In diesem Augenblick meldeten die Frühnachrichten eine Sensation: Schon wieder war ein Kanzler ermordet worden. Das war nun der dritte pfälzische Kanzler in Folge.
Dagegen, daß ein herrlicher Morgen heraufdämmert, ist ja beileibe nichts zu sagen, gegen das Heraufdämmern von ganz und gar unglaublichen Zuständen wie einem dritten Kanzlermord in Folge, hingegen schon. Einmal kann so eine Kanzlergeschichte ja passieren, aber dreimal? Das läßt tief blicken. Ein Land droht in Anarchie zu versinken und niemand scheint dem Einhalt gebieten zu können – außer vielleicht Baroneß Bibi, die sich eben, als diese Meldung ertönt, im seidigen Bettzeugs ihres opulenten Domizils räkelt und entschließt, ihren jugendlichen Luxuskörper und ihre aristokratischen Gehirnwindungen einzusetzen, um diese indiskutablen und einer freiheitlich demokratischen Republik unwürdigen Zustände zu beenden.

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Bill Albert – Desert Blues

Desert Blues, der Debütroman von Bill Albert, spielt in den fünfziger Jahren in der amerikanischen Wüste. Die Hauptfigur ist der fünfzehnjährige Harold, der sich als Vollwaise im Bungalow seiner skurrilen Tante Enid in Palm Springs wiederfindet, nachdem sein Vater versucht hatte, auf der Autobahn rückwärts zu fahren. Damit ist Harold zwar seine Eltern los, nicht aber die Probleme, die das Leben in der Wüste für einen Stadtmenschen bereithält, besonders wenn es sich um einen einsachtzig großen jüdischen Teenager mit roten Haaren handelt, den ein 5minütiger Aufenthalt in der Sonne aussehen läßt wie ein rohes Steak.

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Niki Kopp/Timo Würz: XCT

Kultur ist wie eine Suppe, in der alles zu einer eigenwilligen Masse verrührt wird, was einem im Alltag begegnet. Zwei Köche, die diese Rezeptur betreiben, sind Timo Wuerz und Niki Kopp. Bereits mit „Aaron und Baruch“ haben sie ein Comic-Album vorgelegt, das sich aus den Inkredenzien von hippem Zeitschriftenlayout und Werbegraphik speist. Danach schien dieser Fluch vorbei. „Lula & Yankee“ waren zwar auf der Höhe der Generation-X-Zeit, graphisch jedoch recht brav. Mit XCT, das jetzt vorliegt, haben Kopp & Würz jedoch eine Suppe angerührt in der nichts verkommt: angetäuschter Klebeumbruch, Farben wie nach Pilleneinwurf, ein gehöriges Maß an Unschärfe und Fotorealismus sowie eine Girly-Gangsta-Action-Movie-Verschwörungs-SF-Story. Was will man mehr?

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Frank Ronan: Dixie Chicken

„Dixie Chicken“, der Song von Little Feat tönt laut aus dem Autoradio, als der allseits beliebte Architekt Rory Dixon mit seinem Wagen über die Klippe schießt und von einer Felsnadel aufgespießt wird. Dieses Ereignis löst in dem kleinen irischen Kaff vor den Toren Dublins Bestürzung aus. Die Umstände des Unfalls sind rätselhaft und es dauert auch nicht lange bis gemunkelt wird, daß es sich um Mord handelt. Da aber niemand ein Motiv hat, ist die Neugier groß.

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Zum Tod von Hugo Pratt

Corto Maltese, Abenteurer und Kapitän ohne Schiff, der vielleicht poetischste, sicherlich aber geheimnisvollste Held der Comic-Literatur, ist in seinen Bestimmungshafen eingelaufen – am 20. August starb der Autor und Zeichner Hugo Pratt im Alter von 68 Jahren in der Pully-Klinik von Lausanne.

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Verschwundene Autoren

„…das Wetter war herrlich, die Maschine in tadellosem Zustand, der Auftrag sorgfältig vorbereitet (…). Ich gab ihm die letzten Anweisungen, dann half ihm einer von uns wie gewöhnlich beim Einsteigen ins Flugzeug und versicherte sich dabei, daá alles in Ordnung war. Wir sahen ihn von unserm Fluggelände von Borgo aufsteigen und hinter den Bergen, die die schmale Küstenebene säumen, in Richtung Frankreich verschwinden. Als die vorgeschriebene Stunde seiner Rückkehr verstrichen war, erfaßte uns Unruhe, dann Angst. Wir stellten alle möglichen Nachforschungen an, aber keine Radiostation, keine alliierte Maschine konnte die geringste Auskunft geben. Auch später in Frankreich hatten wir mit unsern Unternehmungen kein Glück.“

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