Interview: Pavement

Eine Tradition die man pflegen sollte

Alle Jahre wieder erscheint ein neues Pavement-Album- außer 1996, da gönnte sich die Band eine Pause um sich dem verlorengegangenen Privatleben hinzugeben. Dieses kam nach dem Erfolg von ‚Wowee Zowee allzu kurz, denn war man nicht auf Tour, hielten sich Pavement im Studio auf, um an neuen Ideen zu feilen. Das Resultat der letzten Studiosession steht ab elften Februar 1997 in den gut sortierten Plattenläden unter dem verheißungsvollen Namen ‚Brighten The Corners‘. Steve Malkmus, Sänger, Gitarrist und seines Zeichen hauptverantwortlich für das Songwriting kam noch kurz vor dem Fest der Liebe nach ‚Good Old Germany‘, um ‚Brighten The Corners‘ zu promoten. Selbst die widrigsten Umstände, wie das Streiken der Lufthansa, was die Interviewtermine um unbestimmte Zeit nach hinten verschob, konnten Steve nicht aus der Ruhe bringen. Hörbar relaxt und guter Dinge erzählte er von den neuesten Entwicklungen aus dem Pavement -Lager.

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Idole in verschiedenen Aggregatzuständen

Interview mit Thomas C. Breuer

HINTER-NET!: Wenn ich die verstreuten Informationen zu Deiner Person richtig zusammengesetzt habe, dann erschien Dein erstes Buch bereits 1977, als in der deutschen Provinz die letzten Blumenkinder die Grünanlagen unsicher machten. Wie gings weiter?

TC: Hmm, (lutscht versonnen auf einem Bonbon herum) hmm; was hat sich getan? Nun, daß ich halt hauptsächlich einen Bühnenberuf habe, der das Geld bringt und der deshalb das Geld bringt, weil ich dabei gerade die Bücher verkaufe, die ich zum Teil selbst verlegt habe. Was ich im übrigen niemand empfehlen kann, Bücher selber herauszubringen, wenn derjenige nicht selber tingelt. Das kann bitter werden.

Ich habe halt meinen Weg gemacht als sogenannter literarischer Kabarettist als ich irgendwann gemerkt habe, daß ich einfach der beste Interpret meiner Werke bin. Nebenher habe ich mit dem Radio angefangen. Ich habe also drei Standbeine und es erweist sich in solchen Zeiten wie diesen, wo es kulturell überall enger wird, als Vorteil. Es wackelt nur eins – oder zwei aber nicht unbedingt alle drei Beine. So kann ich immer noch ein bischen springen und sagen: „Eigentlich mache ich ja doch eher. . .“

HINTER-NET!: Läufst Du damit nicht auch Gefahr als Universaldilettant durchzugehen?

TC.: Stimmt schon. Es steht der Sache manchmal auch ein bischen im Weg, daß ich mich nicht rückhaltlos für eines entscheiden kann. Ich würde jetzt gern wieder einen neuen Roman schreiben und die anderen Sachen auf Eis legen. Aber, ich hab´ die Zeit nicht; ich kanns mir finanziell nicht erlauben, weil ich Familie habe und deshalb muß ich die anderen Berufe auch noch machen.

HINTER-NET!: Seit deinen Anfängen sind ja immerhin fast 20 Jahre vergangen, Dein letztes Buch Sekt in der Wasserleitung ist ja stark autobiographisch, das war nach eigenen Worten das erste ja auch schon. Schließt sich jetzt der Kreis? Ist es Zeit, ein Resüme zu halten oder hat Dich das Alter mit Reife überzuckert?

TC: Nääää. Sekt in der Wasserleitung ist nur bedingt autobiographisch. Das Setting stimmt. Viele Personen sind der Wirklichkeit entnommen, ansonsten sind viele Begebenheiten erfunden, zusammengemischt, zu einer einzigen. Es entspricht also relativ wenig der Realität und die letzte Geschichte, die in Seattle spielt, ist komplett erfunden.

HINTER-NET!: Schade, gerade die Story mit dem Zwillingspärchen, das sich ein Toupet teilt, fand ich klasse.

TC: Es ist eine Autobiographie, aber eine gelogene.

HINTER-NET!: Eine Wunschbiographie?

TC: Nein, nicht direkt. Wünschen würde ich mir eine solche Biographie nicht. Ich bin eigentlich dazu gekommen, als ich das Käfer-Buch (Küß mich, Käfer) gemacht habe. Ich habe über VW-Käfer in Amerika geschrieben und brauchte etwas, was damit korrespondiert. Da habe ich über die Käfer in meiner Kindheit geschrieben. Sie hatten alle Käfer, meine Eltern, meine Onkel und alle andern auch. So bin ich dann dazugekommen und es hat Spaß gemacht. So hat sich das entwickelt. Ich glaube nicht, daß jemand mit 44 Jahren seine Memoiren verlegen sollte.

HINTER-NET!: Damals, als Du 1977 mitten in der Politfreak-Ära zu schreiben anfingst, warst Du am Puls der Zeit. Deine ersten Bücher waren ja eher Szeneliteratur. Schreibst Du immer noch für die inzwischen gealterte Szene von damals, oder hat ein Generationswechsel stattgefunden und Du hast ein neues Publikum?

TC: Ja, anscheinend. Eine Bekannte von mir, die ist um die sechzig, die hat das Buch gelesen – Sekt in der Wasserleitung – , fands ganz klasse und hat sich gesagt, jetzt geb´ ichs mal dem Soundso, der ist neunzehn, der ja nun all diese Erfahrungswerte nicht hat. Und diesem Soundso hat das Buch auch richtig gut gefallen. Ich bin sowieso keiner, der sich gern in irgendwelchen Gettos aufhält. Wenn ich mein Kabarett-Publikum ansehe, das ist so querbeet. Das ist, wie man so schön sagt, zwischen 8 und 80. Von denen interessieren sich etwa 10% für das, was ich sonst noch mache. Ich verkaufe also bei Kabarett-Veranstaltungen doch tatsächlich Romane. Ich weiß, daß diese Breuer-Gemeinde mit bloßem Auge kaum wahrnehmbar ist , aber – es gibt sie! Das merke ich immer wieder, wenn ich irgendwo hin komme. Das hat was Beruhigendes.

HINTER-NET!: Angefangen hast Du mit einer Konzertagentur ohne Telefonanschluß in einer WG ohne Geld.

TC: Ohne Ahnung vor allem!

HINTER-NET!: und heute bist Du wahrscheinlich selbst auf der Ebene, auf der Du früher Deine Idole angesiedelt hast?

TC: Ja, ja! Ich hab viele kennengelernt. Das ist ja ein Thema dieses Romans (Sekt in der Wasserleitung). Das hat ja sehr viel mit Idolen zu tun. Mit Idolen in verschiedenen Aggregatzuständen. Bei einigen ist es toll die kennenzulernen, bei anderen, na ja…

HINTER-NET!: Wo siehst Du Dich inzwischen selbst in diesem Metier – oder anders gefragt: Hast Du den Sprung vom Underground zum Establishment geschafft?

TC: Ob ich es jetzt geschafft habe? weiß ich nicht. Man muß immer wachsam bleiben. Wenn man in diesem Metier was geschafft hat, heißt das noch lange nicht, daß dieser Status am nächsten Tag noch gültig ist. Das geht ruck-zuck.

HINTER-NET!: Wie läuft Prozeß des Schreibens ab und wie kommst Du zu Deinen Themen?

TC: Mobil meistens. Ich bin Fernschreiber. Wenn ich von zuhause weg bin. Wenn ich im Zug sitze oder im Flugzeug und draußen bewegt sich was, das setzt in meinem Kopf was frei. Für diesen Krimi Huren, Hänger und Hanutas habe ich das Szenario in einer Nacht während einer Zugfahrt von Berlin nach Heidelberg gemacht. Säntimäntels Reise habe ich komplett im Caféhaus geschrieben.

HINTER-NET!: Es fällt mir schwer aus der Vielzahl Deiner Bücher ein Lieblingsthema zu erkennen. Gibt es Themen, die Dir besonders am Herzen liegen?

TC: Beim Schreiben von Romanen habe ich immer so ein Generalthema, witzig, daß das den meisten Leuten bei Sekt in der Wasserleitung überhaupt nicht auffällt, das Generalthema sind Idole. Was passiert, wenn Idole tot sind, wenn man sie nicht in Ruhe läßt, wenn man selber ein Idol wird und kriegt es eigentlich gar nicht so mit? Was passiert, wenn man Idolen zu sehr auf die Pelle rückt und was passiert, wenn sie zu weit weg sind?

HINTER-NET!: Wird das auch das Thema Deines nächsten Projektes sein?

TC: Ich arbeite gerade an einem neuen Roman, da geht es grob gesagt um die Übertragbarkeit von Mythen. Er handelt von einer Frau, die in Amerika lebt, etwas älter ist, zurück möchte nach Deutschland und von Amerika ein Stück mitnehmen will. Die Geschichte wird so weitergehen, daß dort drüben ein American Diner abgeschlagen und hier in Deutschland wieder aufgebaut wird. In einem Artikel im Magazin der Süddeutschen Zeitung stand mal eine ganz kleine Notiz von einem Typen, der macht das gerade. Mit dem hab ich telefoniert und treffe mich demnächst mit ihm, um rauszukriegen, ob das, was dort funktioniert, hier auch funktioniert und wenn nicht, warum nicht. Das Amerikanische ist ja nach wie vor ein prägendes Element hier. Mich hat es ja selber mit einer vollen Breitseite erwischt. Ich finde, es ist ein hochinteressantes Thema.

HINTER-NET!: Ich bin gespannt, zu lesen, ob die Diner-Transplantation gelingt.

Interview: Anton Fier

Ein Mann geht seinen Weg

Anton Fier ist einer der vergleichsweise wenigen Schlagzeuger, der sich erfolgreich zu einem selbständig plattenproduzierenden Künstler gemausert hat. Wenn Fier Platten macht, dann unter dem Namen GOLDEN PALOMINOS. Acht waren es bislang, die erste 1983 und die neueste, „Dead Inside“ Ende 1996. Obwohl er mit einigen der besten Experimentalmusiker aus New York zusammenarbeitet (wie Bill Laswell und Gitarrist Nicky Skoplelitis, die auf allen acht Alben spielen), IST Anton Fier die GOLDEN PALOMINOS. Und er beeilt sich gleich zu Beginn des Interviews, mich darauf hinzuweisen: „There ain´t no band!“

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Interview: Gary Floyd Band

die Alternative zur Alternative zur Alternative…

Jonathan Burnside (Gitarrist und Produzent der Gary Floyd Band) im Hinter-Net! Interview:

Die Anfänge

JB: Ich kannte Gary schon seit Jahren, ich habe die ersten Demobänder von Sister Double Happiness aufgenommen und das Album „Uncut“ produziert. Das Glitterhouse-Label fragte Gary, ob er nicht ein Soloalbum für sie aufnehmen wolle und Gary bat mich, dieses Album zu produzieren. Bei diesen Aufnahmen habe ich auch Gitarre gespielt und einige befreundete Musiker mitgebracht. Gary hat auch ein paar Leute mitgebracht und so haben wir diese Platte eingespielt, sie heißt „World of Trouble“.

Beim nächsten Album „Broken Angel“ arbeiteten wir dann wieder mit denselben Musikern, und das war so etwas wie der Beginn der Gary Floyd Band. Für Gary und mich waren diese beiden ersten Alben so etwas wie die Alternative zu der „alternative music“, die wir beide damals machten.

Weißt du, ich habe vier Alben der Melvins produziert, mit Consolidated gearbeitet, mit Steel Pole Bath Tub und einigen anderen Bands aus der Bay Area. „Broken Angels“ aufzunehmen war da sehr erfrischend für mich, und Gary ging es nicht anders.

Sister Double Happiness war eine großartige Band, sehr bluesy, aber eine Art heavy Blues. Wir sagten uns damals: Okay, laß uns zurückgehen zu den Ursprüngen, laß uns eine Platte aufnehmen wie man in den 50er Jahren aufgenommen hat, mit alten Mikrofonen, analoge Aufnahmetechnik usw. Um es kurz zu machen: Wir „verliebten“ uns in dieses Projekt und mit den Aufnahmen zum neuen Album „In a dark room“ wurde es unser Full-Time-Job.

In a dark room

Viele Leute sagen, diese Platte sei wieder eher eine Rockplatte. Das stimmt wahrscheinlich und vielleicht liegt es ja daran, daß wir die Gary Floyd Band jetzt als unsere Hauptbeschäftigung ansehen. Man könnte auch sagen: es ist jetzt die Alternative zur Alternative zur Alternative.

Hinter-Net!: Ist es richtig, daß die Musik zur neuen CD komplett im Hotelzimmer nachts nach Konzerten entstanden ist?

JB: Ja, absolut. Nimm z.B. den Song „Take my troubles away“: Wir spielten in Hamburg im Dezember, draußen tobten Schneestürme und wir mußten nach Lübeck fahren, obwohl wir dazu gar keine Lust hatten – nichts gegen Lübeck, aber wir fühlten uns wohl in Hamburg. In Lübeck dagegen empfing uns der Veranstalter mit den Worten: Heute wird wohl kein Zuschauer kommen, wegen des Sturms ist sogar der Verkehr zusammengebrochen.

Das war dann der Moment, an dem wir anfingen, uns richtig zu betrinken. Wir waren vollkommen blau, spielten vor den sieben Leuten, die im Publikum waren und fuhren durch die Dunkelheit in unser Hotel. Wir saßen in unseren Zimmern und fühlten uns isoliert, deprimiert – in einer solchen Situation kann sowas ja schnell geschehen. Ich versuche gerne, auch aus diesen Stimmungen etwas Positives rauszuholen und hab mir dann meine akustische Gitarre geschnappt und einiges an Musik geschrieben.

Hinter-Net!: Schreibst du auch Texte oder nur die Musik ?

JB: Nein, nein, Gary schreibt alle Texte. Es ist wirklich faszinierend mit ihm zu arbeiten, weißt du: Für mich ist das wichtigste an Musik die Emotionen, die ausgedrückt werden. Wenn ich die Musik zu einem Song schreibe, dann existiert da noch keine Story in meinem Kopf, sondern nur ein spezielles Gefühl, eine gewisse Atmosphäre. Schreibt Gary dann zu meiner Musik einen Text, dann trifft er fast immer genau dieses Gefühl, das ich beim Komponieren hatte.

Hinter-Net!: Auf den ersten Blick scheint es sich bei den Musikern auf „In a dark room“ um einen bunt zusammengewürfelten Haufen zu handeln: da ist Penelope Houston, Roddy Bottun (Faith No More) oder Jimmy Pugh.

JB: Es sind alles Freunde von uns. Das ist die Verbindung. In San Francisco sind alle Musiker aus der Szene sehr hilfreich und freundlich. Und die Stile, die sie mögen und in ihre Arbeit einfließen lassen, sind breit gefächert und so ist diese Vielfalt möglich.

Hinter-Net!: Wer ist jetzt eigentlich festes Mitglied der Gary Floyd Band ?

JB: Danny Roman, der schon Gitarre bei Sister Double Happiness gespielt hat, Gary Floyd und ich. Das sind die festen Mitglieder. Wir touren mit verschiedenen Musikern, mit solchen, die wir mögen und gerne dabei hätten und deren Verpflichtungen es zulassen. Momentan möchten wir gar keine feste Rhythmusgruppe haben, weil … die Bindung zwischen Gary, Danny und mir ist sehr stark, unsere Herangehensweise an Musik ist sehr ähnlich, wir denken und fühlen sehr verwandt und solange wir nicht Leute finden, die vergleichbar gut zu uns passen, wollen wir auch keine anderen festen Bandmitglieder haben.

Außerdem ist es für mich als Produzent ein echter Luxus, den Stil und den Sound eines Albums nur durch Garys Stimme und das Songwriting prägen zu lassen und nicht durch die Fähigkeiten und stilistischen Mittel bestimmter Mitmusiker. Du bist dadurch einfach flexibler und das ist toll.

Hinter-Net!: Spielt Gary live auch ein Instrument oder singt er nur ?

JB: Er singt und spielt natürlich noch Mundharmonika, er ist hervorragend mit der Mundharmonika. Und wie gesagt: Er schreibt alle Texte.

Songs und Texte

Auch als wir noch eher diese Country-Sachen machten, so wie auf „Broken Angels“, hatte Gary diese bestimmte Art, Texte zu schreiben. Er kann – wie übrigens viele Sänger aus dem Country-Bereich – ganz ausgezeichnet eine Geschichte erzählen, Atmosphäre aufbauen und Situationen schildern, die so realistisch wirken, daß du das Gefühl hast, du siehst diese Leute vor dir, von denen er singt.

Hinter-Net!: Auf der CD funktioniert das meiner Meinung nach besonders gut auf „Never felt Love“.

JB: Ja, das ist richtig. Diesen Song hat Gary über ein Mädchen geschrieben, die er des öfteren auf der Fahrt zu meinem Studio in San Francisco gesehen hat. Sie sah immer sehr traurig und fertig aus. Wahrscheinlich war sie eine Prostituierte, denn gelegentlich sah er einen Typ, der offenbar Geld von ihr kassierte. Sie hat diesen Song inspiriert.

Gary machte sich so seine Gedanken: Wie sieht ihr Leben wohl aus ? Er beschreibt in diesem Lied eine fiktive Person, eine Figur, die zu ihr sagt: hey, ich bin anders als diejenigen, die immer um dich herum sind, ich mache dich nicht fertig und traurig. Gary versucht immer, in seinen Songs eine positive Entwicklung zu zeigen. Ich meine, das Album heißt „In a dark room“ und ist sehr emotional, aber da ist auch immer eine Wende zum Positiven hin.

Hinter-Net!: Wer hat die Musik zu „Rejected Ones“ geschrieben ?

JB: Danny und Gary haben die Musik geschrieben. Im Original ist es ein akustischer Song, den wir für eine CD geschrieben haben, die komplett akustisch war und in begrenzter Auflage als Mailorder-only-CD erschienen ist. Davon haben wir zwei gemacht, also ist „In a dark room“ genau genommen schon unsere fünfte Platte.

Was ich besonders mag, ist wie Jimmy Pugh in diesem Stück diese Al-Kooper-Orgel spielt. Der ganze Song hat etwas von Bob Dylan.

Hinter-Net!: Das wollte ich auch gerade sagen. Aber „Rejected Ones“ erinnert mich auch ein bißchen an Creedence Clearwater Revival.

JB: God, what a great band. Wonderful !

Hinter-Net!: Was hat es mit dem Text zu „The Loss“ auf sich ?

JB: Er handelt von Aids. Die Namen, die in diesem Song auftauchen, sind Namen von Freunden, die an Aids gestorben sind. Die meisten Lieder über Aids handeln ja von Traurigkeit, und das ist hier natürlich auch der Fall. Aber in „The Loss“ geht es auch um Wut, you know, being pissed off.

Es ist nicht so, daß Gary immer über sein Leben schreibt, er möchte gar nicht so persönlich werden. Dieser Song ist da eine Ausnahme, er ist sehr persönlich, sehr aufrichtig.

Hinter-Net!: War es eine bewußte Entscheidung, eher düstere Texte auf dieser CD zu haben und habt Ihr sie deshalb „In a dark room“ genannt ?

JB: I like darker music, it makes me feel better. Deshalb mag ich auch Country mehr als Bluegrass, Bluegrass klingt immer so glücklich. Genau wie Melodic Punk, das ist nicht mein Ding.

„In a dark room“ ist in meinen Augen ein guter Name für dieses Album. Nicht nur, daß wir die Songs in dunklen Hotelzimmern geschrieben haben, auch die Aufnahmen im Studio haben sich immer mehr in den späten Abend und die Nacht verschoben. Das war keine Absicht, es hat sich einfach so ergeben.

Hinter-Net!: Mir ist aufgefallen, daß nicht das ganze Album so düster ist wie die Songs, die wir bislang angesprochen haben. Es gibt auch einige Stücke, die nicht so dunkel, nicht so dramatisch und ernst sind. Aber dieser Kontrast zwischen den einzelnen Liedern läßt die schweren, ernsten Songs noch kraftvoller und aussagekräftiger wirken.

JB: Es freut mich wirklich sehr, daß Du das sagst. Wenn du ein Album zusammenstellst mit verschiedenen Musikern, einem Sänger wie Gary, der viele unterschiedliche Sachen singen kann und einem Produzenten wie mir, der schon diverse Sachen produziert hat, dann fragst du dich, ob das alles überhaupt Sinn macht, ob es irgendwie paßt.

Heutzutage sind viele Platten sehr strikt auf eine Richtung hin ausgelegt. Nimm z.B. das weiße Album der Beatles, eine meiner Lieblingsplatten: Du findest da einen Song wie „Dear Prudence“ und auch einen wie „Helter Skelter“, die verschiedensten Dinge auf einem Album. Nicht nur deswegen ist es eine meiner Lieblingsplatten, aber auch das spielt eine Rolle.

Hinter-Net!: Wie hat sich der Übergang von Sister Double Happiness zur Gary Floyd Band denn genau vollzogen ?

JB: Es war kein Übergang im Sinne von Ineinander-Fließen. Sister Double Happiness haben sich aufgelöst und zwar definitiv. Die Band ist weder explodiert noch implodiert, sie ist einfach in ihre Bestandteile zerfallen.

Sister Double Happiness waren lange im Geschäft, haben einiges mitgemacht; sie waren bei Warner unter Vertrag, was eine schreckliche Erfahrung war und sie sind von all dem müde geworden. Wie Gary in einem früheren Interview sagte: It was fun, but it should have been funnier.

Hinter-Net!: Wie siehst Du Eure Akzeptanz, Euren Erfolg in Deutschland im Vergleich zu den USA ?

JB: Da gibt es nicht viel zu vergleichen: Wir haben uns früher in den USA überhaupt nicht um ein Label bemüht, weil wir das ganze auch eher als ein Projekt ansahen, das uns Spaß bringen sollte. Unsere Alben wurden in Deutschland veröffentlicht. In den Staaten gab es ein Blues-Label, das sich für unsere Musik interessierte, aber wir wollten nicht auf einem Label erscheinen, das ausschließlich Blues veröffentlicht.

Mit dem neuen Album hat sich da einiges verändert, wir sind jetzt eine richtige Band und suchen nun eine Plattenfirma, die „In a dark room“ in Amerika rausbringt.

Hinter-Net!: Glaubst Du, daß man in Deutschland nicht so schnell in eine Schublade gesteckt wird wie dies in Amerika der Fall ist ?

JB: Ich glaube schon. Hier stellt man uns nicht so oft solche Fragen wie: Früher habt Ihr Country gemacht, früher habt Ihr Blues gespielt, jetzt spielt Ihr dieses und jenes. Und wenn uns deutsche oder andere europäische Journalisten dazu befragen, dann hat es mehr mit ihrem Interesse oder Ihrem Fasziniertsein zu tun und nicht so sehr damit, daß sie dich unbedingt auf etwas festlegen wollen.

Hinter-Net!: Gary Floyd ist ja bekannt für seine charakteristische Stimme. Tut er irgend etwas, um seine Stimme zu pflegen, gibt es da irgendwelche Tricks ?

JB: Gary geht sehr vorsichtig mit seiner Stimme um. Du mußt aufpassen, wenn du eine solche Stimme hast, du mußt darauf achten, was du tust. Vor allem wenn du im Winter auf Tournee bist: Du kannst dich dann abends nicht einfach vollaufen lassen, in die Nachtluft hinausgehen und neun Schachteln Zigaretten rauchen und am nächsten Abend genauso kraftvoll klingen wie zuvor. Ich meine, er singt keine Tonleitern um zu üben oder sowas. Aber er ist vorsichtig. Er hat z.B. aufgehört zu trinken.

Hinter-Net!: Wie sehen die Pläne der Gary Floyd Band für die nahe Zukunft aus ?

JB: Nach diesen Presseterminen werden wir in die Staaten zurückkehren und eine Entscheidung über die Musiker treffen, die uns als Rhythmusgruppe begleiten werden. Ende August beginnt dann unsere Tour an der Westküste. In Europa werden wir im Oktober auf Tournee sein, bis November wird das dauern und wir werden auch in Deutschland spielen.