Michael Lewin: 2 Romane

Michael Lewin: Der stumme Handlungsreisende
Michael Lewin: Anruf vom Panther

Die Welt ist rund, sie dreht sich, und je nach dem, wo man steht – oben oder unten – kommt man auch ein Stück weit mehr rum als andere. Oder auch nicht, wie im Fall von Albert Samson, dem billigsten aller billigen Privatdetektive. In diesem wie in so vielen anderen Sommern ist es heiß in Indianapolis, heiß im armseligen Wohnbüro und die Geschäfte laufen nicht schlecht; sie laufen überhaupt nicht. Auch das letzte As im Ärmel, eine Anzeige:

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Sven Böttcher – Wal im Netz

Die Zukunft ist einfach nicht mehr das, was sie einmal war, bevor William Gibson den Cyberspace erfunden hat. In naher Zukunft hängt alles am Netz, Stadtwerke, Post, Pornokanal, einfach alles. Und, wer das Netz kontrolliert, sitzt am Drücker.

Das muß auch Inspector Victor Sherman feststellen, als irgendwann im nächsten Jahrhundert in seiner Dienststelle die Meldung eintrudelt, daß ein Irrer namens Moby Dick in totsichere Systeme eingebrochen ist. Der Spaß hört auf, als Moby Dick seine virtuellen Muskeln spielen läßt und die Wasserversorgung der Stadt lahmlegt.

Der dicke Meeressäuger erweist sich als übermächtiger Gegner für Sherman und seine Crew. Jede Spur endet in einer Sackgasse. Es gibt Ärger mit fliegenden Pizzadrohnen, brutalen Kindergangs und religiösen Massenmördern. Als ob das noch nicht genug wäre will Shermans Freundin auch noch Sex. So richtig körperlich wie früher und nicht virtuell. Es sieht zunächst also gar nicht rosig aus. Doch Shermans neuer Mitarbeiter, der computerbegeisterte Scapegood, bringt virtuelles Licht ins Dunkel und die Verfolgung beginnt. . .

Sven Böttcher, vielen bekannt als Übersetzer von Douglas Adams, schickt mit „Wal im Netz“ bereits zum dritten Mal Inspector Sherman auf Verbrecherjagd. Die Stärke des Romans liegt eindeutig darin, daß man jetzt schon nachlesen kann, wie sich das Neunzigerjahre-Revival im nächsten Jahrhundert anlassen wird: mit lustigen Gerichten wie „Serbische Schlachtplatte“ und „Geschnetzeltes Gorazde“.

Sven Böttcher
Wal im Netz
Goldmann
ISBN 3442435218

Jürgen Benvenuti – Harter Stoff

Der Slogan einer Krimireihe lautet: „Jede Stadt hat das Verbrechen, das sie verdient.“ Und was fällt einem in diesem Zusammenhang zu Wien ein? Spontan vielleicht Ladendiebstahl und illegales Urinieren in Parkanlagen. Doch die Situation könnte sich jetzt ändern. JÜRGEN BENVENUTI, hauptberuflicher Zettelverteiler und Fachkraft für Gelegenheitsarbeiten aller Art haucht der K&K Metropole mit seinem Debütroman HARTER STOFF neues kriminelles Flair ein.

Wie so oft beginnt die Angelegenheit mit einem Telefonanruf. Es ist jedoch nicht der klassische beste Freund in Not oder die ebenso klassische mondäne Blonde in höchster Bedrängnis, sondern ein kleinkarierter, spießiger und schleimiger ehemaliger Mitschüler von Jochen, der ihn aus seinen surrealen Träumen reißt. Paul, so heißt der Nichtswürdige, ist die Freundin abhanden gekommen, abgehauen, vermutlich nach Wien in die halbseidene Szene zwischen Junk und Strich. Nach einigem Gejammer rückt er dann rüber, was er will: Jochen soll sie suchen, eine Woche lang, für zehntausend Schilling.

Als Szenegänger und Ex-Junkie ist Jochen vertraut mit dem Milieu und zehntausend sprechen eine eindeutige Sprache. Außerdem gibt es auch noch eine andere Motivation. Pauls Freundin ist Jochens Ex-Freundin.

Die Suche entpuppt sich als Hardcore Tour de Force wozu nicht nur die Drogistenszene sondern auch Skins beitragen. Und Henry Rollins, der von Jochen gern zitiert wird: See me walking with a gun in my hand, see me walking with a gun in my heart, loaded!

HARTER STOFF wurde bereits 1994 in Wien veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt war Benvenuti immerhin schon satte 22 Jahre alt. Damit gehört er zu den jüngsten Autoren, die nach Arjouni kommen. Sein Stil ist ruppig aber nicht unpersönlich, der Plot gradlinig. Insgesamt ein straffer Krimi, der am Puls der Zeit ist und ein jüngeres Publikum anspricht. Ob das allerdings mit diesem Titelbild funktioniert ist mehr als fraglich. Benvenuti hat wahrscheinlich einen Blutsturz gekriegt als er dieses Cover gesehen hat mit dem sich ein Schmöker in der Sparte „Neue Frau“ verkaufen läßt, aber bestimmt kein Krimi.

Jürgen Benvenuti
HARTER STOFF
dtv 9,90 DM
ISBN 3-423-12205-6

Gisbert Haefs – Kein Freibier für Matzbach

Nachdem Balthasar Matzbach in seinem letzten Fall den Bonner Politklüngel auf groteske Weise aufgemischt hat – unter anderem legte er einer originalgetreuen Kanzlerkopie und einem falschen Oskar Lafontaine das Handwerk – zog sich der Universaldilletant aus diesem Metier zurück. Matzbach tauschte Revolver gegen Remoulade und eröffete ein exquisites Speiselokal auf einem angedockten Kahn am Rheinufer, das seiner Verschrobenheit Rechnung trägt: Der Kellner ist ein gestrandeter Cheyenne, den die US-Army vergessen hat, der Koch ein Ashanti und der Geschäftsführer ein Chinese. Mädchen für alles, im Besonderen auch Damenbeglücker und Bodyguard, ist ein Zwerg mit einschlägiger Halbwelterfahrung.

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Colin Bateman – Eine Nonne war sie nicht

Es fängt ganz harmlos damit an, daß der Kolumnist Dan Starkey seine Frau betrügt und endet damit, daß zwei Autos nebst Insassen in die Luft fliegen. Dazwischen entwickelt sich ein Nordirland-Thriller, der den Preis für das Buch mit dem dümmsten Titel gewinnen kann.

EINE NONNE WAR SIE NICHT heißt im Original „Divorce Jack“. Wie sich rausstellt eine Verballhornung von „Dvorak“. Wegen einer Kassette, auf der sich angeblich eine Aufnahme von Dvorak befinden soll, wird Starkeys Geliebte umgelegt. Dan Starkey gerät unter Mordverdacht und, wie es sich für einen Thriller gehört, muß er die Sache selbst in die Hand nehmen. Dabei kommt er so ziemlich allen politischen Fraktionen und den Paramilitärs in die Quere, die hinter dem Band her sind.

Es geht drunter und drüber: FBI-Beamte fallen von Hochhäusern, Autos explodieren, Sex-Pistols-Platten werden gegrillt und Frauen, die wie Nonnen aussehen sind gar keine. Doch letztenendes siegt zwar nicht unbedingt das Gute, aber zumindest der Status Quo ist wieder hergestellt.

Colin Bateman hat mit EINE NONNE WAR SIE NICHT ein Erstlingswerk hingelegt, das sich wegen des bescheuerten Covers nicht sehen, dafür aber durchaus lesen lassen kann.

Colin Bateman
EINE NONNE WAR SIE NICHT
Bastei Lübbe 9,90 DM
ISBN 3-404-13790-6