Stephen Fenichell: plastic – unser synthetisches Jahrhundert

Mehr als lästig und unästhetisch: Bücher, womöglich in Leinen gebundene Hardcover, die in Folie eingeschweißt sind wie Fertiggerichte aus der Kühltruhe auf denen man auch guten Gewissens den Aufdruck „Futter Synthetik“ anbringen könnte. Aber nicht immer. Manchmal fügt sich doch das eine zum anderen zu einem Gesamtheitlichen Etwas wie beispielsweise bei Stephen Fenichells Werk über die Geschichte des Plastiks. Auf eine verständliche und unterhaltsame Art, wie sie von deutschsprachigen Autoren viel zu selten anzutreffen ist, dokumentiert der Amerikaner seine Haßliebe zum synthetischen Stoff, aus dem die Träume des ausgehenden 20. Jahrhunderts sind.

Plastic ist der Segen und der Fluch unserer Gesellschaft in gleichem Maße. So wünschenswert künstliche Herzklappen sind, so lasziv Gummiklamotten daherkommen, so lästig ist der ganze Verpackungsmüll, der vom Lauf der Welt unbeeindruckt die nächsten Jahrtausende überstehen wird. Fenichell selbst ist hin- und hergerissen und erzählt seine Anekdötchen und historische Fakten von ungeahnten Ausmaßen. Wer wußte schon, daß der Eintritt der USA ins Geschehen des II. Weltkrieges womöglich ganz anders ausgesehen hätte, hätten US-Forscher nicht die Kunststoffsynthese in den Griff gekriegt? Ohne das entsprechende Rohmaterial für die Tonträger hätte sich auch unsere Musikkultur womöglich anders entwickelt. Wie würde Brigitte Nielsen oder Demi Moore aussehen, gäbe es nicht diese extrem strapazierfähigen Beutelchen, mit denen man sich auspolstern lassen kann. Selbst David Hasselhoff machte davon Gebrauch – aber wer will das sehen oder wissen?

Egal, Plastic makes the world go round und Fenichells Buch ist ein schöner Beitrag darüber.

Stephen Fenichell
PLASTIC - UNSER SYNTHETISCHES JAHRHUNDERT
Rütten & Loening 49,90 DM (Hardcover)
ISBN 3-352-00613-X

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