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Gisbert Haefs

Kein Freibier für Matzbach

(Goldmann)

Nachdem Balthasar Matzbach in seinem letzten Fall den Bonner Politklüngel auf groteske Weise aufgemischt hat - unter anderem legte er einer originalgetreuen Kanzlerkopie und einem falschen Oskar Lafontaine das Handwerk - zog sich der Universaldilletant aus diesem Metier zurück. Matzbach tauschte Revolver gegen Remoulade und eröffete ein exquisites Speiselokal auf einem angedockten Kahn am Rheinufer, das seiner Verschrobenheit Rechnung trägt: Der Kellner ist ein gestrandeter Cheyenne, den die US-Army vergessen hat, der Koch ein Ashanti und der Geschäftsführer ein Chinese. Mädchen für alles, im Besonderen auch Damenbeglücker und Bodyguard, ist ein Zwerg mit einschlägiger Halbwelterfahrung.

Wer aber Matzbach kennt, und das sind nicht eben wenige, weiß, daß diese friedvolle Glückseligkeit nicht lange anhalten kann, ohne daß a) sich der fettleibige Amateurermittler langweilt und krampfhaft nach krimineller Betätigung sucht oder b) daß er in irgendwelchen Schlamassel, bevorzugt das Ableben eines mehr oder weniger geschätzten Mitbürgers, hineingezogen wird. Diesmal tritt Plan b in Kraft: Eines Nachts wird ein hoher Regierungsbeamter auf dem Anlegesteg gefunden, der nicht nur kopflos wirkt, sondern es tatsächlich auch ist. Empört ob der Rufschädigung seiner Küche nimmt Matzbach die Ermittlungen auf, in deren Verlauf auch noch sein ehrwürdiger Mentor mit Heideggers philosophischen Traktaten zu Tode gefoltert wird. Als ob dies nicht schon genug wäre, meldet sich auch noch die lokale Unterwelt zur Schutzgelderpressung an; die Ereignisse beginnen sich zu überschlagen bis zum obligatorischen Showdown.

Nach einem eher schwächeren Vorgänger ist Gisbert Haefs mit diesem Roman wieder zu der Form aufgelaufen, die Krimikenner an ihm schätzen. Wer einen Hang zu skurrilen Handlungen, feinsinniger Subversion und ruppigem Kulturbolschewismus hat, liegt mit Kein Freibier für Matzbach goldrichtig.

(th)

Gisbert Haefs
Kein Freibier für Matzbach
Goldmann 12,90 DM
ISBN 3-442-43376-2


Biographie Baltasar Matzbach

". . . wurde Baltasar Matzbach als 'Universaldilletant' bezeichnet, der sich in die Gefilde der Kriminalistik verirrt habe. Das Etikett- . . . beklebt einen, der von vielen Dingen zu viel weiß, um sie ernst zu nehmen, zu wenig, um von ihnen ernst genommen zu werden, und genug, um Experten zu bluffen und Laien zu amüsieren. . . Interessanter sind jedoch andere Aspekte, so z.B. Matzbachs verwegene Verfressenheit; wie zu Zeus sein Donner und zu Jehovah sein Zorn gehört zu Baltasar sein Wanst. Immerhin kann er es sich seit vielen Jahren leisten, Hecht zu essen und zum folgenden Fleischgang einen Grand Cru zu trinken. Er kam über die Welt im gleichen Jahr wie der Zweite Weltkrieg. Nach dem Verscheiden seiner Eltern wuchs er bei Verwandten auf und studierte später Philosophie und Kernphysik. Dabei erfand er etwas für ein Betatron, so kompliziert, daß er es selbst schon nicht mehr erklären kann, aber das Patent wurde bis etwa 1984 verwendet und warf in dieser Zeit einiges ab, wie auch ein vollendet schwachsinniger Schlager, den BM Ende der 50er komponierte und der zuletzt anno '89 aufgenommen wurde, so daß die GEMA bisweilen freundliche Schecks schicken konnte. Ein Hauptgewinn im Lotto sorgte 1962 dafür, daß BM aus dem Gröbsten heraus war. Er investierte klug und ergab sich der sinnlosen Bildung; von ihm verfaßte Werke wie 'Monotheistische Strömungen des inselkeltischen Druidentums', 'Schamanistische Einflüsse in die Analekten des Konfuzius' oder 'Sexualpathologische Aspekte der Psychokinese' gelten in den konzentrischen Fachkreisen als Standardschriften. Einige Jahre hielt er sich, ehe die touristische Völkerwanderung sie verwüstete, an der bretonischen Nordküste auf, als Veruntreuer von Touristinnen und Privatdozent wider Okkultismus. Jahrelang verdiente er sich ein Zubrot mit seinem Kummerkasten 'Fragen Sie Frau Griseldis', der zu 1988 erfolgten Konkurs einer großen Illustrierten beigetragen haben mag. Ferner droht irgendwann die Veröffentlichung seines geheimen Hauptwerks, der 'Leichnam in der Weltliteratur'. Möglicherweise sind seine detektivischen Aktivitäten nur ein Vorwand hierfür, oder umgekehrt. . ."
Aus: Jakob Grunewald: Willkürliche Biogramme 1986 (Verlag für Enzyklopädische Geisteswissenschaften - Edinburg, Simla, Wachtendonk, Cortoba, Beaune)

Biographie Gisbert Haefs

Gisbert Haefs (sprich: Haafs), geboren am 9. Januar 1950 in Wachtendonk am Niederrhein, studierte Anglistik und Romanistik. Er übersetzt aus dem Spanischen und Englischen, arbeitet als Herausgeber (u.a. Werke von Ambrose Bierce, Arthur Conan Doyle, Rudyard Kipling, George Luis Borges) und schreibt eigene Romane und Erzählungen. Seine bekannteste Figur ist der snobistisch verbildete Amateurdetektiv Baltasar Matzbach, der in den folgenden Werken ermittelt:

  • Mord am Millionenhügel (1981)
  • Und oben sitzt ein Rabe (1983/1988)
  • Das Doppelgrab in der Provence (1984/1988)
  • Mörder und Marder (1985/1988)
  • Das Triumvirat (1987)
  • Die Schattenschneise (1989)
  • Matzbachs Nabel
  • Kein Freibier für Matzbach (1996)
Cover von Kein Freibier für Matzbach