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Sky Nonhoff (Hrsg.)

OFF LIMITS

(Manhattan)

 
  Literarischer Underground oder Establishment - letztlich sind diese beiden Begriffe doch nur Vokabeln aus dem Wörterbuch der Phrasendrescher. Was heute Underground ist, kann morgen Establishment sein, siehe Burroughs, siehe Bukowski, siehe Coupland. Unterground hat schlicht und ergreifend den touch des vermeindlich authentischen Lebens jenseits der bereits ausgetretenen Pfade und Fassaden von Ottonormalverbraucher, das nunmal garnicht so wenige führen. Wie hieß es in Das Leben des Brian: "Jeder von euch ist einzig". Leben ist ein individuelles Ding, was jeder hinter der Fassade von Konvention und Bürgerlichkeit bzw. deren zur Schau getragene Ablehnung durchzieht. Der literarische Unterground ist da einfach ein Stück näher dran, als sein etablierter großer Bruder, weil die Autoren und Autorinnen unkonventioneller und unbefangener an die Sache rangehen OFF LIMITS halt und dadurch nicht selten den Nagel auf den Kopf treffen: siehe Burroughs, siehe Bukowski, siehe Coupland.

Aber nicht jeder ist Junkie, White Trash oder gehört zur Generation X. Manche sind einfach 'nur' Musikfreaks, Fußballfans, stehen auf Elvisplatten und Texas, hängen ihren Träumen im Kino nach oder heulen den Mond an, nachdem sie Towns van Zandts 'Roadsongs' in den Player geschoben haben. Nicht wenige, die so normal und doch so abwegig ihr Leben leben kommen sich ein Stück weit verarscht vor, wenn man ihnen eine Hirngeburt wie Peter Handkes 'Niemandsbucht' in die Hand drückt. Zurecht.

Sky Nonhoff, Gitarrist von The Evil Postbox und den Failures, Journalist, Übersetzer und Herausgeber sah sich wohl auch mit diesem Phänomen konfrontiert und hat sich dran gesetzt und einen Reader zusammengestellt, der Stories versammelt, die auch für normale Menschen authentisch sind, bei denen der Bergdoktor nicht im schottischen Hochland auf der Matte steht und auf den Zauberberg will oder die Offerte macht in der Niemandsbucht herumzurudern.

Bei der Auswahl hat Nonhoff ein glückliches Händchen bewiesen. Wohl gerade deshalb, weil er sich nicht darum schert, ob die zwischen einer Schicht Pappe versammelten Autoren (17) und Autorinnen (gleich 2!) den finanziellen Durchbruch bereits hinter sich haben wie Irvine Welsh (Trainspotting) und Nick Hornby oder noch vor sich wie Bridget O'Connor. Ob das nun alles Underground ist oder nicht, wer will diese Frage letztlich beantworten? Aber, und das ist wohl das Entscheidende, die versammelten Stories sind authentisch, sind dicht am Leben dran. Und wenn auch nicht immer am eigenen, so lassen sie doch Filme vor dem inneren Auge ablaufen, in denen man sich selbst in einer Haupt- oder einer Nebenrolle vorstellen kann.

Einer dieser Filme trägt den Titel "Don't Mess With Texas" und stammt von Sky Nonhoff selbst. Es ist ein Texas-Roadmovie, ein innerer Monolog, der vor Namedropping nur so strotzt: Steve Earle, Kinky Friedman, Towns van Zandt. All die skurrilen Gestalten der Singer-Songwriter Szene tauchen auf - und tauchen ab, wie Gesichter am Straßenrand, die nachts vom fahlen Licht der Scheinwerfern des Tourbusses erfaßt werden, bleich durch die Scheiben blicken und wieder im Dunkel verschwinden. Es geht weiter über den schwarzen Asphalt, dem nächsten Tag entgegen, von dem keiner weiß, was er bringen wird. "Don't Mess With Texas" ist der letzte Beitrag, ob und wie es weitergeht weiß nur Sky Nonhoff allein. Was davor war ist jedoch wie der Rückblick auf eine Tour, die einem nachhaltig in Erinnerung bleiben wird. Eine Reihe bemerkenswerter Autoren hat eine Reihe von eindringlichen Stories abgeliefert (z.T. in deutscher Erstveröffentlichung), die einen diesen Reader nicht so schnell vergessen lassen.

(th)

Sky Nonhoff (Hrsg.)
OFF LIMITS
Stories von: Martin Amis, Kazuo Ishiguro, Graham Swift, Roddy Doyle, Pamela des Barres, u.v.a.
Goldmann 'Manhattan' 22,- DM
ISBN 3-442-54016-X

© der Coverabbildung bei Goldmann

Cover Off Limits!