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Rezension Paul Austers City of glass

Mazzuccellis Bilder der Großstadt:

Es austert in New York


Bei Stadt aus Glas handelt es sich um den ersten Teil der New York Trilogie, die hierzulande wie in den Staaten in nicht unwesentlichem Maß für Austers Reputation verantwortlich ist. Um Mißverständnissnen vorzubeugen: es handelt sich bei dieser Trilogie nicht um einen Roman in Fortsetzung sondern um drei Romane, die nur lose miteinander verbunden sind und auch für sich alleine Sinn ergeben. Tatsächlich erschien Stadt aus Glas mitte der Achtziger bei Hoffmann & Campe zunächst separat, noch ehe der letzte Teil der Trilogie im Original vorlag. Diese - wenig bekannte - erste Einführung Austers auf dem deutschen Buchmarkt war allerdings nicht von verkäuferischem Erfolg gekrönt, und so ist es schließlich dem Einsatz des Rowohlt Verlags zu verdanken, daß Paul Auster sich in Deutschland als einer der führenden amerikanischen Autoren etablieren konnte.

Mehrfach angekündigt, erscheint nun ebenfalls bei Rowohlt eine Comic-Adaption von Paul Austers Stadt aus Glas in der Bearbeitung von Paul Karasik und David Mazzucchelli, der auch die graphisch-künstlerische Umsetzung besorgte. Es ist dies Rowohlts erste von mehreren geplanten Übernahmen aus der "Neon Lit"-Serie, die seit 1994 in den USA bei Avon Books unter der Regie von Bob Callahan und Art Spiegelman (Maus) entsteht. Auch nichtcomicinteressierten Auster-Fans dürfte Spiegelman kein unbekannter mehr sein, zeichnete er doch das Titelbild, das sämtliche Ausgaben von Austers bisher letzem Roman Mr. Vertigo ziert.

Das einzige, was man den Machern des Buches wirklich vorwerfen kann, ist, daß Mazzucchellis Name auf dem Einband etwas unterrepräsentiert ist, hat er doch die Hauptarbeit geleistet und zwar ganz vorzüglich. Sowohl die Auswahl der Textpassagen als auch die graphische Umsetzung sind absolut mustergültig. Die Stimmung des Buches ist wirklich hervorragend getroffen mit frappierenden Übergängen von Bild zu Bild und psychedelischen Perspektivspielen, bei denen Gegenstände durch groteske Vergrößerungen bis zur Unkenntlichkeit entstellt werden. Besonderes gelungen ist dies nicht zuletzt bei der Erzählung des jungen Peter Stillman, einer Art Kaspar-Hauser-Figur, der von seinem gleichnamigen Vater in einem dunklen Zimmer gehalten und von jeder Form von Sprache ferngehalten wurde - eine Passage, die schon in Austers Vorlage ein schauriges Kabinettstückchen abgab.

Die Schwarz/Weiss-Ästhetik der Comicunmsetzung erinnert einerseits an Franz Masereels Holzschnitte, andererseits an die "Schwarze Serie", die sie, wie Austers Vorlage den Detektivroman, weniger parodiert als vielmehr zur Grundlage nimmt, um sich "existenzielleren" Fragen zu widmen als dem üblichen "Whodunnit", beispielsweise etwa Fragen nach Identität und der (unwirklichen) Wirklichkeit des Lebens in der Großstadt, die gläsern wirkt aber undurchschaubar bleibt.

STADT AUS GLAS ist ein durchweg gelungener Einstand, also, für Neon-Lit, der auch bei weniger Comic-begeisterten Menschen (wie mir zum Beispiel) dabei helfen sollte, Vorurteile abzubauen, die dem Genre noch immer anhaften. Das Buch ist für jeden Auster-Fan, auch künftige und solche, die die Vorlage bereits zur Genüge kennen, vollstens zu empfehlen, denn Mazzucchellis Arbeit ist was sie ist: kongenial.

(ah)

Paul Auster, Stadt aus Glas. New York Trilogie I. Neon Lit. Comic. Hg. Bob Callahan / Art Spiegelman. Textbearbeitung: Paul Karasik / David Mazzucchelli. Illustration David Mazzucchelli.
Rowohlt, DM 16,90