Lektion 29: Wahlkampf im Internet

Na, wahlberechtigt? Einige von uns waren ja empört, als der Bundestag einstimmig beschloss, dass am 22. September nur Personen unter 18 Jahren ihr Stimmchen abgeben dürfen. Aber seien wir ehrlich: Ist es nicht konsequent, zu einer kindischen Veranstaltung wie der Bundestagswahl auch nur solche Personen an die Urnen zu treiben, bei denen Kindischkeit noch zu den verzeihlichen Begleiterscheinungen ihres Lebensabschnitts gehört?

Auch mit den zusätzlich beschlossenen Einschränkungen kann man, denke ich, leben: „Wer die deutsche Sprache in Wort und Schrift halbwegs unfallfrei beherrscht, verwirkt sein Wahlrecht bis auf weiteres. Wen Edmund Stoiber beim Denken erwischt, der wird mit CSU-Wählen nicht unter 3 Legislaturperioden bestraft. Personen, deren Intelligenzquotient 18 nicht übersteigt, haben automatisch die Partei der es nicht besser Verdienenden – FDP – zu wählen.“

Mit Kennerblick auf die neuen Zielgruppen tobt der Wahlkampf nun fast ausschließlich im Internet, der Heimat aller Spätpubertierenden und Analphabeten. Unser bayrischer Kandidat grinst als „Edi, der gute Onkel mit den feinen Spielsachen“ von seiner Site „Äh…dmund Stoib…äh…r.däh“. Sein von PAMPERS und ALETE gesponserter Internetauftritt umgarnt die avisierten Wählerschichten mit einer geschickten Mischung aus FUN und FACTS. Wir erfahren, dass Onkel Edi drei Überraschungseier gleichzeitig verschlingen kann und noch mit sieben Jahren an der Bettnässerfront seinen Mann zu stehen hatte. „Ich fühle mit Euch!“ ruft er deshalb seinen kaum an den aufrechten Gang gewöhnten Stammwählern in den weißblauen Einwegwindeln zu. Ein Auszug aus dem Wahlprogramm:

„Soll Deutschland bumbum machen? Muß doch! Onkel Bush will! Irak viel böse! Saddam Hitler! Hitler schlecht! Hitlerfreunde auch schlecht, nix Onkel Edi wählen. Arbeitslose faul! Nur Geld woll‘! Onkel Edi den‘ kein Geld mehr gebn! All Geld für Spielsachen geben! Wähl Onkel Edi. Nix böse Onkel Schröder. Der muß arbeitslos!“

Während also Stoiber das eher grenzdebile Stimmenpotential unter 12 Jahren abzugrasen gedenkt, konzentriert sich der derzeitige Amtsinhaber auf die deutlich anspruchsvollere Klientel jenseits des Stimmbruchs.

Unterstützt von BRAVO TV versucht er sich als „Dr. Schröder, der Sexperte“ und beantwortet heikle Fragen seiner schwer an den Folgen eruptiver Hormonausstöße laborierenden Fans: „Macht Petting Pickel? Machen Pickel Petting? Wie kriege ich Britney Spears in die Kiste?“

Auch hier ist der Ton ausgesucht juvenil, etwa wenn Schröder davon berichtet, wie „ich meine erste heiße Tante auf die Matratze gezogen habe und wie wir uns einen hammerharten Beischlaf aus den Gelenken groovten.“

Für einige Aufregung sorgt der angeschlossene Online-Shop („Erlös zugunsten der Flutopfer“), wo der Schröderfan Präservative mit dem Konterfei Edmund Stoibers („den mußt du verhüten!“) oder Poster von Angela Merkel („1968 beim FKK-Urlaub der Jungen Pioniere auf Rügen“) günstig erwerben kann. Letztere zählen unter kritischen Geistern zu den stärksten Argumenten gegen eine CDU-Regierung.

Angewidert von solchen Praktiken gibt sich der dritte Bewerber um das Amt des deutschen Bundeskanzlers. Guido Westerwelle, dessen Website nicht, wie Böswillige verbreiten, von CLEARASIL gesponsert wird, richtet seine eindringliche Ansprache an „die kleinen Intellektuellen“, den beispielhaften Elfjährigen etwa, der sein Taschengeld in Warentermingeschäfte investiert und nur deshalb nicht heimlich raucht, weil er die Tabaksteuer für eine mittelstandsfeindliche Abgabe hält. Ihm verspricht der Kandidat die Wiedereinführung der Standesheirat, damit Geld zu Geld kommt, sowie die Durchsetzung der „Leistungsgesellschaft Schule“, in der zukünftig neue Zweige des profitablen Unternehmertums zur Blüte gelangen sollen. Etwa sogenannte „Homeworking Companies“, bei denen gute, jedoch arme Schüler schlechten, jedoch reichen Mitschülern die Erledigung der Hausaufgaben abnehmen und dafür ein geringes Entgelt erhalten, welches sie als Schutzgeld an körperlich stärkere Kollegen abzuzweigen haben, die wiederum diesen Verdienst an körperlich Schwächere, aber gripsmäßig Überlegene abdrücken. „Da hätte Herr Darwin seine Freunde dran gehabt! Wir schaffen eine Menge Billigjobs für Arme, etablieren einen breiten Mittelstand mit reichlich Muckies und wenig Hirn sowie eine kleine Oberschicht, die den Mehrwert abschöpft. Das ist die Schule des Lebens!“ jubiliert Westerwelle und pinkelt auf den Reservereifen seines Guidomobils.

Wer letztenendes den neuen Wählermarkt am effektivsten zu bearbeiten versteht, zeigt sich spätestens am 22. September, wenn Wahlleiter Michael Schanze im Rahmen einer großen Mohrenkopfparty den Gewinner bekannt geben wird.

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