Live: Air/Sean Lennon

London, Shepherd´s Bush Empire. 2.11.1998.

Eine meiner Lieblingsplatten in den letzten Jahren war und ist immer noch Air’s Moon Safari. Soft, poppig und vor allem wunderbar französisch, das heißt mit der richtigen Portion Käse, immer nur so viel daß derselbe nicht zu stark im Vordergrund steht. Klasse zum Autofahren oder Abendessen.
So war dieser Gig natürlich ein Muss, waren Air doch ernstzunehmende Konkurrenten von Beck im Kampf an der Spitze meiner Beliebtheitstabelle. Ich sage bewusst waren.

Das Empire ist ein altes Theater im Londoner Westen. Eine Venue nach meinem Geschmack, mit Balkon und Kronleuchter, und vor allem nicht zu groß, fasst etwa 2000 Leute. Natürlich ausverkauft wie fast jedes Konzert hier. Sean Lennon eröffnet die Gala mit seinen New Yorker multikulturellen Freunden. Ist ganz nett, teilweise sehr an die Solosachen seines Daddys erinnernd, dessen Vermächtnis tonnenschwer auf dem jungen Mann lasten muß. Ich habe fast ein bischen Mitleid. Wie will man denn John Lennon ebenbürtig sein, geschweige denn ihn übertreffen? Doch Sean macht seine Sache gut, produziert äußerst hörbare Stuecke und kommt ganz relaxed rueber. Nur der Ausflug in Richtung Rap erweist sich als sehr gewagt. Überlaß das mal lieber den Beastie Boys, denke ich bei mir, oder dem schwarzen Freund, der ansonsten Percussion spielt. Denn bei dem wirkt das ganz gut. Als Sean aber einsetzt, wird’s etwas mulmig.

Wir warten auf AIR. Schliesslich kommen sie in Scharen auf die Bühne, verblüffend da sie im Studio doch hauptsächlich zu zweit agieren. Alle sind in Weiß gekleidet, ein Hauch von Showbiz. Doch sieht man genauer hin, dann sind die weissen Klamotten Jeans, Sweatshirts und Turnschuhe, so ganz und gar nicht glamourös, ein eher halbherziger Versuch eines Bühnenkonzepts. Auch die schlechten Frisuren der rechts und links am Bühnenrand aufgebauten Keyboarder vermitteln eher das Image von Leuten, die auf Style wenig Wert legen. Sie sehen eher aus wie farblose Hippies. Dieses leicht deplazierte Gefühl setzt sich dann auch in der musikalischen Darbietung fort. Sie versuchen schlicht ihre Musik zu Rock umzufunktionieren. Verschwunden ist die Coolness, das easy listening und der Glanz, der AIR ansonsten ausmacht. Kelly Watch The Stars wird ins Punkrockkorsett gezwängt – es passt nicht. Coverversionen sollen doch die anderen machen. Sie kommen rüber wie eine aufgekratzte Schuelerband der besseren Sorte. Der Schlagzeuger spielt immerzu seinen Lieblingsbreak, irgendwann muß es uns doch gefallen. Spätestens alle acht Takte RummeniggeRummeniggeKaltz.

Ich stelle mir vor, wie sie einen Ersatz für den ausgefallenen Schlagzeuger gesucht haben, denn dieser scheint nicht der Richtige zu sein. Hoffe ich zumindest, denn er klingt doch zu sehr nach einer Notlösung. Er ist ein solider Drummer, keine Frage, nur leider in der falschen Band. Gegen Ende kommt dann die Lady von der Schallplatte und fährt den Karren nochmal einigermaßen aus den Dreck. Ihre beiden Songs sind eben wie auf Platte, was normalerweise nicht sehr aufregend ist, aber allemal besser als eine schwache Liveversion, die auf Teufel komm raus anders sein will. Am Schluss bedankt sie sich beim Publikum, sinngemäß sei dies einer der ersten Orte gewesen, wo man verstanden hat ‚what AIR is about‘. Mein Freund Andrew daraufhin: „Just a shame they don’t.“

Ich revidiere meine Meinung, daß AIR und Beck in einer Liga spielen an diesem Abend. Zumindest was Konzerte angeht, sind AIR eher mittelmäßig, eine durchschnittliche Rockband, die sicher viel Erfolg auf französischen Univeranstaltungen haben dürfte.

(mk)

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