Boss Hog: same

Das wichtigste vorneweg: BOSS HOG (das Album) ist eine mittlere Sensation und bereitet unendlichen Hörspaß.
Die BOSS HOGs sind Christina Martinez, ihr langjähriger Lebensgefährte (nennt man wohl so) Jonathan Spencer, Jens Jurgensen und Hollis Queens. Posierte Christina Martinez auf dem ersten Album der Band (1990) noch in bester Modell-Manier im Sinne von „Wer ist die Schönste im ganzen Land?“, zeigt das Cover der diesjährigen Veröffentlichung die äußerst smarte Schönheit als Zeichenfigur ganz im Stil eines Comicvorspanns zu einem Krimi aus den 60er Jahren. Wie eine Mischung aus Emma Peel und Marie Poppins (mit aufgespanntem Schirm) schaut uns die gezeichnete Christina vom Cover aus an: Hexensymbolik im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert. Die Musik auf „Boss Hog“ taugt ebenfalls zur Mythenbildung und bietet genug Anlaß, um von Magie zu sprechen.

BOSS HOG ist die geradlinigere Version von John Spencers anderem Bandprojekt, der BLUES EXPLOSION. Trash-Pop, Noise, Blues, Hip Hop, Glamour und sehr alter Soul sind die Grundlagen der Musik beider Bands. Wo die BLUES EXPLOSION dauerhafter dekonstruiert, finden BOSS HOG schon einmal den Weg zum fast durchgehend eingängigen Popstück („Walk In“). Interessanterweise klingt die Musik beider Band des New Yorkers John Spencer sehr spontan und unmittelbar. Gerade bei „Boss Hog“ wird jedoch die Komplexität der Musik schnell klar. John Spencer ist Pophistoriker und weiß genau, wann welches Zitat aus der fünfzigjährigen (mindestens) Geschichte der Popmusik gerade passend ist.

Die meisten Lieder singt Christina Martinez, nach Angaben von Spencer zufolge auch die eigentliche Chefin von BOSS HOG. Produziert hat Spencer zusammen mit Steve Fisk (SCREAMING TREES u.a.). „Reduced“ (Covertext) wurde die Produktion dann wieder von Christina. „I Dig You“ könnte man als den Höhepunkt des Albums bezeichnen. Nach einleitenden Grillenzirpen kommt ein schmissiges Blues-Riff und John Spencer, der hier wie Richard Hell klingt, singt ein herzergreifendes Duett mit seiner geliebten Christina. Irgendwann kommt noch ein holpriges Schlagzeug und eine Blues-Harp dazu. Hit! nannte man das früher. Hoffentlich wird dies auch von anderen Millionen Menschen erkannt. Der anderer Hit des Albums ist „I Idolize You“, im Original von Ike and Tina Turner. Das Lied erschien 1968 auf deren Album „River Deep, Mountain High“, produziert von Phil Spector im epochalen Breitwandsound. Die BOSS HOG-Version als Breitwand-Trash-Song ist dem Original gar nicht mal so unähnlich.

Bei der Tournee im Oktober betonten die BOSS HOG-Mitglieder auf der Bühne ihre Vorlieben für Soulmusik. Die leben sie auf dem Album in erster Linie in kleinen Breaks (etwa bei „White Sand“) aus, die mit E-Piano und Klavinett gefüllt werden. Als Band taugen BOSS HOG durchaus als Modell einer Popband fürs nächste Jahrtausend. Dank der optischen Qualitäten von Christina Martinez können sie es sogar auf die farbigen Seiten diverser Magazine schaffen. Der Erfolg bleibt dann wohl nicht mehr lange aus.

Boss Hog: same
(Geffen)

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