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Lee Hazlewood with the Al Casey Combo

Farmisht, Flatulence, Origami, ARF!!! and me...

(Smells like records)

Lee Hazlewood with the Al Casey Combo - Farmisht, Flatulence, Origami, ARF!!! and me... Vergessen wir mal George Gershwin und Cole Porter und setzen die Zeitenwende so vor fünfzig Jahren an, dann ist Lee Hazlewood sowas wie der Bach (Johann Sebastian) unter den Komponisten des 20. Jahrhunderts - nämlich ein ganz, ganz Großer, lange vor Piffern wie Mozart oder Beethoven, und auch wenn ihr Ruhm den seinigen überstrahlen mag: er war vorher, und er war größer!

Und so wie Bach posthum ein fröhlich Revival feierte, erlebt auch Lee Hazlewood gerade eine Art Auferstehung, gottlob qicklebendig (gerade 70 geworden) und aus eigener Kraft. Nach über zwanzig Jahren meldet er sich mit einem neuen Album zurück, veröffentlicht beim Label des Drummers von Sonic Youth!

Nur noch einmal: Lee Hazlewood ist cool und Kult, und wer ihn nicht kennt, der kennt doch zumindest die Resultate seiner Zusammenarbeit mit der kongenialen Nancy Sinatra, "These boots are made für walking", "Jackson","Summerwine" und wie sie alle heißen... Irgendwo zwischen Vaudeville und Broadway, zwischen Kitsch und Kunst. Lee Hazlewood ist der Brian Wilson der Tanzmusik, nur klar im Kopf!

Ja, seine Genialität blitzt immer noch durch, vorwiegend vermöge der sonoren Stimme, die so herrlich intonieren und prononcieren kann, ach - das geht durch und durch! Interpretieren kann er mindestens ebensogut wie komponieren, und man hört ihm den Spaß an der Sache an! Denn die Seriösität der Jazz- und Swing-Arrangements, immerhin singt er hier ja zur Al Casey Combo, ist nur Verkleidung ("Camouflage" würde mein extrem geschätzter Uni-Mentor sagen), zwischen den Zeilen schimmern nicht nur große Gefühle, sondern auch Diabolik und Augenzwinkern durch.

Songrepertoire und Umsetzung sind vom Feinsten, die Combo untermalt aufs Edelste, gut durchgehangener Swing eben: zarte Holz- und sexy Blechbläser, zupackendes Piano, auch mal plüschige Hammonds und Synthie-Strings, ploppende Vibes, sanft die Drums schrubbernde Besen, filigrane entlang schlüpfende Gitarren, und ein erdiger Baß rundet das Bild ab. Das thrillt. Auch wenn´s entspannt. Auf die Notenständer kommen fast nur Klassiker: "Ain´t misbehavin´", "It had to be you", "Try a little tenderness" (in der Otis-Redding-Version das Lieblingslied von OP-Schwester Camille, der Noch-und-Wieder-Frau des freundlichen Dr. Shutt in "Chicago Hope Hospital")... Und "Makin´ Whoopee" - "Whoopee": ein typisches Lee-Hazlewood-Wort, wie ich finde, obwohl ich´s nicht erklären kann. Der Mann ist sich nie zu schade für infantile Ausdrücke, und nicht nur, daß es nicht peinlich wird - nein, Hazlewood adelt sie förmlich, obwohl es nicht seine Absicht ist, könnt Ihr mich verstehen?

Ausdrücklicher Anspiel-Tip ist übrigens "Am I Blue", der Rausschmeißer der Scheibe, der nach wenigen Sekunden zum country-esken Feger explodiert und das Album zu zirpender Fiddle fröhlich zu Ende schunkelt!

Also, wenn Ihr Euerm CD-Player mal was Gutes tun wollt, sowas richtig Gutes, wenn ihr ihn sozusagen mal "ausführen" wollt, so richtig groß, dann tut es mit dieser CD, und zarter Goldstaub wird sich kaum merklich über Eure Einrichtung und Eure Gehörgänge legen. Das ist dann das Werk von Lee Hazlewood, dem Frühen und Großen!

(Katja Preissner)

 Cover Lee Hazlewood