Interview: Lambchop

Super Sophistication, Nashville

Offen gesagt mag ich keine Country Musik, und demzufolge habe ich auch keine Ahnung davon. Und damit sich auch die weiterhin für einen Artikel über Lambchop interessieren, denen der Begriff ähnlich dumpfe Assoziationen einjagt wie mir, werde ich mich hüten, ihre Musik als Country zu bezeichnen. Eine Nashville Band sind Lambchop aber sehr wohl, und dazu gleich mehr.

In den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren modelte ein gewisser Chet Atkins die bis dahin ländlich-einfache Arrangierung von Musik aus Nashville (also C…) um in eine üppige Form ihrer selbst. Damit übersetzte er eine weiße amerikanische Volksmusik in weiße Popmusik.

An genau jenen Sound knüpfen Lambchop an: ausgewählte Streichersätze, extrem ausgetüftelte Klangverhältnisse, stylisierte Dramatik. Der Songwriter und Chef der Band, Kurt Wagner, benutzt gerne den Begriff „Perfektion“, welcher das neue Lambchop-Album „How I Quit Smoking“ so treffend charakterisiert wie sonst nur noch „Sophistikation“. Beim Aufeinandertreffen dieser Prinzipien mit Kurts Humor, Drogenerfahrungen und musikalischen Ideen entsteht diese seltsame, feine Musik, die nicht weit weg von Twin Peaks wohnt.

Kurt zufolge sind Lambchop offensichtlich in der Musikszene von Nashville akzeptiert- wie könnte er anders nun in Europa sitzen und Interviews geben? Einschränkend fügt er hinzu, daß er dort als ziemlich strange gilt („Komme ich Dir seltsam vor? Ich bin ein normaler Kerl.“) Fast scheint es so, als gefalle ihm diese Position als anerkannter Außenseiter in seinem Zuhause nicht. Schließlich sind Ihm die musikalischen Traditionen der Stadt lieb und teuer, und wenn er Lambchop als „New Nashville Sound“ bezeichnet, dann ist das „new“ nicht wichtiger als der Rest. Ist der „New Nashville Sound“ die Idee einer Szene?

Kurt: „Eine Bewegung ist es nicht, sondern eine Band – und das sind wir. Die Bewegung ist in uns selbst. In Nashville passieren andere Dinge- Independent Music, Rock Music. Was jetzt gerade interessant ist, ist eine Art Hillbilly-Honky-Tonk-Sound. Da wird eher versucht, den Spuren des Honky-Tonk zu folgen, als innovativ zu sein- was ich auch cool finde. Doch uns interessiert es, die Ideen anderer zu nehmen und etwas Neues daraus zu machen. Die spielen, was sie wollen, und ich spiele, was ich will. Lambchop spielen gerne Musik.“

Und sind soweit von Honky-Tonk weg, wie sich nur irgendjemand vorstellen kann. Hauchzarte, psychoaktive Soundschichten umspielen hier eine hochsensible Rhythmus-Sektion. Beim ersten Hören klingt alles eher statisch, während im Laufe der Zeit immer deutlicher wird, wie sehr das hier lebt.Dahinein bettet Kurt noch die unrhythmischsten Textzeilen, bis sich Wort und Musik aneinander schmiegen und darauf warten, elegant und smooth vorgetragen zu werden. Die Frage liegt nahe, ob er dies durch eine bestimmte Technik des Songschreibens erreicht.

„Ich probiere viele verschiedene Techniken aus. Nehme mir Methoden anderer heraus- große Poeten, Schriftsteller- oder schaue einfach Fernsehen und sitze davor und notiere Satz nach Satz. Manchmal ist es einfach eine Chronik der Dinge, die ich an einem Tag getan habe. Da sitze ich irgendwo sehr ernsthaft und versuche, mich von außen zu betrachten, und dann suche ich eine Form, durch die ich meine Betrachtung interessant gestalten kann. Manchmal habe ich die Musik zuerst, manchmal schreibe ich die Musik erst zum Text. Keine festgelegte Art also, die Dinge zu tun.“

Doch die Gabe, Text und Musik so ungewohnt miteinander spielen zu lassen, ist nicht der einzige aufregende Aspekt, wenn es zu Kurts Gesang kommt. Seine Stimme, die auf „How I Quit Smoking“ ganz nah an Deinem Ohr ist, trifft den Ton nie genau. Und aus eben diesem Schlingern zwischen den Tonhöhen entstehen Minimelodien, die es wert sind, auf Einzelheiten hin gehört zu werden.

Kurt erläutert zu seinem „Storytelling“, anfangs ein Hillbilly-Heulen draufgehabt zu haben. Sein jetziger Stil sei aus der Suche nach der Möglichkeit entstanden, den Soundzirkus seines großen Orchesters Lambchop auf einem ruhigen, geordneten Level zu halten. So sähe er sich inzwischen gerne in der Tradition des Croonings, ist sich jedoch nicht sicher, den Großen dieses Stils (wie seinem Favoriten Jim Reeves) jemals nahekommen zu können.

Angesichts seiner Reaktion auf mein Kompliment zur Lp („Finde sie auch toll!“) und seines unerschütterlichen Selbstbewußtseins ist das eine sehr sympathische Aussage. Doch der Sound von Lambchop wird diesen individuellen Erfolg von Kurt nicht brauchen. Ihnen ist gelungen, was sie als Hoffnung selbst so formuliert haben: „…die extravaganteste und schönste Platte voller eitlem Rock zu machen…“.

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