Interview: David Munyon

Ein Haufen alter Hippies…

David Munyon begann so um 1967 in Kalifornien Musik zu machen. Anfangs spielte er Gitarre in einigen Bands, die so nette Namen wie Grapes of Wrath ( wie das Steinbeck Buch) oder East Coast Chapter hatten. Die Bands konnte er nie zusammenhalten, da die Jungs zum Militär mußten oder einfach zuviel tranken.

Daraufhin beschloß er, nur noch allein mit der Acoustic in den USA zu reisen, um in Cafes, Restaurants und gelegentlich in Bars zu spielen. 1986 ging er schließlich nach Nashville und traf dort Greg Humphrey, seinen heutigen Produzenten und begann ein Projekt zusammen mit Matt Rowlins und Leland Sklar, Anthony Crawford, Billy Joe Williams jr.. In ihrem Haus haben sie sich zusammen gesetzt und in 4 bis 5 Tagen auf 24 Spuren ein Album aufgenommen.

Mit der Unterstützung von ein paar Freunden aus Kalifornien brachten sie die Platte auf einem eigenen Label (Los Hermanos) raus. Ihnen fehlte es aber am nötigen Kleingeld, um das gute Stück vernünftig zu verkaufen. Insgesamt wurden nur einige hundert Stück der ‚Code Name: Jumper‘ verkauft. Auf einer Messe in Texas traf er dann jemanden vom deutschen Label Glitterhouse. Glitterhouse brachte das Album und die Nachfolger „Acrylic Teepees“ und „slim possibilities“ in Europa raus und unterstützte Munyon schon auf seiner ersten Europatournee vor drei Jahren.

David Munyon ist eine unglaublich charismatische Perönlichkeit. Während seiner Konzerte sitzt er mit seiner Acoustic auf einem Stuhl, vor ihm ein Notenständer, auf dem sein Songbook mit mehr als 400 Songs liegt. Die Aura um ihn herum läßt sich nur mit einem Hochspannungskondensator vergleichen. Man hat ständig das Gefühl, die Spannung springt über.

Leider gibt es immer wieder besch… Publikum. Jauchzende Barfußtänzer und Landeier, die nie die Klappe halten können. Irgendwann schließt Du deine Augen und hörst ihm zu. Vor dem geistigen Auge laufen die Geschichten ab, von denen er erzählt. Alles andere erscheint irrelevant. Im Anschluß an sein Konzert im Kölner MTC nimmt er sich Zeit für ein kurzes Interview. Im kleinen Backstage Raum spielt sich Steve Wynn hinter mir für seinen Auftritt warm. Munyon ist anzusehen: Er hat alles mitgemacht, die schlimmsten Dinge gesehen und erlebt; hat kleine Dinge gesehen, die ihm eine Riesen-Freude bereitet haben. Sein Glück strahlt er aus jeder Pore seines vernarbten Gesichtes; ohne zu lachen, ohne zu lächeln.

Hinter-Net!: Mr. Munyon, auf Ihren Platten spielen Sie mit einer Band, hier auf der PopKomm spielten Sie aber ganz allein…

Munyon: Ich spiele meist allein. Für diese Europatournee wollte ich eigentlich mit der Band spielen, mit der ich auch die letzten Platten aufnahm. Ich kann es mir einfach nicht leisten, eine Band zu engagieren. Außerdem haben die meisten eine Familie in Nashville und daher wenig Interesse, mehrere Monate durch Europa zu touren.

Hinter-Net!: Was für ein Unterschied ist für Sie live mit oder ohne Band zu spielen ?

Munyon: Ich hatte bis jetzt nur einige Male die Gelegenheit dazu. Unter anderem mit Warren Haynes ( Allman Brothers). Sonst spiele ich nur mit anderen zusammen, wenn es sich zufällig ergibt. Vielleicht werden wir auf der nächsten Tour mit Band spielen.

Hinter-Net!: Spielen sie mit Band die gleichen Songs ?

Munyon: Ja, da ändert sich nicht viel. Für diese Tour war sie geplant mit David Pomeroy am Bass, mit Craig Krampf an den Drums und mit Al Perkins (Ex-Emmylou Harris Band) an der E-Gitarre. Die meisten wollten nicht ohne Familie touren. Viele Musiker aus Nashville wollen im Moment in kein Flugzeug steigen, da Freunde im Crash in Florida gestorben sind. Und Chet Atkins Bassist ist mit der TWA 800 über Long Island abgestürzt. Jetzt ist er vielleicht im Himmel und schreibt Songs mit Elvis. Ich hatte genug Glauben und war sicher, heil anzukommen.

Hinter-Net!: Kommen in Europa andere Leute zu Ihren Konzerten als in den USA ?

Munyon: Das Publikum in Europa ist völlig anders. Ich wünschte, ich könnte es mitnehmen. Sehr enthusiastisch und die Leute behandeln mich mit sehr viel Respekt. Manchmal spiele ich in Nashville in einem Cafe fünf Stunden am Stück und bekomme keinen Applaus. Die großen Shows in Nashville, das ist nur Country. Ich habe allerdings kein stereotypisches Country Publikum. In den USA ist es normalerweise so: Komme ich in eine Stadt, frage ich einfach solange, bis ich irgendwo spielen darf. Dadurch kommen die Leute eher zufällig. Reisen liegt mir im Blut. Mein Vater war in der Navy, und arbeitete für die NASA, wir haben schon immer aus dem Koffer gelebt. Bis jetzt habe ich in den USA, Kanada und Europa gespielt, wir planen aber im Fernen Osten (Japan, Taiwan) zu touren. In China wurde ein Einreiseverbot verhängt. Aus politischen Gründen. Ein Song vom ersten Album, Bejing Dreams, handelt vom Massaker während des letzten Revolutionsversuchs.

Hinter-Net!: Wieviel Politik liegt in Ihren Texten ?

Munyon: Ich glaube ich war schon immer ein politischer Songwriter, habe auch Politikwissenschaften an der Uni studiert. Mir war aber nie bewußt, daß ich politische Songs schreibe, bis eine Verlegerin sagte, ich schreibe politische Texte. Erst da wurde es mir richtig bewußt. Ich sehe mich aber lieber als ein Geschichtenerzähler.

Hinter-Net!: Sehr oft sprechen Sie von »wir«, wenn es um Ihre Musik geht

Munyon: Wir ist Gott, ich, alle, die mit geholfen haben. Ich spiele Gitarre, seit ich 13 bin und jetzt nach 30 Jahren bekomme ich eine solche Anerkennung, das ist ein gutes Gefühl. Es war anscheinend das Warten wert. Glitterhouse macht gute Arbeit, die beste Firma, die ich haben könnte. Mit 13 hatte ich kein Geld, jetzt habe auch nicht viel mehr. Ich lebe »on a steady diet of miracles«.

Hinter-Net!: Haben Sie den Erfolg noch erwartet ?

Munyon: Irgendetwas hat mich immer vorangetrieben. Mit 17 habe ich angefangen in LA aufzutreten, dann wurde meine Mutter in Florida erschossen. Irgendwelche Verrückte, die neben ihr wohnten, haben mit einem Gewehr durch Wand geschossen und sie dabei getötet. Ich war zu der Zeit in LA. Im Militär war ich einige Male, auch in Vietnam, bin aber immer wieder zur Musik zurück gekommen. Einige Jahre Alkoholkrankheit, habe es aber überstanden. Die Dinge laufen sehr gut im Moment, ich bin sehr glücklich, fühle mich fast wieder wie ein Kind.

Hinter-Net!: Was hat Sie zum Weitermachen getrieben ?

Munyon: Songs konnte ich immer schreiben, egal ob ich meinen Job verloren habe oder etwas anderes mich umgeworfen hat. Songs konnte ich immer schreiben. Jemand aus meiner Kirche zeigte mir vor einiger Zeit einen Vers aus der Bibel » Gott schenkt uns unsere Lieder in der Nacht« Es ist meine Bestimmung, Songs zu schreiben. In den letzten Jahren war Gott sehr gut zu mir, fast hätten sie mich untergekriegt, ich bin wohl gerade noch davon gekommen.

Hinter-Net!: Denken Sie, die vermehrten Reisen und der Erfolg werden Ihre Musik verändern ?

Munyon: Die Musik wird sich nicht verändern, vielleicht wird sie besser. Ich lerne vielleicht einige neue Akkorde. Greg (Produzent) und ich haben lange darüber nachgedacht, was wir machen wollen. Versuchen wir zu einem Major Label zu kommen, aber mit unserer Musik, 7-8 minütige Songs über Jesus, Krishna, Buddah, Rama, Vishnu, damit will die große Country-Industrie nichts zu tun haben. Sie mögen die Musik vielleicht, können sie aber nicht bei ihrem Publikum vermarkten. So beschlossen wir »Zur Hölle mit dem Geld !«

Hinter-Net!: Sie sprechen sehr oft von Gott, aber auch vielen anderen Religionen.

Munyon: Es gibt da ein Buch: »Autobiography of a Yogi«. Er verbindet alle Religionen, und sagt, es sind alles nur Namen, genauso wie es viele Namen für Blumen oder Bäume gibt.

Hinter-Net!: Ist dies ein Teil Ihrer Message ?

Munyon: So ungefähr. Wir hoffen auch etwas peace zu bringen, wenn wir nicht vorher aus der Stadt gejagt werden. Wir sind halt ein Haufen alter Hippies

Backstage: der Künstler und sein Interviewer

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