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Es tut sich was in Irland! Jüngste musikalische Entdeckung
von der grünen Insel ist das Trio "Rare". "Rare" wurde
vom ehemaligen "Undertones"/"That petrol emotion"-Gitarristen
Sean O`Neill gegründet. Außerdem gehören der Bildhauer(!) Locky Morris und
Mary Gallagher, eine ehemalige Dozentin für Kunstgeschichte(!) zur Band.
Nicht minder interessant wie die Besetzung ist die Musik, die "Rare"
macht: Eine ziemlich gute Mischung aus Rock, Pop und TripHop. Am 27. März
erscheint das Debüt-Album der Iren, "Peoplefreak". Anläßlich einer
Promotour von "Rare" durch Deutschland sprach Hinternet-Mitarbeiter
Martin Schrüfer mit Sean O`Neill.
Wenn Du Deine Musik jemanden beschreiben müßtest, der noch nie zuvor von
"Rare" gehört hat, was würdest Du sagen?
Oh Gott, das ist diffizil. Wir machen nicht nur analoge Musik, und
können uns nicht nur als Pop-Band klassifizieren, obwohl wir öfters mit
dem Strophe-Refrain-Strophe-Schema arbeiten. Wir hören viel Dance-Musik
und versuchen das zu groovigen Rhythmen zu verarbeiten. Einige Leute
bezeichnen uns als Trip-Hop-Band, aber das ist auch nicht ganz richtig,
weil wir auch mit Gitarren spielen. Vielleicht kann man uns als
Dance-Pop-Band bezeichnen.
Ich habe in Eurer Band-Info gelesen, daß ihr im April 1996 Eure normalen
Berufe aufgegeben habt und von da an professionell Musik gemacht habt.
Wie sind jetzt, knapp zwei Jahre später, Eure Erfahrungen damit?
Bedauerst Du es, Deinen alten Job nicht mehr machen zu können?
Nein, weil es in Londonderry, wo wir leben, sehr schwierig ist, das zu
machen, was wir tun. Niemand sonst tut es. Das machte es technisch und
praktisch schwierig. Wir haben eine gewisse Zeit gebraucht, bis wir mit
dem Equipment gut umgehen konnten. Da wir uns jetzt darauf konzentrieren
können, läuft es immer besser. Wir experimentieren mehr.
Laß uns über Euer Album "Peoplefreak" sprechen. Eure Songs sind sehr
komplex aufgebaut. Erzähl` mal, wie "Rare" einen ganz normalen Song
schreibt.
Die meisten Songs sind konventionell entstanden, das heißt, daß die
orginale Idee auf der Gitarre gespielt wurde. Wir nehmen jetzt aber mehr
und mehr den Sampler und den Computer dafür her. Wir sampeln jeden Teil
der Musik und arrangieren es am Computer, loopen es undsoweiter und dann
nehmen wir den Rhythmus dazu. Das ist sozusagen der Backing-Track. Dann
kommen die Melodie und die Worte oben drauf dazu.
Wer schreibt die Songs? Alle zusammen?
Die meisten Songs schreiben Locky (Morris) und ich. Auch, weil wir
zusammen gelernt haben, die Technik zu bedienen. Einer von uns hat eine
Idee und wir basteln abwechselnd daran, drehen sie in verschiedene
Richtungen. Dann probieren wir die Melodie aus.
Zuletzt singt dann Mary Gallagher über das Ganze?
Ja, sie bringt ihre Ideen mit ein und versucht das zu interpretieren,
was wir vorschlagen. Wenn sie sich damit wohlfühlt, dann ist alles o.k.
Marys Stimme ist sehr wichtig. Wir arbeiten meist in unserem kleinen,
eigenen Studio in Londonderry. In einer sehr entspannten Atmosphäre.
Locky Morris sagte: "Peoplefreak muß die Leute überzeugen, egal, von wo
sie kommen. Derry beeinflußt das Album nicht, und es ist auch keine
geistige Einstellung. Kannst Du erklären, was er damit meint?
Diese Frage haben mir schon viele Leute gestellt. Derry ist sehr wichtig
für uns, weil das unsere Heimat ist, alle unsere Freunde leben dort und
wir wollen es auch nicht verlassen. Aber wir hören auch viel Musik aus
Amerika, England und Europa. Wir bewahren uns einen freien Kopf.
In Deutschland wird das Land Irland oftmals als erstes mit Terror und
Blutvergießen verbunden. Könnt ihr Eure Arbeit von diesem Aspekt
isolieren? Wie lebt ihr damit?
... (lacht) Wir sind ein bißchen davon isoliert, weil wir mit der Musik
viele andere Einflüsse aufnehmen. Aber es geht uns auch persönlich nahe,
das schlägt sich zwar nicht in den Lyriks nieder, aber es beeinflußt die
Art, wie wir Musik interpretieren. Wir versuchen so instinktiv und
spontan wie möglich die Dinge anzugehen. Das ist wichtig. In Derry ist
die Lage besser wie anderswo, der Frieden macht dort Fortschritte. Die
Leute kommen immer mehr darauf, daß sie sich selber helfen müssen. Das
reflektieren wir mit unserer Musik.
Sind in Eurer Musik politische Statements?
Nicht im eigentlichen Sinn. Vielleicht aber durch unsere Arbeit. Wir
sind erfolgreich und inspirieren unsere Leute dazu, es auch zu
versuchen. Damit wäre ich zufrieden. Das finde ich gut.
Gibt es entsprechende Ansätze in Derry?
Derry ist eine sehr konservative Stadt, es gibt viele Arbeitslose, so
daß es sehr schwierig ist, auch an Instrumente zu kommen. Wir haben
angefangen, Instrumente auszuleihen, damit Bands experimentieren können.
Das ist ein langer Prozeß, der da beginnt.
Welche Einflüsse haben eure Musik zu dem gemacht, was sie ist?
In erster Linie Massive Attack, Soul to Soul und auch Björk. Ich mag das
sehr, was sie macht. Interessanter Anspruch, den sie hat. Tricky ist
auch wichtig, wir hören auch viel Reggae und Black Music. Die war immer
am innovativsten.
Was hältst Du eigentlich von den neueren Sachen einer anderen irischen
Band, nämlich U2?
Ach, ich war nie ein großer Fan von U2, aber ich mag die neuen Sachen
lieber als die alten.
1997 spielten vor allem britische Bands eine große Rolle im
Musikgeschäft, Beispiele gibt es genug. Woran liegt das Deiner Meinung
nach? Zufall?
Viele Bands mixen die unterschiedlichsten Stile zusammen, das klingt
meistens sehr interessant. England ist ein großer "Melting pot". Viele
gute Ideen kommen da raus, unter anderem auch die Britpop-Schiene mit
Oasis und The Verve.
Abschließende Frage: Wann seid ihr auf Tour?
Wir spielen im April in England, ich hoffe, daß wir im Mai nach
Deutschland kommen. Wir lieben es, live zu spielen und tun das auch oft
in Derry. Wir haben sechs Monate gebraucht, um die CD fertigzustellen
und freuen uns jetzt sehr darauf, live zu spielen.
(ms)
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