Interview: Tanga

Popmusik – völlig befreit

Wie ist Tanga entstanden?

PB: Tanga gibt’s erst seit ca. einem Jahr. Damals war für uns eine Umbruchzeit, in der wir sehr viele experimentelle Musik gemacht haben. Wir haben uns dann aber doch selbst wiedergefunden und festgestellt, daß es eben doch die Popmusik ist, die wir machen wollen. Für uns war es ein sehr wichtiger Prozeß, wieder ein Songgefüge zu finden. Deswegen ist Tanga auch entstanden. Wir haben dafür alles aufmacht und können wieder völlig befreit von der E-Musik Pop-Musik machen.

Ihr habt E-Musik gemacht?

JK: Ja, sehr experimentelle Sachen. Wir haben z.B. Musik für Kunstausstellungen gemacht. Halt ernste Musik.

Eigentlich versteht man unter E-Musik ja hauptsächlich Klassik.

PB: Nun ja, da gibt es ja irrsinnig viel, auch auf elektronischem Wege. Wir haben u.a. Sachen für Kunstradio gemacht. Ein anderes Projekt war, einen Traum musikalisch nachzuzeichnen. Eine zeitlang war so etwas für uns sehr wichtig. Dann haben wir wieder zur Popmusik zurückgefunden.

Und woher stammt der Name „Tanga“?

JK: (lacht) Der Name stammt von einem belgischen Model. Wir sammeln ja nicht nur Synthesizer sondern auch Sed-Cards. Da haben wir eine (zeigt auf Sed-Card mit einem Model), die Tanga heißt. Sie ist eine sehr wandlungsfähige Frau, was irgendwie zu unserer Musik paßt. Das ist wohl der komplizierteste Weg, eine Frau kennenzulernen! (lacht)

Habt Ihr sie denn schon kennengelernt?

JK: Nö. Wir betreiben so einen Aufwand, gründen eine Band – ob sie das jemals zu schätzen weiß? Wir hoffen, daß sie das irgendwann sieht, und wir haben ja unsere Telefonnummer auf die CD geschrieben, damit sie uns dann kontaktieren kann.(lacht)

Seht Ihr Euch mit Euren sehr melodischen und teils poppigen Gesangsparts eigentlich als Trip Hop Band?

JK: Wir nennen es selbst Eletrip Music. Darunter verstehen wir eine Mischung aus elektronischer Musik, Romantik und Maschine. Es ist sehr gefühlsbetont, die Texte erzählen fantastische und absurde Geschichten und die Musik ist kindlich und verspielt. So sind wir eben. Wir haben irrsinnig viele Synthesizer, viele bunte Knöpfe und drückt und schraubt da halt ein bißchen herum – das ist unsere Welt.

Wie wichtig sind die Texte für Euch?

JK: Schon sehr wichtig, weil die den Dialog transportieren, den wir mit den Zuhörern führen wollen.

Ihr habt zwei Sängerinnen, da gibt es einmal Küken und Ningee.

JK: (lacht) Küken ist unsere Grafikerin, die eigentlich unbedingt Mate heißen möchte. Aber jeder sagt Küken zu ihr, weil sie noch sehr jung und sehr mädchenhaft ist. Ningee ist auch eine sehr gute Freundin von uns, die auch ein eigenes Projekt hat. Sie hat als Gast drei Stücke eingesungen.

Ist es denn interessanter, mit zwei Sängerinnen zu arbeiten anstatt mit einer? Oder versteht Ihr Euch als Projekt, das ständig mit anderen Vokalisten zusammenarbeitet?

JK: Nein, nein. Das geht nicht. Wir könnten nicht irgendwen singen lassen. Das ist einfach immer unser Freundeskreis, Leute, die wir kennen und die auch uns, unsere Musik und die Entstehungsprozesse kennen. Dabei gibt es einen Austausch, denn wir machen dann ja auch wieder etwas für Ningee. Wir haben eine Künstlergruppe namens „Core“, in der all unsere Freunde involviert sind.

Was ist denn „Core“ genau?

JK: Das ist eine lose Verbindung von unterschiedlichen Leuten. Es gibt Bildhauer, Modedesignerinnen, Fotografen, Grafiker, DJs, Musiker und viele andere Leute. Jeder weiß immer, was die anderen so machen. Man ruft sich dann an oder trifft sich. Letztens haben wir für eine Modeschau der Kunsthochschule Wien Musik gemacht. Wenn jetzt z.B. der Bildhauer eine Ausstellung hat, macht man eine Klanginstallation dazu. Dafür konstruiert er Bühnenaufbauten für uns. Wir haben eine mobile Wasserdruck-Show für unsere Konzerte, zu denen wir auch unser gesamte Studio mitbringen, so daß wir live auf nichts verzichten müssen. Man hilft sich halt, tauscht sich aus und inspiriert sich auch gegenseitig. Deswegen steht bei allen von uns auch immer irgendwo ein kleines „Core“ dabei, auch wenn der eigene Name im Vordergrund steht. Das ist bei Tanga genauso.

Wird das denn kommerziell betrieben, als eine Art Agentur für alle möglichen Projekte und Künstler?

JK: Nein, das ist ziemlich lose, auch wenn wir ein bißchen ‚was im Internet haben. Aber als Agentur wollen wir das nicht betreiben. Unsere einzige wirklich komplett gemeinsame Sache ist, daß wir einmal im Monat wandern gehen. Da gehen wir mit festem Schuhwerk auf irgendeinen Berg, bringen Butterbrote mit und trinken etwas zusammen. Wir wohnen halt schon eine Autostunde vor Wien auf dem Lande.

Und wie sieht die Zusammenarbeit mit Kollegen aus Wien aus, die jetzt auch Jungle, Trip Hop und House machen?

PB: Grundsätzlich sind wir nicht direkt in die Wiener Szene involviert. Auch dort gibt es ja mehrere: Einmal die bekannten DJs, die im Rampenlicht stehen und ihre Sachen nach außen tragen. Wir haben aber mit der „Core“-Group eher unser eigenes Umfeld. Man läuft diesen Leuten z.B. beim Service-Techniker ab und zu über den Weg, wo alle ihre kranken Geräte hinbringen. Da spricht man über Synthesizer und Technik, eher pragmatische Dinge und das war’s dann auch schon. Es hat sich noch nicht ergeben, daß man mal irgendwo zusammenarbeitet.

Wobei sich ja gerade Wien zur Zeit zu einer Hochburg für Musik Eures Genres entwickelt. Bekannt sind natürlich „Kruder & Dorfmeister“…

JK: Wien ist fruchtbar! (lacht) Es hat ja immer schon Musik und Kreativität in Wien gegeben. Man denke an Mozart…

…der aus Salzburg kommt,

JK: Die entscheidenden Dinge hat er in Wien geschrieben, auch wenn die „Kleine Nachtmusik“ in Salzburg entstanden ist. Es haben jetzt eben einige Leute wieder dafür gesorgt, daß Wien einmal im Lichte steht und man sieht, wieviele Sachen es dort eigentlich gibt. Bisher sind die Dinge, auch wenn sie existierten, nie über die Grenze gekommen. Wir machen ja auch schon seit 11 Jahren gemeinsam elektronische Musik. Unsere erste Band hieß „Philomenas Garden“, mit der wir Elektronik-Pop der 80er, Richtung „Depeche Mode“ gemacht haben. Wir waren mit den „Sparks“ auf Tour und sogar in den österreichischen Charts. Damals waren wir noch sehr jung und sind von der Plattenfirma auch ziemlich über’s Ohr gehauen worden. So haben wir unsere Erfahrungen mit den Leuten aus der Branche gesammelt. Außerdem haben wir schon Techno gemacht und machen auch heute noch ab und zu Raves, was uns aber nicht so wichtig ist. Ansonsten haben wir mit den beiden Musikern, deren Namen ich schon nicht mehr hören kann, nichts zu tun. Außer vielleicht, daß ich fast so aussehe, wie einer von ihnen und locker als Double auftreten könnte.(lacht)

Nochmal zurück zu Euren Songtiteln. Da gibt es Titel wie „Love The Machines“, „Sonnenkind“ oder „Who Caresses The Stones“. Habt Ihr es mehr mit Natur oder Technik?

JK: In „Love The Machines“ beschreiben wir eigentlich unsere Beziehung zu unseren Synthesizern, die wir im Laufe der Jahre angesammelt haben. „Who Caresses The Stones“ ist eher philosophisch, denn es gibt ja auch menschliche Steine, um die man sich kümmern muß, damit sie wieder lebendiger und humaner werden. Wir haben auf jeden Fall einen engen Bezug zur Natur, weil wir wandern gehen und unser Studio auf dem Land haben. Aber wirklich urbane Musik ist es nicht, denn es ist schon Club-orientiert.

PB: Und auf jeden Fall romantische Musik.

Warum habt Ihr Euer Album Panoptikum genannt?

JK: Den Titel haben wir einer Fernseh-Wochenschau entliehen, die Ende der 70er im ORF lief. Das haben wir als Kinder immer anschauen dürfen. In der Sendung wurden kuriose Sachen aus der ganzen Welt gezeigt und zwischendurch gab’s immer blitzende Einblendungen, eine ganz spezielle Grafik. Unsere Mutter hat damals gesagt, daß wir da nicht hinsehen dürfen, weil das schlecht für die Augen sei. Jedenfalls sehen wir die Platte auch als Hort skurriler Geschichten, die ineinander fließen. Sie ist ja auch wie eine Welle dramaturgisch aufgebaut. Sie ist von Anfang bis Ende durchkomponiert, also ein Konzeptalbum.

Dafür ist es aber ziemlich kurz.

PB: Ursprünglich war es viel länger. Wir waren schon bei 80 Minuten, als die Plattenfirma anrief und sagte, wir sollen uns bloß kürzer fassen, weil sich nur um die 65 Minuten auf eine CD pressen lassen.(lacht)

JK: Jetzt haben wir eben 70 Minuten, die man sich aber auch durchgehend anhören kann. Es wird nie fad, oder?

Eingeschlafen bin ich jedenfalls nicht.

PB: Unsere Traummusik-Sequenzen wurden damals gemacht, um die Zuhörer einschlafen zu lassen. Das war das vorgegebene Konzept.

JK: Wir waren noch mehr der E-Musik verhangen und hatten das Ziel, das Publikum zum Einschlafen zu bringen.

Wart Ihr erfolgreich?

PB: Schon! Einige Leute haben sich die Kassette sogar zuschicken lassen und uns dankbar angerufen, weil sie endlich einmal einschlafen konnten. Wir sollten das Ding auf den Markt bringen! (lacht)

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