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Sampler 

Popfakes

(Wüstenkatz 002)

Wenn man irgendwann mal beweisen will, dass Elektro-Avantgarde-Pop das Gehirn frei macht, setzt man am besten die Cover der entsprechenden CDs in den Zeugenstand. Die erfrischendsten, zeitlosesten Designs haben genau diese CDs! Und das wird schon seinen Grund haben.

Auch im Fall der "Popfakes" entsprechen sich Outfit und Input. Sechs Interpreten und Bands mit zwischen einem und drei Takes, über 70 Minuten mit leichtgewichtigen Elektronik-Klängen, deren einziger gemeinsamer Nenner der "Pop" ist. Die Spannbreite ist immens, "Popfakes" ist ein kleines Universum und die stilistische Mischung schwindelerregend.

Die Working Class Heros starten mit tuckerndem Puls und minimalistischen Loops. Alles ist Flow, und wie Glitter funkelt zartes Gefrickel auf. Sechs Minuten später sind die Loops verschwunden, Beat, Kratzen und gepitchte Stimmen als einzige noch übrig. Bis alles wieder verglimmt, zart funkelnd. Und egal, wie hart die Geräusche: "When the working day is done" strahlt eine magische Wärme aus.

Gelée Royale zelebrieren dagegen "richtige" Songs mit deutschen Texte: kein Synthie-Pop, sondern Elektro-Schlager mit Stratocaster (jedenfalls klingt´s so). Pathetisch, spacig und und schräg, mit vulkanartig ausbrechenden Ohrwurm-Hooks in NDW-Manier. Wer die Welttraumforscher mag, mag auch Gelée Royale. Und ihre sperrigen Walls of Sound, irgendwo zwischen Industrial-Surf und Labor-Pop.

Verspielt dagegen: Egotrip. Riffs und Kadenzen auf dem Podest, wo sonst Melodien und traditionelle Song-Schemata ihren Platz haben. Keine Dramaturgie? Doch: die Aneinanderreihung von Wohlklängen und Überraschungen. Unberechenbar der Moment der Eruption, wenn der Lärm aus dem Gemurmel und Gefrickel bricht.

Latin-Flavour kommt bei Lampe auf. Samba-Beats, Jungle-Flair und pentatonische Arabesquen. Bläser-Stöße bringen den Jazz ins Spiel. Dann wieder Eintauchen in die Fabrik und warten. Bis sich die Halle in einen Club verwandelt, mit einer Collage aus Trip Hop, Ethno-Vocals und Kathedralen-Industrial.

Reine Mathematik wiederum bei Jomasounds. Binäre Patterns aus Beat und Klang, jeder auf seiner immergleichen Tonhöhe. Bis weißes Rauschen beide frisst. Zierliches Gefrickel und anschwellende Klangwellen auch im zweiten Song. Bipolar, wie der erste.

Und als Schlußlicht: 4 Experimentelle, die nur 2 sind. Ihre Musik: ein Bastard aus Elektronik und klassischem Rock-Line up mit deutschen Texten. Die Akzente so monoton auf der Eins und der Drei, dass es fast zum Reggae reicht. Und dann eine Klanginstallation über sekundäre weibliche Geschlechtsmerkmale, irgendwo zwischen Kerkelings "Hurz" und dem Musikschul-Workshop "Auflösung der traditionellen Formen".

Was bleibt nach dem Trip durch die "Popfakes"? Eine Gemeinsamkeit der präsentierten Bands: alle spielen mit Klängen und Erwartungen. Wahrnehmung ist ihnen Herausforderung, ob sie Songstrukturen gegen den Strich bürsten, die Ausdauer des Hörers auf die Probe stellen oder mit Geräuschen experimentieren. Pop ist es, weil mit Augenzwinkern provoziert wird: Genießen erlaubt.

(kp)

 

 


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