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Douglas Coupland

Microsklaven

(Manhattan)

Aber jetzt mal ernsthaft, das neue Buch von Douglas Coupland 'Microsklaven' handelt von einer Handvoll Computerfreaks, die sich von Bill Gates emanzipieren und ihr eigenes Ding durchziehen wollen. Die Geschichte wird als Tagebuch präsentiert, in dem die Hauptfigur, Daniel, seine Sicht der Dinge preisgibt. Die Story verläuft dann ungefähr so:

Es war einmal im späten 20ten Jahrhundert. Da herrschte ein gar finsterer König über ein trostloses, aber großes Reich. Seine Untertanen waren ihm blind ergeben und lebten nur, um ihm zu gefallen. Sie arbeiteten Tag und Nacht, vergaßen Speiß und Trank, damit sie aus seinen Händen den begehrten Orden erhielten, auf dem die magischen Worte eingeschrieben waren:

JEDESMAL, WENN EIN PRODUKT FERTIG IST, BRINGT UNS DAS EINEN SCHRITT NÄHER ZU DER VISION: EIN COMPUTER AUF JEDEM SCHREIBTISCH UND IN JEDEM HAUSHALT.

Doch eines Tages entschlossen sich fünf seiner Geschöpfe, keine Microsklaven mehr zu sein und flohen aus seiner Abhängigkeit in die Welt des Lichtes. Nach anfänglichen Schwierigkeiten entdeckten sie das, was ihnen vorenthalten war, fanden es schön und nannten es DAS LEBEN.

'Mikrosklaven' ist durchaus unterhaltsam zu lesen. Die Charaktere und ihre Probleme werden liebevoll ironisiert dargestellt und man schließt sie schnell ins Herz. Allerdings frage ich mich was der Autor seiner Zielgruppe mit dem Ganzen sagen möchte. Ist es ein Versuch ähnlich wie in Generation X das Denken und Fühlen einer Gruppe von Menschen zu beschreiben? Wenn es das sein sollte, finde ich es nicht gelungen. Es gibt natürlich die pickligen ungepflegten Computerfreaks, denen das völlig abgeht, was allgemein als Leben charakterisiert wird. Hat bestimmt jeder schon mal gesehen, sei es in der Schule auf der Arbeit oder an der Uni. Aber nicht jeder, der mit dem Werkzeug Computer sein täglich Brot erwirbt, ist solch ein Stereotyp. Was Coupland in seinem Buch beschreibt sind Klischees und keine irgendwie realen Personen. Die Story ist einfach gestrickt und vorhersehbar. Die Metamorphose der Charaktere von, um es in Couplands Sprache zu sagen, lineraren Sytemapplikationen zu komplexen Betriebssystemen, ist genauso märchenhaft wie der soziale Aufstieg von Aschenputtel. Ach ja, apropos Sprache, so wie die Leute in 'Mikrosklaven' redet kein Mensch. Selbst die Supercomputerfreaks verfügen immer noch über ein relativ normeles Sprachvermögen. Niemand brabbelt über sich selbst, als wäre er ein Computer. Vielleicht machen es in Zukunft ein paar klassenbewußte Programierer den Jungs und Mädels aus 'Microsklaven' und auf einmal wird es hip so zu labern, aber bis jetzt konnte ich mich mit den mir bekannten Computerheinis noch normal, will heißen in umgangssprachlichem Deutsch unterhalten. Gut, vielleicht reden in Amiland alle so, nur so bescheuert sind die Jungs und Mädels von der anderen Seite des großen Teichs auch wieder nicht.

(wurm)

Douglas Coupland
Microsklaven
Goldmann 20,00 DM
ISBN 3-442-54035-6

Werksbio

'Generation X' ist das Erstlingswerk Couplands. Das Buch ist eine äußerst gutgelungene Darstellung der Gruppe der Twentysomethings, die gerade mit der Uni fertig wurden und sich nun einer perspektivenlosen Zukunft gegenübersehen. Über Nacht wurde Coupland zum Star und das Buch der absoluter Renner und Trendsetter für die Generation X Wannabes. 'Shampoo Planet' war der zweite Streich. Coupland potraitierte hier die jüngeren Brüder und Schwestern der Generation X. Das gelang nicht so gut, denn der kommerzielle Erfolg blieb aus. Der dritte Streich folgte sogleich. 'Life after God' ist eine Sammlung von Kurzgeschichten, die von der Suche der Twenty und Thirtysomethings nach dem sprituellen und natürlichen in unserer ach so sekularisierten Welt handeln. Kam auch nicht so wahnsinnig an. Vielleicht lag es daran , daß Coupland auf seine pointierte Ironie verzichtete, wer weiß. 'Microsklaven' ist das neuste Werk von Coupland, das in deutscher Übersetzung erschienen ist. Darin versucht Coupland die Menschen zu beschreiben, die ihr Leben im Mikrokosmos der Computer und Mikrosoft verbringen. Also mal wieder eine Mischung aus Fiktion und Doku. Laut den Marketingstrategen eine treffende Darstellung der twentysomethings der Nerds. Es drängt sich der Verdacht auf, daß Coupland daauf abzielt, eine soziologische Studie seiner Generation und der etwas jüngeren in Fiction verpackt an die Konsumierenden zu bringen. Beim ersten Mal, 'Generation X', hat das ja auch gut geklappt. Denn Coupland war zu diesem Zeitpunkt gerade mal dreissig geworden, hatte selbst studiert und landete eher durch Zufall bei der Schreiberei. Der "bahnbrechende Roman" ist also durch ein gutes Stäück Eigenerfahrung getragen. Bei den Nachfolgern, die immer wieder auf den Generation X-Faden zurückgreifen, schien das Erfolgskonzept Couplands zu versagen. Er schaffte es nicht mehr an den Generation X-Hype zu kommen. Möglicherweise liegt es daran, daß diese Bücher in gesellschaftlichen Gruppen angesiedelt sind, die Coupland nicht kennt. 'Mikrosklaven' macht zumindest diesen Eindruck.

Demnächst wird in Deutschland wohl das neuseste Werk Couplands erscheinen. In den USA ist 'Polaroids from the death' seit 1996 auf dem Markt. Inhaltlich bietet es keine großen Überraschungen. Eine Sammlung von Kurzgeschichten aus den Jahren '92 - '94, die wieder einmal von dem Denken, Handeln und Fühlen von Menschen in ihrer gruppenspezifischen Umgebung berichten.

Es ist schade, wenn ein talentierter Schriftsteller immer wieder über ähnliche Themen schreibt. Neu ist es auch nicht. Schon Balsac hat versucht eine Darstellung seiner Gesellschaft in Romanform zu geben. Aber es wird eben irgendwann langweilig. Zudem noch ärgerlich wenn die Potraits nicht gelungen sind und zu Klisches werden.

(wurm)

Cover Microsklaven