Dietrich Schwanitz: Bildung

„Bildung. Alles, was man wissen muss“. Schon der Titel ist eine einzige Provokation! So kennt man Dietrich Schwanitz, den ehemaligen Professor für Anglistik aus Hamburg und Autor des Romans „Der Campus“. Nun also ein Sachbuch. Mit ihm will Schwanitz gegen die Krise des deutschen Lehrbetriebs anschreiben, und zwar auf zweierlei Weise. Zum einen mit einem Einleitungs-Pamphlet über den „Zustand der Schulen und des Bildungssystems“, gerichtet an die Adresse von Lehrern, Eltern und Politikern. Und zum andern mit einem blitzartigen Streifzug durch den Grundstock des humanistischen Bildungsguts, adressiert an alle Interessierten, an Gebildete wie Ungebildete gleichermaßen. Und dies ist nur der erste Teil des Buches, ein weiterer Abschnitt ist dem „Können“, also der Anwendung des „Wissens“, gewidmet und wäre durchaus eine eigene Publikation wert gewesen.

Doch zunächst rauscht Schwanitz auf knapp 400 Seiten durch antike Mythologie und Bibel, durch europäische und amerikanische Geschichte, durch Literatur, Kunst, Musik und Philosophie. Die Naturwissenschaften streift er nur am Rande, soweit sie Einfluß nehmen auf menschliche Weltbilder. Dass dem Leser hinterher nicht völlig der Kopf schwirrt, ist dem saloppen Ton zu verdanken, den man schon aus dem „Campus“ kennt. „Gezielte Respektlosigkeit“ (Schwanitz über Schwanitz) ist Teil der Strategie, die Bildung von ihren Sockeln und aus ihren Tempeln zu holen, um sie wieder allgemeinverständlich und lebendig zu machen.

Schwanitz erzählt gern und viel, bezahlt allerdings den Unterhaltungswert seines Werks mit so mancher Ungenauigkeit. Es ist also Vorsicht geboten, bevor man sich allein mit Schwanitz´ „Wissen“ im Kopf in wissenschaftliche Diskussionen stürzt. Doch allemal lesenswert ist, wie er philosophische Theorien aufs Wesentliche kürzt oder als intellektuelle Moden entlarvt, abstrakte musikalische Phänomene mit Bezug auf frühere Lebensweisen erläutert, den Zwang des „sakralen“ Museumsbesuchs abschafft oder allgegenwärtigen und doch fernen Figuren der Zeitgeschichte ein „Gesicht“ gibt. Ein „Schmankerl“ und der heimliche Höhepunkt des Buchs sind Schwanitz´ Ausführungen über „Regeln, nach denen man unter Gebildeten kommuniziert“ und Sachgebiete, die man in „gebildeter Gesellschaft“ lieber unter den Tisch fallen läßt: Fußball, europäische Königshäuser, Fernsehprogramme… Wer den Realsatiriker Schwanitz aus dem „Campus“ sucht, findet ihn hier!

Dietrich Schwanitz
Bildung - Alles, was man wissen muss
Eichborn

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