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Marc Walther

Propellerpark

(Mrs. Galloway Comics)

 
 

"Ich finde es immanent wichtig in den richtigen Situationen Sprech- anstatt Denkblasen zu haben. Obwohl natürlich Vögel selten sprechen."

Noch seltener allerdings tragen sie kleine Partyhüte und wohnen in menschlichen Köpfen. Und noch viel, viel seltener schlüpfen sie daraus hervor, um mal eben das Liebensleben "ihres" Menschen auf Vordermann zu bringen. Schade eigentlich.

Aber man wird ja mal träumen dürfen. So wie Marc Walther, dessen Erzähl-Sammlung "Propellerpark" nur so wimmelt vor abstrusen, manchmal kryptischen Begebenheiten. Und trotzdem scheint es, als könne einem dasselbe gleich an der nächsten Straßenecke passieren.

Das liegt an der eigentümlichen Mischung, die Wathers Werk auf allen Ebenen durchzieht. Zunächst mal ist "Propellerpark" ein Comic. Eine Mischung aus Bild und Text. Zweitens sind Walthers Miniatur-Epen ein Mix aus schillernder Fantasy und schnödem Alltagsleben. Und drittens beherrscht er ein kitzeliges Crossover aus unterschiedlichen Stilhöhen. Der Vogel, der eben noch so geistreich seine eigenen Ausdrucksmöglichkeiten (und damit die des Comics) reflektiert hat, gönnt sich anschließend erschöpft eine Zigarettenpause: "Aber jetzt erstmal ´ne Kippe".

Und so geht es in einem fort. Ein Paul, ohne Hände geboren, nimmt es mit einem übermächtigen Geist auf. Und hat am Ende sogar - Hände. Oder Molly. Die sich mit einem Helm gegen Asteroiden-Einschläge schützt. Und einem namenlosen Anti-Helden sein verlorenes Herz zurückbringt. Vermutlich sogar noch etwas mehr... Zugegeben: "Die Kopfwehkönigin" und "Euphorisch unzufrieden" hab ich nicht mal ansatzweise verstanden. Ich bin mir allerdings auch nicht sicher, ob´s hier überhaupt was zu verstehen gibt.

Aber dagewesen bin ich. Weil Walthers Geschichten einen Sog entwickeln, der einen beim Lesen schlicht "reinzieht". Vermutlich liegt´s daran, dass er jede Seite so gründlich durchkomponiert, dass es einfach kein Entrinnen gibt. Ob Schriftbild (handgeschrieben!), Zeichenstil (schwarz-weiß, feingliedrig, weder ganz Toon- noch ganz Reality-Stil) oder die Seitenhintergründe. Mal wünscht man einen Wegweiser herbei, um sich durch verschachtelte Bilderlabyrinthe zu wühlen, schafft es schließlich aber doch - und mal weiß man auch nach mehrfachem Lesen von simplen, geradlinigen Bildreihen noch nicht, welches die richtige Reihenfolge ist. Und ob´s eine gibt. Mal sind Bild und Text fein säuberlich getrennt, mal gehen sie ineinander über.

In der Nutzung der Möglichkeiten, die der Comic bietet, ist Walther ein Radikaler. Pathetisch Geseiertes" ist sogar ein pures Comic-Poem. Und dabei doch so schrullig und skurril wie der ganze Rest. Und ebenso lakonisch.

Die Faszination von Walthers optischen Zauberkünsten sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch das pure Lesen Spass macht. Obwohl Handlung und zeichnerischer Aufwand oft in keinem Verhältnis zueinander zu stehen scheinen. Aber auch das macht unter anderem den Reiz der Geschichten aus: Walther spielt auf subtile Weise mit Erwartungshaltungen. Mit großem "Kino" und kleinen Pointen. Wer Spaß hat am Irrwitz des Alltags, wird ihn in Walthers Fabelwelt wiederfinden. Und wer einen vor Kreativität und Finesse sprühenden Low-Fi-Autoren-Comic in Händen halten will, der sollte sich an Marc Walther selbst wenden. Und bis zum letzten Moment des "Abspanns" sitzenbleiben, jawohl.

(Katja Preissner)