Lydon, John: No Irish, no blacks, no dogs

Man muß ihn ja nicht mögen, den ehemaligen Frontmann und Kopf der Punk-Heroen THE SEX PISTOLS. Johnny Rotten alias John Lydon war (und ist?) ein irischer Dickschädel, ein Exzentriker, ein Zyniker, ein Fiesling, das weiß er selbst. Daß eine stinknormale Künstler- bzw. Band-Bio von ihm nicht zu erwarten war, dürfte klar sein. Er orientiert sich zwar grob an einer einigermaßen chronologischen Darstellung seines Lebens, aber ansonsten geht’s formal schon drunter und drüber.

Lydon erzählt von seiner Kindheit, die er in armen Verhältnissen im Londoner Osten mit drei weiteren Brüdern verlebte. Von seinem Vater, einem Bohrinselarbeiter, Kranführer und Lastwagenfahrer, erbte er wohl seine „direkte“ Art: Bei etwaigen Konflikten nicht lange überlegen oder reden, sondern einfach feste druff!

Lydons sensible Ader hingegen dürfte von der 1979 verstorbenen Mutter herrühren, zu der er eine sehr enge Bindung hatte. Während seiner phänomenalen PISTOLS-Erfolgsphase rief er sie angeblich täglich an, und zur Chaos-Tour durch die USA durfte sie ihn auch – ganz spontan – begleiten.

Lydons Jugenderinnerungen und Kommentare zur Bandgeschichte – wie zu erwarten bissig-ironisch und derb formuliert – sind eindeutig und direkt; differenziertes Analysieren ist ihm fremd. Prakisch alle Band-„Kollegen“ und Business-Partner beschreibt er als dumme Arschlöcher: z. B. den spinnerten Egomanen Malcolm McLaren, die doofen Mitläufer Paul Cook (PISTOLS-Drummer) und Steve Jones (PISTOLS-Gitarrist), das harmoniesüchtige Weichei Glen Matlock (1. PISTOLS-Bassist), dessen Begeisterung für die SMALL FACES u. a. Sixties-Bands er nicht nachvollziehen konnte. Relativ gut kommt der naive, selbstverliebte Sid Vicious (2. PISTOLS-Bassist) weg, den seines Erachtens allein die „verfickte Schlampe“ Nancy Spungen auf dem Gewissen hat.

Immer wieder unterbrochen bzw. ergänzt werden seine Tiraden durch statements aus dem Freundeskreis: z. B. von Billy Idol, Chrissie Hynde, Julien Temple. Auch sein Vater, die ehrliche Haut, kommt zu Wort.Man erfährt jedenfalls ’ne Menge vom Geist jener wilden Jahre zwischen 1976 und 1979, vom Chaos, vom Drive, von der Power, die die erstarrte Musikszene und die verschlafene Jugend so nachhaltig aufmischte. Und die Übersetzung trägt maßgeblich dazu bei, dieses Gefühl von Freiheit und Abenteuer auch sprachlich nachzuempfinden.

Lydons Story ist eine spannende, packende „Leidensstory“, unverfroren, beleidigend, obszön, bisweilen urkomisch, und das Wichtigste: nie langweilig. Einziger Wermutstropfen: die armselige, fehlerhafte Diskographie.

Lydon, John:
Johnny Rotten: no Irish, no blacks, no dogs.
Mein Leben mit den SEX PISTOLS.
Die autorisierte Autobiographie
John Lydon mit Keith und Kent Zimmerman.
Aus dem Englischen.
St. Andrä-Wördern: Hannibal, 1995. 271 S. m. Abb. DM 45.
ISBN 3-85445-102-4

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