Bei uns ging’s eigentlich nie um Jugendlichkeit

Ein Gespräch mit Dirk von Lowtzow (Tocotronic)

Hinter-Net!: Tournee-Zeit heißt auch Interview-Zeit. Seid Ihr schon gestreßt?

Dirk: Nö, eigentlich nicht. Natürlich machen wir ’ne Menge Interviews, und oft sind es immer wieder dieselben Fragen. Eine gewisse Routine hat das schon. Daher kommt es auch selten vor, daß wir zu dritt ein Interview machen, meist geht nur Einer von uns hin. Da kann die Frage noch so gut sein, irgendwann hast du sie doch schon mal gehört, und wenn dann Einer von uns loslegt mit der Antwort, dann sitzen die beiden anderen rum und können nicht mehr zuhören, weil wir das untereinander alles schon mal gehört haben.

Hinter-Net!: Sind die Konzerte auch schon zur Routine geworden?

Dirk: Dafür machen wir eigentlich zu wenige Konzerte, wir touren ja nicht so umfangreich.

Hinter-Net!: Wie war’s gestern in der Schweiz?

Dirk: Super, Basel ist immer sehr schön. Find‘ ich sehr angenehm.

Hinter-Net!: Wie sind die Unterschiede im Publikum? Wie sieht’s z.B. in den neuen Bundesländern aus, verstehen die Euch genauso wie anderswo?

Dirk: Es gibt so etwas wie regionale Unterschiede im Publikum, nicht unbedingt Deutschland – Schweiz oder Ost – West, aber man kann schon Unterschiede feststellen, allerdings keine großen. In Augsburg z.B., da ging’s während des Auftritts richtig ab, das war ganz schön prollig. In Cottbus hatten wir dagegen ’ne ganz andere Stimmung. Aber vielleicht hängt das ja auch nur am Wochentag.

Hinter-Net!: Ihr werdet oft in einem Atemzug genannt mit Bands, die als sehr politisch gelten und politisch motivierte Texte haben. Ich würde Euch – zumindest nach meinem Maßstab – nicht in dieser Ecke sehen. Wie seht Ihr Euch selbst?

Dirk: Ich glaube, wir drei sind jeder für sich auf jeden Fall politisch interessiert. Natürlich haben wir ein politisches Bewußtsein und bestimmte Meinungen. Aber was heißt schon „politische Band“, das ist immer so ’ne Sache.

Hinter-Net!: Sind Eure Texte denn auch politische Aussagen oder versteht Ihr das nur als Geschichten, die durch Eure Sozialisation bedingt sind?

Dirk: Ich kann für mich persönlich sagen, daß ich klare politische Aussagen, wie z.B. „Das bißchen Totschlag“ von den Goldenen Zitronen, nicht schreiben kann. Uns interessieren eher die Alltagssachen. Im weitesten Sinne ist das wahrscheinlich schon gesellschaftskritisch, es geht um die Frage, wo du innerhalb der Gesellschaft stehst. Aber solche Begriffe wie „Deutschland“ oder „Staat“ wollen wir doch eher vermeiden.

Hinter-Net!: Wie seht Ihr Euch in zehn Jahren? Ihr seid jetzt 25, 26 Jahre alt und so etwas wie das Aushängeschild der jugendlichen Rockmusik. Aber irgendwann ist die Jugend vorbei.

Dirk: Bei uns ging’s eigentlich nie um Jugendlichkeit. Das Ding ist, daß die Texte sich an Jugend zurückerinnern. Marcel Proust tut das ja auch, der hat seine Bücher mit 40 Jahren geschrieben. Ich würde nie sagen, wir hätten eine explizit jugendliche Haltung, oft beschreiben wir einfach unsere Erinnerungen.

Hinter-Net!: Wenn wir jetzt raus vor die Halle gucken, dann stehen da nur Kids, nur 16-jährige. Seid Ihr sowas wie „die alternative Boy-Group“?

Dirk: Sowas kann man manchmal lesen, aber was immer so geschrieben wird … Rockmusik ist eben vornehmlich etwas für junge Leute.

Hinter-Net!: Wie ist das mit der Abgrenzung: Manchmal denkt man ja über eine Band, die sind eigentlich okay, aber das hören jetzt wieder so viele und vor allem so viele unangenehme Leute, daß man sich wünscht, die wären nicht unbedingt so bekannt geworden. Wärt Ihr vielleicht lieber nicht so erfolgreich?

Dirk: Nee, auf gar keinen Fall, das wäre ja arrogant. Ich kann diesen Gedankengang von Dir voll verstehen, aber wir haben diese Einstellung nicht. Ehrlich gesagt, finde ich das sogar etwas kindisch, so nach dem Motto: Ich war schon Punk, bevor du Punk warst. Außerdem ist heute doch sowieso alles eine Super-Massenkultur.

Wir haben uns über so etwas auch nie Gedanken gemacht. Wir machen unser eigenes Ding, das war schon immer so. Wir haben unsere erste Platte gemacht, die hat einigen Leuten gut gefallen und so ging’s dann weiter.

Hinter-Net!: Wie ist das mit der Popularität bei den Mädels? Gibt es Dir etwas, wenn plötzlich ’ne ganze Menge Frauen auf Dich stehen?

Dirk: Dazu ist es nicht gekommen.

Hinter-Net!: Stehen die nicht reihenweise vor der Tür?

Dirk: Die wissen ja nicht, wo ich wohne.

Hinter-Net!: Wir dachten jetzt auch eher an die Situation nach einem Konzert.

Dirk: Nach einem Konzert kommen immer mal Leute an, aber das sind genauso viele Männer wie Frauen. Die wollen dann ein Autogramm oder wechseln ein paar Worte und dann gehen sie wieder. Mir ist noch nie passiert, daß Frauen mir Angebote oder was in der Art gemacht haben. Das interessiert mich auch nicht. Außerdem hat jeder von uns ’ne Freundin.

Hinter-Net!: Tocotronic haben sich in Hamburg kennengelernt.

Dirk: Richtig. Geboren bin ich in Offenburg. Ich hab‘ in Freiburg studiert, wollte weg und bin nach Hamburg gegangen. Dort hab‘ ich Jan und Arne getroffen.

Hinter-Net!: Warum bist Du nach Hamburg gegangen und nicht nach, sagen wir mal, Berlin?

Dirk: In Berlin waren schon zu viele Offenburger. Da dacht‘ ich mir, geh‘ ich nach Hamburg, da is‘ keiner.

Hinter-Net!: Gibt es eigentlich eine Stadt in Deutschland, auf die Euer Song „Freiburg“ nicht zutrifft?

Dirk: Ich denke, Hamburg ist so eine Stadt, und Berlin wohl auch.

Hinter-Net!: Ist Berlin nicht einfach nur ein großes „Freiburg“?

Dirk: Im Grunde ging es in dem Lied um, na, wie soll ich das jetzt sagen: Wenn ich jetzt sage, um dieses Studentending, dann ist das blöd, weil es das auch nicht allein ist. In Freiburg begegnet dir diese geballte Ladung an typischen Verhaltensweisen, diese spezielle Atmosphäre eines Teils des studentischen Lebens. Es ist ja kein Lied explizit gegen Studenten, sondern gegen bestimmte Klischeetypen. Und diese Art Leute gibt es überall, nur …

Hinter-Net!: … in Hamburg verläuft sich das.

Dirk: Genau. In ’ner großen Stadt verläuft sich das und an einem Ort wie Freiburg kriegst du’s halt zentriert. Da gibt es ja außer der Uni auch nix anderes.

Hinter-Net!: Welches sind die schlimmsten Studenten für Dich, die Jura-Studenten, mit Seidenschal und Jackett?

Dirk: Diese Seidenschal-Jackett-Typen, das sind Leute, mit denen kann ich überhaupt nichts anfangen, die gehen segeln oder irgend so was, die sind mir ganz fern, aber gegen die habe ich gar nichts. Das ist so wie: Ich hab‘ auch nichts gegen Rentner, mit denen habe ich einfach überhaupt nichts zu tun. Ich finde eher diese Alternativ-Kultur eklig, dieses: komm wir gehen Kaffee trinken, wir gehen in die Studentenkneipe; dieses Schluffige, das finde ich viel schlimmer, das ist so freudlos.

Hinter-Net!: Wenn Ihr „Freiburg“ spielt, dann heißt es im Text: „Ich bin alleine und ich weiß es und ich find‘ es sogar cool, und Ihr demonstriert Verbrüderung“. Was denkt man, wenn im Publikum zehn Idioten Arm in Arm stehen und die Zeilen lautstark mitgrölen?

Dirk: Das nervt mich ziemlich, muß ich schon sagen, aber … ja, man kann nix machen. Aber wenn du vor 600 bis 1000 Leuten spielst, dann sind halt immer ein paar Idioten drunter. Irgendeiner, der vor der Bühne rumspringt und „ausziehen, ausziehen“ brüllt – Deppen dieser Art findest du im Rockbereich eigentlich immer. Bei 50 Leuten fällt das eben nicht so auf, da ist vielleicht nur ein Idiot im Saal und der hält sich dann zurück. Aber bei ’ner größeren Menge passiert das halt. Du kannst ja auch nicht zu denen sagen, „haut ab Ihr fünf Idioten“, schließlich haben sie ja Geld bezahlt wie alle andern auch.

Hinter-Net!: Merkt Ihr eigentlich, ob Eure Texte Auswirkungen haben, ob sich da etwas verändert in Eurem Umfeld?

Dirk: Du meinst, ob unsere Texte etwas bewirken? (spürbare Ironie)

Hinter-Net!: Nein, nicht in dem Sinne. Aber wie ist es z.B., wenn Du jetzt in Hamburg in einen Gitarrenladen gehst, ist da irgendwas anders? (Stichwort: „Gitarrenhändler, Ihr seid Schweine“)

Dirk: Nee, es ändert sich gar nichts.

Hinter-Net!: Ändert sich finanziell etwas?

Dirk: Ja klar, wir haben jetzt drei Platten gemacht, und die haben sich alle relativ gut verkauft. Vorher hatten wir ja gar kein Geld und jetzt verdienen wir ein bißchen was.

Hinter-Net!: Studiert Ihr noch richtig, oder zumindest halbwegs?

Dirk: Eigentlich hab‘ ich noch nie richtig studiert, und jetzt noch viel weniger. Auf der anderen Seite weiß ich, daß ich ohne die Musik dieses Studium schon längst abgebrochen hätte. So lasse ich das nebenher laufen und kann mir sagen, ich hab‘ ja noch was anderes.

Hinter-Net!: Ist eine neue Platte schon in Sicht?

Dirk: Ja, wir haben jetzt 20 neue Songs und die werden wir demnächst im Studio aufnehmen.

Hinter-Net!: Gehen Dir bei diesem Tempo nicht langsam die Ideen aus? Man muß ja zwischendurch mal was erleben, um neue Stücke zu schreiben, die Schulzeit könnt Ihr ja bald nicht mehr länger verbraten.

Dirk: Doch, das geht schon noch. Bei mit persönlich ist letztes Jahr ’ne ganze Menge passiert, man erlebt schon noch einiges.

Hinter-Net!: Vielen Leuten, die wir kennen, geht es ähnlich wie uns: Euer erstes Album „Digital ist besser“ hat uns am besten gefallen, Nummer zwei und drei dann immer etwas weniger. Wie siehst Du das?

Dirk: Mir persönlich gefällt die dritte, „Wir kommen um uns zu beschweren“, fast am besten. Ich denke, daß die Texte auf der ersten es eher ermöglichen, daß jemand sich darin wiederfindet. Man kann sich damit besser identifizieren, während die Texte auf der dritten persönlicher sind. Da steckt von mir wesentlich mehr drin. Ich kann damit einfach mehr anfangen als mit manchen Stücken vom ersten Album, die ich heute vielleicht nicht mehr so machen würde.

Hinter-Net!: Habt Ihr die Stücke für „Digital ist besser“ über eine längere Zeit gesammelt oder liefen Komponieren und Schreiben genau so schnell ab wie bei den beiden Platten danach?

Dirk: Das ging vergleichbar schnell. Die Songs für das erste Album entstanden alle in einem Zeitraum von sechs Monaten, vielleicht auch ein bißchen länger.

Hinter-Net!: Wie ist Euer Verhältnis zu Bands, mit denen Ihr jetzt gelegentlich zu tun habt und die Ihr früher bewundert habt bzw. deren Fans Ihr gewesen seid?

Dirk: Du meinst jetzt Hamburger Bands?

Hinter-Net!: Nicht nur, auch andere, mit denen Ihr zu tun habt und die Ihr früher nur aus der Ferne kanntet.

Dirk: In Hamburg ist das Verhältnis der Gruppen untereinander von jeher ein gutes gewesen. Das ist sehr kollegial und solidarisch. Als wir anfingen, haben die uns auch alle auf Anhieb gut gefunden, das war dann kein Problem. Man darf natürlich nicht den Eindruck entstehen lassen, sowas wie Neid gebe es überhaupt nicht. Aber ehrlich gesagt, kriege ich davon einfach nichts mit.

Hinter-Net!: Eine ganz andere Geschichte: Was haltet Ihr von dem Modellversuch in Schleswig-Holstein, Haschisch in Apotheken zu verkaufen?

Dirk: Ach, … wir finden Kiffen total blöd, wir hassen das schon immer. Ich meine, ich mach’s nicht gern, wahrscheinlich weil ich auch schon abschreckende Beispiele gesehen hab‘. Auf der anderen Seite, wenn das jemand gern macht, dann ist es auch okay. Mich läßt das im Grunde vollkommen kalt.

Hinter-Net!: Was ist Dein Lieblingsfilm?

Dirk: „Lawrence von Arabien“. Ich schwärme ja für Peter O‘ Toole, das ist ein Super-Schauspieler, der sieht ganz toll und sexy aus. Einfach ein toller Film, richtig verrückt find‘ ich den. Und die Musik ist auch super.

Hinter-Net!: Habt Ihr ein Verhältnis zu Sport? Treibt Ihr Sport?

Dirk: Sport haben wir seit jeher verabscheut.

Hinter-Net!: Habt Ihr Respekt vor solchen Leuten wie z.B. Boris Becker?

Dirk: Respekt habe ich schon vor jemanden, der so sehr in der Öffentlichkeit steht und – gerade wie Boris Becker – nicht soo angepaßt ist wie viele andere. Wenn man da an so andere Idioten denkt wie Michael Schumacher … na ja, ich kann eigentlich nicht sagen, daß er ein Idiot ist, ich kenn‘ den ja gar nicht.

Hinter-Net!: Was ist mit Fußball?

Dirk: Haben wir überhaupt keinen Bock zu. Fußball war ja auch ein Teil vom Sportunterricht an der Schule, und Sportunterricht ist bei uns ja auch so’n Thema.

Hinter-Net!: Und als Zuschauer ins Stadion?

Dirk: Ich hab‘ das ganze immer verabscheut. Mich interessiert das überhaupt nicht. Ich hab‘ nix gegen Leute, die zum Fußball gehen, aber mich interessiert’s nicht. Ich versteh‘ auch nichts davon, ich weiß nicht, was Abseits ist, da sitzt man dann so rum, es ist kalt … ach nee.

Hinter-Net!: Wir haben den Eindruck, bei Leuten um zwanzig bis Mitte zwanzig gibt es zur Zeit eine Art Esoterik-/Astrologie-Welle, mit Tarot-Karten, Horoskopen und ähnlichem. Ist das für Euch ein Thema?

Dirk: Esoterik verabscheue ich auch total.

Hinter-Net!: Kein Verständnis oder einfach nur weil’s langweilig ist?

Dirk: Man weiß ja, daß Horoskope einfach Unsinn sind. Wenn du den ganzen Kram liest …

Hinter-Net!: Aber ist es nicht erschreckend, wenn du dann etwas liest, was wirklich mal zutrifft?

Dirk: Da braucht man doch nur ein bißchen Menschenkenntnis: Wenn einer im Januar schreibt, Ihre Welt sieht etwas trübe aus … das ist ja nicht unbedingt schwer. Ich meine, Karten legen, Horoskope, das ist ja manchmal noch ganz lustig, aber den ganzen Esoterik-Kram find‘ ich schon erschreckend.

Hinter-Net!: Könntest Du Dir vorstellen, einen Song auf einer BRAVO-HIT-CD zu haben?

Dirk: Ich glaube nicht, daß wir das machen würden. Aber wahrscheinlich stellt sich das Problem gar nicht, weil wir im Zweifelsfall bestimmt nicht gefragt werden.

Hinter-Net!: Und wenn das große Geld dabei rausspringen würde?

Dirk: Man weiß ja, was bei solchen Sachen rüberkommt, das ist ja nicht so viel. Da kann man auch ein Konzert spielen und hat dann etwa das Gleiche.

Hinter-Net!: Ihr habt Tourneen gemacht mit Chokebore, mit Guided By Voices, Festivals gespielt mit den Lassie Singers, um nur mal ein paar Namen zu nennen. Mit wem war es denn am angenehmsten?

Dirk: Mit den Lassie Singers ist es was besonderes gewesen, mit denen verbindet uns nämlich eine innige Freundschaft.

Hinter-Net!: Aber zwischen Euch und denen liegt ja eine Dekade, oder?

Dirk: Ja, aber Alter ist doch egal. Wir verstehen uns sehr gut und es war immer lustig. Obwohl es manchmal auch anstrengend wurde auf der Tour, ich meine, immer bis fünf Uhr morgens saufen.

Hinter-Net!: Mike, unser amerikanischer Kollege, meinte, daß Ihr so was wie die deutsche Variante einer College-Rock-Band seid. Und wenn Ihr Eure Texte einigermaßen „verlustfrei“ ins Englische übersetzen würdet, Ihr auf dem amerikanischen Markt große Erfolgschancen haben könntet. Schon mal an so etwas gedacht?

Dirk: Ich fände es jetzt total blöd, englisch zu singen, zumindest aus diesen Überlegungen heraus. Unsere Platten sind im Ausland nicht erhältlich, außer in Holland. Das wäre vielleicht anders, wenn wir englische Texte hätten. Es wäre natürlich schon schön, mal etwas im Ausland zu machen, ganz einfach deswegen, weil wir auch gerne mal aus Deutschland rauskommen würden, weil’s spannend wäre. Aber bisher kam noch kein derartiges Angebot.

Hinter-Net!: Gestaltet Ihr das Artwork zu Euren Platten eigentlich selbst?

Dirk: Ja, bei L’Age D’Or (die Plattenfirma) ist das üblich, daß die Künstler ihre Cover selbst gestalten. Natürlich nicht das Handwerkliche, das können wir ja gar nicht, aber wir setzen uns dann mit der Grafikerin zusammen und machen Vorschläge, äußern unsere Ideen und das wird dann so gemacht.

Hinter-Net!: Was hältst Du von der Modeerscheinung Deutscher Schlager?

Dirk: Mit so etwas beschäftige ich mich immer ganz wenig, ich bin da so uninformiert. Dieses Schlager-Revival habe ich schon mitbekommen, aber das interessiert mich nicht so. Das sind solche Nostalgie-Veranstaltungen, wie es sie mit diesen Neue-Deutsche-Welle-Parties auch schon gab. Manche Schlager sind ja auch ganz hübsch, so vom Text her, aber wenn ich so drüber nachdenke, dann hat für uns deutsche Musik noch nie eine große Rolle gespielt. Die größten Einflüsse für uns als Band waren immer die amerikanischen Sachen.

Hinter-Net!: Eure Meinung zur Diskussion um die Quote für deutschsprachige Musik?

Dirk: Ich meine, diese ganze Sache ist total aufgebauscht worden. Diese Forderung von Heinz-Rudolf Kunze und vom Deutschen Rockmusikerverband ist sehr extrem. Sie ist genau gesehen sogar falsch, denn es ist ja nicht so, daß keine deutsche Musik gespielt wird. Bei VIVA laufen viele deutsche Produktionen, der Techno-Bereich ist voll davon, der ist halt nur nicht deutschsprachig. Im Radio gibt es z.B. jede Menge deutschsprachige Musik, auch im Bereich Schlager, Unterhaltungsmusik, da gibt’s doch einen Haufen Schrott. Diese Forderung ist irgendwie nationalistisch, eklig. Im Grunde ist das doch Scheißdreck.

Hinter-Net!: Wie ist Eure Haltung zum Internet, zur neuen Medienwelt?

Dirk: Ich habe eigentlich keine, weil ich das Internet nicht kenne. Ich bin der totale Technik-Muffel. Ich hab‘ zwar einen Computer, aber über das Schreibprogramm bin ich noch nicht hinausgekommen.

Hinter-Net!: Dann ist von Euch in Zukunft wahrscheinlich auch keine CD mit Multimedia-Bonus-Tracks zu erwarten?

Dirk: Um Gottes Willen, nee.

Hinter-Net!: Wie stehst Du zu neuen musikalischen Entwicklungen, was hälst Du z.B. von Drum & Bass?

Dirk: Find‘ ich ziemlich interessant, aber ich befürchte, für mich ist da der Zug abgefahren. Ich kann das alles nicht mehr überblicken, da kenne ich mich nicht gut aus. Ich hab‘ auch keine Platten in der Richtung, aber immer wenn ich es höre, finde ich’s interessant. Meiner Meinung nach sollte man sich auch für andere Musikarten interessieren, ich finde eine Haltung wie „ich höre nur Gitarrenrock“ schrecklich. Man muß doch offen sein.

Hinter-Net!: Wie sieht’s aus mit Klassik?

Dirk: Ich hör‘ ziemlich gern moderne Klassik, Schönberg zum Beispiel.

Hinter-Net!: Das ist natürlich ziemlich heftiger Kram.

Dirk: Ja, das ist ziemlich heftig. Diese „klassische“ Klassik wie Mozart oder Beethoven mag ich nicht, das sind mir zu viele Töne. Barock oder Renaissance ist okay. Aber Beethoven, das ist dann mal sehr laut und dann wieder so leise, das mag ich nicht.

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Das Interview führten Carsten Frank und Tillmann Hädrich am 19.10.1997 in Konstanz.