Die Pfauenfeder

Zur Startseite

Krimiheld der Woche 5

Name: DI Jen-dsiä

Beruf: Richter

Erzählzeit: 7. Jahrhundert

Schöpfer: Robert van Gulik

Nein, Umberto Eco hat den historischen Kriminalroman NICHT erfunden. Vielleicht auch nicht van Gulik, aber erstens schrieb er früher als Eco (hauptsächlich in den sechziger Jahren) und zweitens taugen seine Richter Di-Romane weitaus besser als Vorbild für den Genreboom als Ecos philosophischer Dickleiber.

Eigentlich ist es ja logisch: Gulik, holländischer Diplomat und Sinologe, liebt es, alte chinesische Kriminalfälle zu studieren, zu schreiben und zu zeichnen. Als er irgendwann auf die historisch verbürgte Person des Richters Di Jen-dsiä stößt, der im 7.Jahrhundert als Bezirksrichter wirkte und sich einen legendären Ruf als Kriminalist erwarb, verbindet er seine Leidenschaften und schreibt Krimis. Sie fußen sämtlich auf authentischen Berichten, meist faßt Gulik mehrere in einem Roman zusammen, so wie es auch dem Alltag eines chinesischen Richters entsprach.

Di, ein großer, hagerer Mann mit langem Bart, gehört zur Klasse der Sherlock-Holmes-Abkömmlinge in der Kriminalliteratur. Seine Fälle löst er mit Köpfchen, braucht er physische Hilfe, springen ihm seine Assistenten mit entsprechendem Einsatz zur Seite. So gesehen, sind Guliks Romane konventionell. Was sie aber von Anfang an von anderen unterschieden hat, ist die fremde Welt, in denen sie spielen. Hier liegt die große Leistung des Autors: Man lernt eine ganze Menge über das alte China, ohne zu merken, daß man eine ganze Menge lernt. Spannend sind die Romane allesamt, mit sorgfältig gearbeiteten Zeichnungen des Autors versehen, dessen Lieblingsmotiv unverkennbar nackte junge Frauen sind.

Lesetip: Eigentlich ist es gleich, mit welchem der Richter Di - Romane man seine Lektüre beginnt. Besonders geschickt verwoben sind die Fälle in "Wunder in Pu-Yang?", wo uns der Autor in die Welt der kleinen Handwerker, der Großkaufleute und betrügerischer Mönche entführt. Wie alle klugen Köpfe weiß Richter Di immer mehr als der Leser - das ist normalerweise etwas störend, wird aber durch Guliks geschickte Dramaturgie mehr als wett gemacht. Wenn also "historischer Krimi", dann bitte gleich das Original.

 

* * * * *

Krimiheld der Woche 1: Margery Allinghams Albert Campion
Krimiheld der Woche 2: Léo Malets
Nestor Burma
Krimiheld der Woche 3: Friedrich Glausers Wachtmeister Studer
Krimiheld der Woche 4: Homers Odysseus