Spätestens seit Selim Özdogans Erzählung ‚Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist‘ ist dieses Phänomen bekannt: Bücher, deren einzige kreative Idee im Titel erscheint. In diese Kategorie reiht sich auch die Sammlung von Erzählungen der Kulturjournalistin Anette Meyhöffer ein, die unter dem Titel DIESER KATER WÄRE EINEN RAUSCH WERT GEWESEN erschienen ist. Der rote Faden, der sich durch die Stories zieht, ist das Dilemma der Ich-Erzählerin, einer kulturell ambitionierten und intellektuell gebildeten Frau mitte dreißig, die versucht, mit der Haute Volée mitzuhalten, aber ihr Scheitern in diesem Bereich frustriert zur Kenntnis nimmt. Das Schlimmste ist jedoch ihre Erkenntnis, daß sogar den Doofen und Ungebildeten dieser Welt das gelingt, was ihr partout nicht gelingen will: eine aufregende und gleichfalls verläßliche Beziehung aufzubauen.
Man könnte glauben, dieses Buch sei aufgrund von Marktanalysen entstanden und ein ambitionierter Verlagschef hätte der Autorin gegenüber eindringlich formuliert: „Wir brauchen dringend etwas für die Zielgruppe Nummer eins im Lesepublikum. Schreiben Sie was für Frauen, am besten für Frauen um die dreißig, die Mitten im Leben und im Beruf stehen, gebildet und ausgebildet sind und über ihre Beziehungsprobleme; von mir aus auch über das Gerangel zwischen Sein und Schein. Sie wissen schon, was diese Frauen alles aus den Medien kennen, schön finden und haben wollen, Melrose Place, Sex mit Johnny Depp und so, und auf der anderen Seite das, was ihnen das Leben bietet. Bringen sie ruhig Sex rein, Sex sells, aber nicht so schmutzig, unbedingt auch ein Hauch von Sehnsucht und Gefühl – Sie wissen schon. Sie werden das schon machen. Viel Erfolg.“
Ein solcher Ausspruch hat wohl nie stattgefunden. Die Stories, die in diesem Band versammelt sind, waren im Vorfeld bereits größtenteils in Zeitschriften veröffentlicht worden. Aber der Sermon hätte durchaus stattfinden können, denn DIESER KATER WÄRE EINEN RAUSCH WERT GEWESEN ist absolut stromlinienförmig. Es taucht das rechte Maß an Lifestyle-Begriffen auf, die dem Buch den Hauch an Zeitgeistlichem einflößen und die Aura der Großen weiten Welt der Reichen, Schönen und Erfolgreichen beschwören. Und da ist natürlich auch die Ich-Erzählerin, die lamentiert und quengelt was das Zeug hält. Immer wird genörgelt, wie dämlich und durchschaubar die Rituale der Prominenten sind, und immer wieder werden eben diese Rituale von ihr befolgt, im Foyer des Opernhauses, im Schickimickihotel am Pool und auf den Dekadenzparties der Geldaristokratie auf Sylt. Wer sich für diese Szenarien und menschliche Dramen erwärmen kann, ist mit diesem Buch gut bedient. Wer nicht, sollte es mal mit den journalistischen Texten von Annette Meyhöfer versuchen, die eher zur Veröffentlichung in einem Sammelband getaugt hätten.
Annette Meyhöfer
Dieser Kater wäre einen Rausch wert gewesen
Goldmann 16,- DM
ISBN 3-442-54001-1