Quasti, Charlie, Sven und ich…
Okay, okay, ich gebe mich geschlagen. Ich bin Tierpflegerin (in der Ausbildung, aber immerhin) und nicht Karla Kolumna, aber wenn man mich so drängt, wieder eine Kolumne zu verfassen, dann müssen halt die werten Leser darunter leiden.
Gut, da bin ich wieder und reihe mich ein in die Liga der Hinternet-Kolumnisten. Wo waren wir stehen geblieben? Ah ja, beim Frittieren und Hähnchen grillen. Das ist ja Schnee von gestern. Federvieh gibt’s im Zoo nur lebendig. Mit Vögeln habe ich allerdings momentan nichts zu tun, nein, mein Arbeitsbereich liegt in dieser Phase meiner Ausbildung im Nachttierhaus. Ich komme morgens um 7 Uhr an, es ist also noch Nacht, verbringe meinen Tag in Dunkelheit, eine Hymne auf die künstliche Nacht, Feierabend ist um 16 Uhr, in dieser Jahreszeit fast schon Nacht. Das bedeutet zwei Stunden am Tag Sonne. Da bleibt man doch fröhlich und quietschfidel.
Versteht mich nicht falsch, ich liebe diese Arbeit, die Tiere und die Tiere lieben mich. Das heißt es gibt da ein Tier, das findet mich äußerst unsympathisch. Quastenstachler sind Nagetiere und haben viele Stacheln. Einige davon befinden sich an der Schwanzspitze, und damit spielen sie Klapperschlange. Das machen sie aber nur, wenn sie drohen oder angreifen wollen. Wir haben einen solchen Quastenstachler, liebevoll Quasti genannt. Ich frage mich immer noch, wer auf diese bescheuerte Idee gekommen ist.
Wenn ich morgens die Gehegetür aufsperre, ist er auf jeden Fall schon ausgiebig am Rasseln und Stacheln stellen. Ich bin mir sicher, darauf freut er sich schon seit Stunden. Wenn ich dann den Fehler mache und ohne Abwehrgerät in den Käfig steige, habe ich ihn sofort am Schuh hängen, in den er dann sogleich kräftig hineinbeißt. Ich danke Gott für den Erfinder der Stahlkappen-Schuhe. Ich muss mindestens sechs Mal am Tag in dieses Gehege, in dem sich noch ein Nachtaffe befindet. Das bedeutet, sechs Mal am Tag das gleiche Spiel. Ich habe schon alles versucht, ihn zu besänftigen. Nein, Quasti will drohen. Er reagiert auf nichts. Bestechungen mit Leckereien belohnt er mit Versuchen, mir in die Hand zu beißen. Bei der Drohung, ihm die Bananen zu entziehen, entblößt er seine Nagezähne. Das bringt mich dann natürlich dazu, ihm die doppelte Ration zu geben. Nichtbeachtung erwidert er mit lauterem Rasseln und setzt noch ein Knurren obendrauf. Ich glaube, es sind die Höhepunkte des Tages für ihn, mir in den Schuh zu beißen und mir zu zeigen, wer hier das Sagen hat. Eindeutig er, der Essensreste verbuddelt, die ich dann mühselig ausgraben muss, der jeden Tag mit den Pfoten an die Scheibe tatscht, die ich dann putzen muss und der rasseln kann wie die gemeinste Klapperschlange der Welt. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich ihn klasse finde. Ich ertappe mich schon dabei, wie ich anfange, ihn zu verwöhnen. Hier eine Kastanie, da ein Stück Banane und zwischendurch noch ein leckeres Zwiebackstückchen.
Ist euch eigentlich schon mal aufgefallen, wie viele Glasscheiben so ein Zoo hat, insbesondere in einem geschlossenen Haus und ganz besonders in einem Nachttierhaus? Was meint ihr denn, wer solche Scheiben putzt? Ich kann euch sagen, wer sowas macht. Ihr ahnt es schon, nicht wahr? Ihr habt richtig geraten. Die Tierpfleger! Da ich ja momentan für meinen Bereich ganz alleine verantwortlich bin, putze ich die gesamten Scheiben des Nachttierhauses auch ganz alleine. Es sind genau 15 große Scheiben und zehn kleine Scheiben. Ich zähle sie jeden Morgen, und es werden einfach nicht weniger.
Zuerst putze ich sie von innen – das macht Spaß, wenn dir dabei ein Quastenstachler am Fuß hängt. Wenn ich mittags noch Zeit habe, putze ich sie dann von außen. Das ist meistens nötig, weil die netten Zoobesucher meinen, sie sähen die Tiere besser, wenn sie mit der Nase an der Scheibe kleben. Also, wenn ich die Scheiben von außen putze, ist das auf jeden Fall ein Spaß für die Tiere. Besonders für die große Gruppe von Nachtaffen. Diese Freude drücken sie vor allem durch den Versuch aus, den Schaum, der die Scheibe herunterläuft, zu fangen. Nachtaffen haben ständig obstverklebte Finger! Ihr ahnt schon, was das bedeutet. Es ist ein Teufelskreis. Ich habe mir schon ernsthaft überlegt, den Affen kleine Handschuhe zu stricken, oder ihnen beizubringen, wie man Scheiben putzt. Ich würde ihnen kleine Fensterleder, Schwämme und Scheibenwischer basteln, mit denen sie sich dann von Gehege zu Gehege schwingen. Da wäre der Zoo doch um eine Attraktion reicher, und es würden viel mehr Besucher kommen. Ich habe Egon, Charlie, Jimmy und Sven (so heißen unsere Nachtaffen) sogar schon diesen Vorschlag gemacht. Leider haben sie mir nicht richtig zugehört und lieber ihre Futtergrillen gefangen. Also muss ich weiter Scheiben putzen.
Tut mir einen Gefallen, wenn ihr mal wieder in den Zoo geht und einen scheibenputzenden Tierpfleger seht, dann bedauert ihn. Klopft ihm auf die Schulter, schüttelt mitleidig den Kopf und bedauert den Missstand, dass es keine selbstreinigenden Scheiben gibt. Ich würde mich auf jeden Fall darüber freuen!