Merkwürdig still ist es um Deutschlands Krimiautorenelite geworden. Lesereisen wurden abgesagt, Autorenblogs bleiben ungepflegt. Denn die Autoren schreiben. Sie schreiben Wahlthriller, Wahlwhodunnits, Wahlregionalkrimis, ja selbst ein Wahlkatzenkrimi und ein Wahlweinkrimi sind in Arbeit. Die Zeit drängt, denn spätestens Anfang September müssen die Offsettrommeln rotieren.
Wir haben in bewundernswerter Recherchearbeit einige der Plots ermittelt und stellen sie bis Ende des Monats in loser Folge vor. Begonnen sei heute mit: DIE WELTFORMEL.
Die Story: Deutschland steht am Abgrund und wartet auf den Fortschritt. Nur die Partei, der es gelingt, die „Weltformel“ zu finden, wird die Wahl gewinnen können. Aber wie lautet diese vermaledeite Weltformel? Wer hat sie entdeckt? Und – drängendste Frage – wo zum Teufel ist sie?
Derweil arbeitet in einem kleinen Berliner Labor die Physikerin Angela an der Modernisierung einer anderen legendären Formel, der Einsteinschen nämlich. Sie arbeitet konzentriert und still, so wie es ihre Art ist, doch peu à peu geschehen merkwürdige Dinge. Ihr bayrischer Freund Edi etwa wird entführt, nur ein Zettel bleibt zurück, der Angela davor warnt, die Polizei einzuschalten und auffordert, die „Weltformel“ binnen drei Tagen zu entdecken und in einem verschlossenen Briefumschlag an eine bestimmte Adresse im Berliner Regierungsviertel („z.H. F. Müntefering“) zu schicken. Attentatsversuche folgen, denen Angela nur knapp und mit Hilfe ihres Assistenten Guido entgeht. Zwischen beiden entwickelt sich eine zarte und scheue Liebesbeziehung, die Angela auch arbeitsmäßig so beflügelt, dass sie es schließlich schafft, Einsteins Formel so weiter zu entwickeln, dass sie endlich zur Weltformel wird. Diese lautet:
Brutto = Netto.
Damit wird Deutschland aus seiner Lethargie erlöst! In einem nervenzerfetzenden Showdown werden die Bösen (SPD, Linkspartei, Grüne) zur Strecke gebracht, Edi aus seinem Gefängnis befreit und Angela zur Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland ausgerufen. Alles wird gut, nein, alles wird noch viel besser.
Leseprobe: „Die Kugel zischte haarscharf an Angelas Sturmfrisur vorbei und grub einen kleinen Krater in die weißgetünchte Wand des Laboratoriums. Es war stockdunkel, und Angela hielt den Atem an. Ihr Gegner keuchte wie ein Jäger, der sich seines Wildes sicher ist. Das Keuchen kam näher, über Angelas Rücken rollte ein Teppich aus Eis und Angst, ihre Haare stellten sich wie unter dem Einfluss einer starken elektrischen Ladung. Sie würde gleich morgen zum Friseur gehen müssen. Eine belebende Schaumpackung, danach vorsichtiges Kupieren der Haarspitzen, Fönen mit dem ENOLA-GAY-Fön, anschließend langsames Massieren der Kopfhaut und Beschallung derselben mit einem Wagner-Potpourri. Ja, darauf freute sie sich, während der Atem des Killers kalt über die errötete Haut ihrer rechten Wange strich.“
Der Autor: ein bekannter Starfriseur und –autor, Verfasser des Bestsellers „Udo Waltz oder Wie ich lernte, die Schere zu lieben.“
Unsere Prognose: Heißer Anwärter auf den „Glauser“, den Crime Award der Friseurinnung.