Rezensentenethik

heißt →die aktuelle Kolumne von Thomas Rothschild beim „Titel-Magazin“. Es geht um Gefälligkeitsrezensionen und den hierzulande fehlenden Codex, solche zu verhindern. „Tatsache ist: Freundschaftsdienste gehören in Deutschland zum Rezensentenalltag.“, schreibt Rothschild zutreffend. Eine kleine Ergänzung zu unserer „Schule der Rezensenten“ und vielleicht demnächst auch dort etwas näher beleuchtet.

17 Gedanken zu „Rezensentenethik“

  1. Auch beim ORF hats eine nette Kolumne:
    Die wöchentliche Kolumne zu Kochbüchern, Gerüchen und Rezensenten von Thomas Schaller
    Passend die Ausgabe in zwei Teilen:
    Alles Gauner
    Literaturkritik zwischen Wissenschaft und Leseerlebnis

  2. Lieber dpr,
    ja, Medienhygiene ist was Feines. Man muss arg aufpassen. Deswegen habe ich gerade meine Mitarbeit beim netten Titel-Magazin suspendiert, denn auch dort wurden metro-Bücher positiv rezensiert. Das gilt ab sofort auch für alle freundlich gesinnte Bloggs, Foren etc. Dito für alle Jahrbücher, Sammelbände oder sonstige Projekte to come …
    Best
    TW

  3. Hallo Anobella,

    oh, du hast Recht. Als ich den Link gesetzt habe, gabs noch diese „Berechtigung“. Merkwürdig. Ich schau mal, was da los ist.

    bye
    dpr

  4. Soviel also zur objektiven Literaturkritik, soviel zum objektiven Journalismus. Schade nur, das Thomas Rothschild kein einziges greifbares Beispiel nennt. Das ist ebenso eine „gefühlte“ Kritik, wie die, die Rothschild ins Visier nimmt. Als Leser von Literaturkritik muss man sich schon immer klar machen, wer was wo bespricht. Wer das nicht kann, wer nie Medienkritik gelernt hat, der ist, ‚tschuldigung, selber schuld.

    Übrigens stimmt es nicht, dass es keine „Unabhängigkeitserklärungen“ gibt. Als ich als Dokumentar (also als nicht-redaktioneller Mitarbeiter!) meinen ersten Arbeitsvertrag bei einem Privatsender unterschrieben habe, musste ich wie jeder andere Mitarbeiter eine dreiseitige Erklärung zur Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt unterschreiben.

    Ähnliche Erklärungen mag es auch bei anderen Medien geben, nützen tun sie offensichtlich kaum etwas, wie die letzten Skandälchen über Schleichwerbung bei öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern zeigen.

    Ob eine Rezensentenethik sinnvoll ist? Mag sein, sinnvoller in meinen Augen wäre aber vorher eine grundlegende Selbstkritk von Literaturkritikern und Rezensenten – über ihre angebliche Macht, ihren Status und ihre Aufgabe. Die wird in meinen Augen nämlich hoffnungslos überschätzt. Wo schon Zitate aus jedem Käseblättchen als Referenz auf den bunten Umschlägen von Büchern gedruckt wird (Hauptsache positiv), wo eine Kaufempfehlung von zehn Leuten bei amazon ja den Umsatz in schwindelerregende Höhen treibt, wo bleiben denn da die armen Literaturkritiker? Im Elfenbeinturm vermutlich.

    Sollte man zudem als Kritiker nicht immer davon ausgehen, dass der oder die Leser klüger und schlauer sind, als man selbst (auch wenn dies nicht immer zutrifft)?

    Ich halte Literaturkritik, die wenigstens versucht objektiv zu urteilen (und dies auch zeigt!), immer noch für sinnvoll. Es kommt eben auf den Versuch an. Aber es wäre schon schön, wenn man sich seine eigene Beschränktheit als Kritiker auch vor Augen hält und dies offen zeigt und seinen Lesern mitteilt. Das wäre auf jeden Fall ehrlicher.

    Wesentlich interessanter fand ich übrigens die Texte von Thomas Schaller. Eine schöne „Abrechung“, auch wenn ihm das den Ruf des Nestbeschmutzers eingebracht hat. So sind sie, die Journalisten, Rezensenten, Literaturkritiker – austeilen können sie gut (oder auch nicht), einstecken können sie gar nicht. Dabei wäre, wie oben schon erwähnt, Selbstkritik und Diskussion wesentlich hilfreicher für alle Beteiligten – vielleicht würde die Literaturkritik dann auch irgendwann wieder ernster genommen und von mehr Lesern gelesen.

    Liebe Grüße
    Ludger

  5. Dein Wort in Gottes Ohr, Ludger. Diese Geschichte hat viele Knackpunkte, und ich bin momentan nicht in der Stimmung, sie möglichst vollzählig benennen zu wollen (kommt aber wohl noch). Wichtigster ist aber wohl der: Neben der von dir schon genannten immer offensichtlicher werdenden Unfähigkeit, Kritik einstecken zu können, werden „medienhygienische Maßnahmen“ dafür sorgen, dass man vor lauter Schiß bald auch keine Kritik mehr austeilt. Du, Ludger, wirst etwa keine Publikation von mir mehr kritisieren dürfen, ja, nicht einmal mehr negativ, weil wir uns ja „kennen“ und jeder dahergelaufene Heini behaupten könnte, du hättest mich lediglich persönlicher Animositäten wegen in die Pfanne gehauen. Thomas Wörtche darf mich auch nicht mehr rezensieren, weil ich schon Bücher aus seiner metro-Reihe rezensiert habe. Und so weiter, und so fort. Am Ende kriege ich ne einzige Rezension, von Herrn oder Frau X. vom „Nordheidnischen Tagesboten“, Hauptberuf Abteilungsleiter Damenoberbekleidung bei Karstadt, Nebenberuf Krimirezensent. Traurig. Aber jetzt Ende. Hab im Moment wirklich keinen Blogg-Bock.

    dpr

  6. Als Leser von Rezensionen weiß ich nicht nur, ob der Rezensent mit dem Autor, dessen Buch er gerade rezensiert, in irgendeiner Beziehung steht. Ebenso wenig weiß ich, ob er gerade einen Kater hat, frisch verliebt ist, finanzielle Probleme hat oder gerade befördert wurde. Aber alle diese „weichen Faktoren“ spielen irgendwie in die Rezension hinein. Ich weiß dass. Genau so wie ich weiß, dass meine eigene Beurteilung eines Buches auch von derartigen Faktoren abhängig ist. Und stört es mich? Nein!

    Entweder ich vertraue einem Rezensenten, weil ich seine Besprechung überzeugend finde, das Umfeld seiner Rezension mir Vertrauen einflösst, oder weil ich ihm zuvor schon vertraut habe und er mein – im Kauf eines von ihm empfohlenen Buches zum Ausdruck gebrachtes – Vertrauen nicht enttäuscht hat. Oder weil der Rezensent die Autoren gut findet, die ich gut finde, und auf die Autoren einprügelt, auf die ich auch gerne öffentlich einprügeln würde, wenn das nur jemand interessieren würde.

    Enttäuscht der Rezensent hingegen mein Vertrauen, ist es für mich egal, ob der Grund dafür eine Gefälligkeitsrezension war, oder sein Kater usw…

    Deshalb regelt auch hier der Markt das Problem. Was nicht heißt, dass ich ein Liberaler bin. Aber manchmal sollte man den Kräften des Marktes einfach vertrauen. Und erst wenn das tatsächlich nicht hilft, kann man es ja immer noch mit ein bisschen Ethik versuchen.

    Gruß
    thomas

  7. Danke, Thomas. Ein mündiger Leser. Genauso kommts, auch ohne Kodex. Übrigens: Glaubt irgend jemand, in den USA oder GB würde die Rezensentenwelt mit einer Unterschrift schön sauber und ehrlich?

    bye
    dpr

  8. Hallo Thomas,

    ja sehe ich ähnlich. Die Vorstellung eines absolut neutralen Rezensenten ist albern, jeder Leser/Rezensenten hat individuelle Vorlieben. Ich kann eine einzelne Rezension nur dann richtig werten, wenn ich den Stil/ die Neigungen des Rezensenten kenne. Z.B. von T. Gohlis (Die ZEIT) empfohlene Bücher bin sich mittlerweile bereit, blind zu kaufen, einfach weil ich meine, seinen Stil zu kennen [was aber nicht bedeutet, dass ich alles gut finde, was er gut findet].

    Wenn ein Rezensent von einem Verlag abhängig ist, oder mit einem Autor verbunden ist, wüsste ich es allerdings schon gerne – nur so als Hintergrundsinfo.

    Nicht sinnvoll halte ich dagegen einen Schreibverzicht. Dass die deutschen Krimileser einen Gewinn davon haben, wenn sich ein Kritiker wie Thomas Wörthche in die unangreifbare Schmollecke setzt, wage ich zu bezweifeln. Seine Situation ist allgemein bekannt und seine Kritiken sind allemal besser und fundierter als die meisten Versuche mir unbekannter Kritiker, die da mitunter so „rumblöken“.

    Mit besten grüßen

    bernd

  9. Moin Bernd,

    der Teufel liegt im Detail. Was heißt „mit dem Autor verbunden“? Muss ich mit ihm Bruderschaft getrunken haben, kennen wir uns durch gemeinsame Projekte oder haben wir nur losen Mailkontakt? Außerdem: Ich kann mit einem Autor ja auch negativ verbunden sein. Was sagt der Kodex dann? Geht in Ordnung?

    bye
    dpr

  10. Ach so, ach ja, Nachtrag:
    Ich glaube auch nicht, dass tw jetzt in einer Schmollecke sitzt. Das Dumme ist: Ich kann ihn gut verstehen und fände es trotzdem besser, er hätte sich anders entschieden. Hier sind, du weißt es, natürlich auch Eigeninteressen im Spiel. Vielleicht sollten wir in nächster Zeit gemeinsam sämtliche metro-Bände negativ besprechen, damit auch der Hauch eines Verdachts, hier könnte irgendwie gemauschelt werden, verfliegt? Jo. Das wäre ne ebenso logische wie hirnrissige Konsequenz.

    bye
    dpr

  11. Guten Morgen dpr,

    „Schmollecke“ impliziert eine gewisse Ironie. Ja, ich kann ihn auch verstehen.

    „verbunden“ habe ich so schwammig formuliert, weil ich es auch nicht weiß. Mein Hinweis auf den individuellen Stil des Rezensenten relativiert ja auch die Bedeutung einer Offenlegung, bzw. einer nicht-Offenlegung !

    Auch würde ich gerne auf die Diskussion in Amerika verweisen. http://www.sarahweinman.com/confessions/2005/08/full_disclosure.html#more
    Zusammenfassung: Die „Washington Post“ entschuldigt sich für eine negative Kritik, weil die Autoren der Kritik früher ´mal mit einem alten Freund des Autors verheiratet war. Verrückt.

    Mit besten Grüßen

  12. Genauso stelle ich mir das vor: Ein Heer von „Literaturdetektiven“ durchforstet die Vergangenheit und Gegenwart von Autoren, Rezensenten, Herausgebern und Verlegern. Es wird ganze Stammbäume geben, die darüber entscheiden, ob Rezensent A. Autor B. beurteilen darf oder Herausgeber C. in Kontakt zu Autor D. treten kann,was dann aber dazu führt, dass Herausgeber C., wenn er als Rezensent tätig sein sollte, nicht mehr über Autor D. urteilen darf, d.h. er darf negativ, wenn sein Verhältnis zu D. positiv ist und postitiv, wenn… ach, das werden herrliche Zeiten!

    bye
    dpr

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