Was trägt der deutsche Krimi in der heurigen Saison? Diese spannende Frage stand im Mittelpunkt des diesjährigen Spätwintertreffens der Krimiautoren-Innung SISYPHOS im romantischen Bad Wildungen. Das wichtigste Ergebnis vorweg: In Zukunft dürfen auch Frauen Krimis schreiben!
Denn mit diesem heiklen Thema eröffnete der Vorsitzende Waldemar „Bum-bum“ Hasenclever die mit Spannung erwartete Diskussion über die aktuellen Trends im Deutschkrimi. Nachdem Frauen jetzt auch Skispringen dürften, begann Hasenclever, sei es rein zeitgeistgemäß nichts weiter als opportun, ihnen auch die bislang verschlossenen Pforten des deutschen Kriminalromans aufzuschließen. Es seien, fuhr Hasenclever fort, hier gewiss nicht auf Anhieb druckreife Spitzenprodukte zu erwarten, doch mit etwas Geduld gewappnet könne man durchaus damit rechnen, noch in diesem Jahrzehnt den ersten gelungenen deutschen Kriminalroman einer Autorin lesen zu können. Im Fußball sei es bekanntlich ebenso gewesen. Zuerst habe man sich amüsiert, wenn Frauen sich weigerten, Eckbälle auszuführen, da sie nur runde zur Verfügung hätten, aber jetzt sei man sogar Weltmeisterin!
Der zweite Vorsitzende Georg „Arsen“ Gummel schlug nun, in einer thematisch eleganten Volte, vor, das Augenmerk schreibender Frauen insbesondere auf die ihnen eigenen Milieus zu lenken, sprich Küche, Kaufhalle und Schlafzimmer. Er, Gummel, frage sich überhaupt, warum deutsche Krimiautoren nicht mehr und ausgiebiger vor ihrer eigenen Haustür kehrten, respektive von ihren heimatlichen Kirchtürmen zu berichten wüssten und immerfort „ins Weltweite“, wie er sich ausdrückte, zögen. Eine Art „Regionalkrimi“ könnte dem deutschen Produkt eine unverwechselbare Handschrift verleihen, eine Art Gütesiegel sozusagen.
Diese Anregung wurde begeistert aufgenommen und man beschloss, die Produktion sogenannter „Regionalkrimis“ als DEN Trend des Jahres 2006 zu protegieren und auch werbemäßig voll zu unterstützen. In einer ersten Phase sollen solche Regionalkrimis aus der Eifel, dem Hunsrück und dem Odenwald besonders beworben werden.
Erwartet heikel wurde die Diskussion um den inhaltlichen Schwerpunkt des Jahres. Der von Mitglied Peter „hardboiled“ Schmidt-Würlin eingebrachte Vorschlag, zukünftig mehr auf den Koitus als Transportmittel der Handlung zu setzen, fand keine Mehrheit. Hingegen einigte man sich, mehr Krimis mit Serienkillern und solche aus dem Pathologenmilieu zu verfassen. Dies sei eine echte Marktlücke und verschaffe dem deutschen Krimi einen Qualitätsvorsprung vor den Billigheimern aus dem Ausland, die infolge der EU-Dienstleistungsrichtlinie mit unausgegorenen Produkten unterhalb des hiesigen Tarifstandards den einheimischen Markt zu überschwemmen sich anschickten.
Um das Mitglied Peter „hardboiled“ Schmidt-Würlin nicht zur Gänze zu düpieren, wurde ferner beschlossen, postkoitale Verbrechen als sogenannten „Subtrend“ entsprechend zu fördern. Die Höchstzahl vollzogener geschlechtlicher Vereinigungen wurde großzügig auf sieben pro Werk erhöht, bei mehr als sieben wird der Krimi per Aufkleber dem „Porncrime“-Sub-Subgenre zugeschlagen.
Man war sich einig, dass das Einführen von Spannung („suspense“) in deutsche Kriminalromane eines der Hauptanliegen der Zukunft sein sollte. Eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Eberhard „Dolchi“ Springer wurde gegründet, die pünktlich zur nächsten Herbsttagung (die übrigens im sehr idyllischen Bad Schwalbach stattfinden soll) ein entsprechendes paper erarbeiten wird, welches es deutschen Krimiautoren bequem und zeitsparend ermöglicht, das Spannungselement in ihre Handlungen zu integrieren.
Nach lebhaftem Hin und Her wurde „Der Kommissar öffnete den Kühlschrank und nahm eine Lightcola aus dem Gemüsefach“ zum Krimisatz der Saison gekürt. Er sollte in keiner Neuveröffentlichung fehlen. Nach einer stürmischen Kampfabstimmung einigte man sich schließlich auf den Schlagbohrer als „trendigste Mordwaffe des Jahres“. Macht Krach – Blut spritzt: So die überzeugenden Argumente der Befürworter. In einem Historienkrimi fehl am Platze, da Steckdose Bedingung: konterten die Kontristen, mussten sich indes belehren lassen, genau hier beginne die literarische, Zeit und Raum beherrschende Kunst.
Zum Abschluss der Tagung erfolgte wie gewöhnlich die Zuteilung der tagespolitischen Themen, welche in realistisch-kritischen Kriminalromanen zu behandeln sind. Man setzt heuer voll auf das Kinderschänder- infolge-Hartz IV-Sujet sowie eheliche Zerrüttungsdramen auf Basis der Globalisierungsproblematik. Der deutsche Krimi, so das allgemeine Credo, gehe damit gut gerüstet in die neue Saison und brauche sich vor dem senegalesischen keineswegs zu verstecken.
Mit der Überreichung des Ludger für den besten zeitgenössischen deutschen Kriminalroman endete die würdige und ergebnisreiche Veranstaltung. Der Preis wurde vom ersten Vorsitzenden Waldemar „Bum-Bum“ Hasenclever an Erfolgsautor Waldemar „Bum-Bum“ Hasenclever überreicht.
Na, da brauchen wir uns um das Überleben des deutschen Krimis ja nicht mehr zu sorgen. Mit so Marktlücken füllenden Themen wie Serienmörder und Psychopathen kann ja nix mehr passieren. Wann wird ein Untersymposium zur Förderung der Übersetzung deutscher Krimis in so Weltsprachen wie Isländisch, Estonisch etc. eingerichtet. Man muß an die Zukunft denken 😉
Gruß
barb
Kommt noch, liebe Barb! In Bad Wildungen war am Rande der Veranstaltung zu hören, zuerst müsse man die Einführung des Whodunnit ins Deutschkrimigut organsieren. Aber dann! Andorra, wir kommen!
bye
dpr
Lieber dpr,
ich stelle mir immer noch Fragen zum Überleben des Krimis in meiner ehemaligen Heimat : Ist der Bereich „forensische Medizin“ und „Detiktivin mit verquerem Liebesleben und neurotischem Haustier“ schon abgedeckt? Auch der „alkoholkranke Ermittler“ ist noch so ein Thema, daß mal richtig schön deutsch durchorganisiert werden müßte.
Besorgter Gruß
barb
Hallo Barb,
habe ich das richtig gelesen? Es gibt Krimis, in denen die Detektive Frauen sind? Also weiblich? Und das ist erlaubt in Kanada? Dazu müssen in Deutschland erst mal eine paar Gesetze geändert werden. Grüß mir Joni Mitchell, wenn du sie zufällig siehst!
bye
dpr
Na so richtig erlaubt? Ich bin nicht sicher. Kathy Reichs ist ja Amerikanerin (bei denen ist alles größer, schöner und erlaubter…), aber ihre Temperance würgt, eh wirkt ja nun auch in Montréal… Da muß ich mal forschen und im Zweifelsfalle eine quebecker-kanadisches Symposium schaffen.
Joni Mitchell würde ich auch gerne mal treffen, aber die kommt seit 15 Jahren nie hier in Québec vorbei. Da sind die Chancen größer Leonard Cohen zu treffen…
Fast zugeschneite Grüße
barb