Bill Moody: Bird lives!

Ui, da hat mir der Unionsverlag aber eine Steilvorlage geliefert! „Schlechter Jazz kann tödlich sein!“, so bewirbt er das neue Buch von Bill Moody, „Bird lives!“. Und schon weiß ich, wie ich meine Rezension beginne, wenn mich die Lektüre nicht überzeugt: „Schlechte Krimis auch! Tödlich langweilig!“ Schade um den schönen Einstieg.

Jazzpianist Evan Horne macht nach auskurierter Handverletzung erste Schritte zurück in seinen Beruf. Alles läuft bestens: kompetente Mitmusiker, inspirierte Konzerte, ein Plattenvertrag winkt, harmonisches Zusammenleben mit Freundin Natalie. Doch schnell kommt es, wie es in einem Krimi kommen muss: Irgendjemand ermordet Musiker, die schlechten, weil weichgespült rundfunktauglichen, aber leider kommerziell erfolgreichen Jazz spielen. Mit Blut aufs Spiegelglas geschrieben: „Bird lives!“, und Bird ist Charlie Parker, Ikone des bebop und mithin des „modernen“ Jazz.

Horne ist nicht daran interessiert, in diesen Fall verwickelt zu werden, wird es aber denn doch schneller als ihm lieb ist. Das FBI engagiert ihn als Jazzexperten, der das Profiling unterstützen soll, und je weiter er sich von der gar nicht begeisterten Natalie entfernt, desto näher kommt er der Agentin Andy Lawrence, die ihn betreut. Richtig gefährlich wird es aber erst, als sich der Täter (oder die Täterin) Horne zum Spielstein bei seinen / ihren Schachzügen erkürt. Jetzt hat Horne, der detektivisch Erfahrene, keine andere Wahl: Er muss die Todesumstände eines Jazzers untersuchen und gleichzeitig die Person ins Netz locken, die sich für eben diesen Musiker interessiert. Großer Showdown in Las Vegas.

Das scheint sowohl inhaltlich als auch dramaturgisch nun alles nicht sehr originell, doch zwei Umstände verhindern, dass wir den Roman nach getaner Arbeit als zwar unterhaltsame, doch letztlich nicht weiter erwähnenswerte Lektüre zur Seite legen. Da wäre zum einen Moodys Schreibstil, der angenehm unspektakulär daherkommt. Schon „Auf der Suche nach Chet Baker“ (in deutscher Übersetzung der Vorgänger von „Bird lives!“, chronologisch der Nachfolger) überzeugte durch die fast etwas distanzierte und damit immer auch leicht kontemplative Schreibweise des Autors, ohne Spektakel, aber nicht einschläfernd.

Und zum anderen: Guter Jazz und gute Krimis haben mehr gemeinsam als nur das Adjektiv. Beide leben von der Inspiration der Akteure, die nicht aus dem Nichts kommt, sondern aus dem Boden soliden Handwerks wächst. Guter Jazz ist Improvisation, Improvisation jedoch keine spontane Belanglosigkeit, kein routiniertes Abnudeln von Mustern. Und diese Mischung aus Können und Originalität, die aus dem Moment heraus entsteht und für die Ewigkeit sein könnte, macht auch den gelungenen Kriminalroman aus. Guter Jazz und guter Krimi sind also immer riskant, eine Herausforderung, der sich Musiker respektive Autoren mit Lust und Respekt und folgerichtig einer gewissen Distanz nähern, so wie es Evan Horne bei der Untersuchung der Morde tut.

Wenn uns Bill Moody etwas über Jazz erzählt und seinen Evan Horne dieses Erzählte durchleben und durchleiden lässt, dann erzählt er uns auch immer etwas über die Entstehung von Krimis und wie sie funktionieren. Guten Krimis, natürlich, und „Bird lives!“ ist einer: inspiriert, locker aus den Handgelenken, aber nicht beliebig zur Untermalung eines gemütlichen Feierabends in die Tasten geklimpert.

Bill Moody: Bird lives! 
Unionsverlag 2006. 272 Seiten, 19,90 €

2 Gedanken zu „Bill Moody: Bird lives!“

  1. Also ich liebe Jazz, nur diese Krimis (der und die Chet- Baker Geschichte) sind sehr schwach, von der Spannung her.
    Und dann diese ganz leichten Stilfehler
    S. 216: „da hat er ein Riesenglück gehabt“.
    Ein Glück, ein Geld. Lernen schon Kinder, daß das nicht geht.
    Hm. Hat wohl auch der Korrekturleser geschlafen.

  2. Hallo Alexander,

    ich gebe dir recht, dass die Evan-Horne-Romane unter dem „Spannungs“-Aspekt gewöhnungsbedürftig sind. Spannung ist dort eher so etwas wie das Thema beim Jazz, über das improvisiert wird. Es dient als Fix- und Ausgangspunkt, aber wichtig ist das, was dazwischen liegt. Gerade „Auf der Suche nach Chet Baker“ hat mich davon überzeugt. Da hält sich ja die Spannung in Grenzen, zumal man ahnt, dass Horne nun nicht nachweisen wird, Chet Baker sei ermordet worden. „Bird lives!“ hat mich wegen der Lockerheit überzeugt, mit der die einzelnen Komponenten ineinander verzahnt wurden. Klar, das Ganze knistert nicht gerade vor Hochspannung. Hat mich aber nicht weiter gestört.
    Hm, „ein Riesenglück“. „Da hab ich ein Schweinegeld gemacht“ – „Ich hatte ein Glück, das glaubt man nicht.“ – Nee, das stört mich jetzt nicht, das ist lebendige Sprache, die sich entwickelt. Auch in Romanen sollten die Leute so reden, wie sie normalerweise reden: also nicht selten falsch. „Das ist die größtmöglichste Chance auf den Frieden!“ käme mir aus dem Mund eines Fernsehjournalisten ziemlich authentisch vor, wie mich zahlreiche Beispiele gelehrt haben.

    bye
    dpr

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