Schlussfolgerung

„Daß die Menschheit die Macht hat, zu strafen, das ist die Ursache jeder geistigen Rückständigkeit. Gäb‘ es keine Strafen, so hätte man längst schon Mittel gefunden, Verbrechen unmöglich, überflüssig und aussichtslos zu machen. Wie weit wären wir in allem, wenn wir Galgen und Kerker nicht hätten! Wir hätten Häuser, die nicht Feuer fangen, und es gäbe keine Brandstifter. Wir hätten keine Waffen mehr, und es gäbe keine Meuchelmörder. Jeder hätte, was er braucht und was er sich ersehnt, und es gäbe keine Diebe. Manchmal kommt mir der Gedanke: Wie gut es ist, daß Krankheit kein Verbrechen ist. Sonst hätten wir keine Ärzte, nur Richter.“

Das schrieb ein in Prag geborener Versicherungsmathematiker. Nein, nein, nicht DER. Sondern Leo Perutz. Das Zitat stammt aus dem unbedingt empfehlenswerten Roman „Zwischen neun und neun“. Der wieder einmal belegt: So hätte Kafka geschrieben, wenn er für Leser geschrieben hätte.

Ach ja, die Schlussfolgerung: Perutz‘ Vision ist natürlich abzulehnen. Denn ohne Strafe gäbe es auch keine Kriminalromane mehr. Und das wäre schauerlich.

12 Gedanken zu „Schlussfolgerung“

  1. Wieso GEGEN Kafka? Ist doch nur ne kategorische Feststellung. Hat halt nicht für Leser geschrieben. Ist doch ehrenwert. Kann man machen. Perutz hat FÜR Leser geschrieben. Kann man auch machen. Ist man erfolgreicher. War er ja auch. Ganz Großer. Müsste man wieder öfter lesen. Und Kafka haben eh nur zwei Leute verstanden: Mein Kumpel Nabokov und ich.

    bye
    dpr

  2. Nix gegen Perutz, aber das mit der Krankheit wusste Kafka (der nicht umsonst Jurist bei einer Versicherung war) besser (d.h.: Perutz wusste es natürlich auch besser).

  3. …und es gibt überhaupt nur einen, der die Ripley-Romane richtig verstanden hat! Jau!

    – Wäre Literatur Fußball, lieber JL, hätte Kafka gegen Perutz 2:4 verloren. Und Perutz würde erst im Halbfinale gegen Arno Schmidt ausscheiden, der wiederum im Finale Jean Paul unterliegen würde. Aber erst im Elfmeterschießen.

    bye
    dpr

  4. gott sei dank, dass ich urlaub hatte und RELAXT bin, sonst würde ich jetzt … würdest du BITTE aufhören zu behaupten, kafka habe nicht für den leser geschrieben?!
    das ist ja wie in der welt-rezension, über die du dich aufgeregt hast, wo arno schmidt als schwieriger autor bezeichnet wurde!
    *schnappt nach luft!

  5. Okay, okay, behaupte ichs halt nicht mehr…tschulligung…
    Und dem Ror Wolf, lieber JL, habe ich heute morgen bei der taz-Lektüre schon bitter zugenickt. Genau so. Abgehakt. Keine Typen mehr. Kann man alles vergessen.

    bye
    dpr

  6. Achja, du hast also Kafka verstanden. Da bin ich aber gespannt. Ich hoffe, du schreibst ein Buch darüber. Dann würden nämlich ganze Bibliotheken von Sekundärliteratur überflüssig. :-)) LG, WilderKaiser

  7. Na, Wilder Kaiser,

    der Clou ist ja der: So wie ich Kafka verstehe, sollte man vor allem keine Bücher über ihn und seine Werke schreiben. Mein Kumpel Nabokov hat ein paar Aufsätze über ihn veröffentlicht, und das genügt auch schon. Kafka ist einer, den du solange interpretierst, bis du mit dir allein bist. Ich habe aber beim Interpretieren immer gerne auch noch den Autor mit seinem Werk bei mir. Also kein Buch über Kafka.

    bye
    dpr

  8. kann mir irgendjemand mal diesen satz in ein erklärendes licht setzen:

    Kafka ist einer, den du solange interpretierst, bis du mit dir allein bist. Ich habe aber beim Interpretieren immer gerne auch noch den Autor mit seinem Werk bei mir.

    fragezeichenanobella

  9. Richtig, das würde mich jetzt auch mal interessieren! Bitte nachweisen, dass dieser Satz von Kafka stammen könnte!

    bye
    dpr
    *es heißt, glaube ich, „so lange“, pardon.

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